Die beteiligten Bundesministerien für Landwirtschaft und Umwelt konnten sich bislang nicht auf eine gemeinsame Linie beim anstehenden Insektenschutzprogramm einigen. Das Bundeskanzleramt macht jetzt Zeitdruck. Der BLHV ist alarmiert, weil er gravierende Nachteile für die Landwirtschaft befürchtet.
Der BLHV schnell im Einsatz: In Brigachtal wurde ein Schreiben, gerichtet an die SPD, symbolisch im Rahmen einer spontanen Kundgebung mit Traktoren an Parteivertreter überreicht.
Eine Einigung unter den Ministerien gab es unter anderem bislang deshalb nicht, weil das Bundesumweltministerium an einem breiten Verbot von Herbiziden und biodiversitätsschädigenden Insektiziden in FFH-Gebieten unbeirrt festhält.
In der Hoffnung, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einen Kompromiss hinwirken kann, richteten die Kreisvorsitzenden des BLHV einen dringenden Appell an sie. Am Dienstagnachmittag gingen die ersten Briefe per Fax und E-Mail an das Bundeskanzleramt raus. Darin war unter anderem zu lesen: „Verzichten Sie bitte auf das Verbot von Herbiziden und Insektiziden in FFH-Gebieten und retten Sie bitte unseren baden-württembergischen Weg.”
In ihren Briefen schildern die Kreisvorsitzenden ihre Betroffenheit durch das Pflanzenschutzmittel-Verbot, indem sie aufzeigen, wie viel landwirtschaftliche Fläche in FFH-Gebieten liegt und welche Folgen die Auflagen für die Landwirtschaft hätten. In Brigachtal wurde ein weiters Schreiben, gerichtet an die SPD, symbolisch im Rahmen einer spontanen BLHV-Kundgebung mit Traktoren an Parteivertreter überreicht.
Räpple telefoniert mit Schäuble
Flankiert wurden die Schreiben von einem Telefonat
zwischen BLHV-Präsident Werner Räpple und Wolfang Schäuble, dem
Präsidenten des Deutschen Bundestages. Räpple schilderte die
verheerenden Folgen des Verbots und bat darum, den Anliegen des BLHV bei
der Kanzlerin sowie den Ministerinnen Schulze und Klöckner Gehör zu
verschaffen.
Bestätigt fühlten sich die BLHV-Vertreter durch eine Stellungnahme der
unionsgeführten Landwirtschaftsministerien der Länder Niedersachsen,
Bayern und Baden-Württemberg. In einem Schreiben an das
Bundeskanzleramt, das dem BLHV vorliegt, erklärten die
Landwirtschaftsminister der Kanzlerin ihre Sorgen wegen eines Verbots
von Pflanzenschutzmitteln in FFH-Gebieten. Es hätte weitreichende Folgen
für den Obst-, Wein- und Gemüseanbau sowie für den Ackerbau und die
Kalamitätenbekämpfung im Wald: „Die Wirtschaftlichkeit dieser
Produktionsrichtungen in den ökonomisch überwiegend als Grenzlagen zu
bezeichnenden Gebieten würde mit den geplanten Verboten nachhaltig
zerstört, unabhängig davon, ob mit biologischen oder konventionellen
Methoden gearbeitet wird.”
Bayern und Baden-Württemberg haben infolge von Volksbegehren eigene,
höchst anspruchsvolle Reduktionsstrategien für Pflanzenschutzmittel
entwickelt. Auch Niedersachsen hat eine fortschrittliche Vereinbarung
mit den Naturschutzverbänden und der Landwirtschaftskammer zum Natur-,
Arten- und Gewässerschutz beschlossen. Mit ihrem gemeinsamen Schreiben
stellen sich die Landesministerien nun deutlich hinter ihre
Länderregelungen und gegen die Verbote und Auflagen der Bundesstrategie.
Die deutlichen Worte werden vom BLHV ausdrücklich gelobt. Auch der
südbadische Berufsstand stehe hinter dem Weg, den man im Land
eingeschlagen habe, denn er setze auf Kooperation, Investitionsförderung
und Verhältnismäßigkeit.
Zum Redaktionsschluss dieser BBZ am Mittwoch war noch nicht absehbar,
ob die breiten Appelle der Vertreterinnen und Vertreter des BLHV zu
einem erhofften Kompromiss in Berlin beitragen konnten. Sicher ist
jedoch, dass der unermüdliche Einsatz des Berufsstands eine breite Welle
der Kritik und des Widerstandes gegen das Insektenschutzprogramm
ausgelöst hat, wie man sie zuletzt beim Volksbegehren Pro Biene erlebte.
Und auch hier entschieden sich alle Beteiligten am Ende für den
„Gemeinsamen Weg”, erklärt der BLHV.
Kabinett will schon am 10. Februar zu Insekten entscheiden
Das Bundeskanzleramt drückt beim Insektenschutz aufs Tempo. Bereits am 10. Februar sollen der Entwurf für ein Insektenschutzgesetz und der Verordnungsentwurf zur Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung im Bundeskabinett beschlossen werden. Ziel ist es, die Rechtssetzungsverfahren möglichst noch vor der parlamentarischen Sommerpause abzuschließen. Die letzte Sitzungswoche des Bundestages findet Ende Juni statt.
Verbände und Länder sollen bis zum 5. Februar ihre Stellungnahmen zur Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung abgeben. Parallel dazu laufen die Verhandlungen von Bundeslandwirtschaftsministerium und Bundesumweltministerium weiter. Zwischen den Ressorts sind nach wie vor einige Punkte strittig.
Offen ist unter anderem, welche Ausnahmen es beim vorgesehenen Anwendungsverbot von Herbiziden und bestimmten Insektiziden in Fauna-Flora-Habitat-Gebieten (FFH-Gebieten) außerhalb von nationalen Schutzgebieten geben soll. Bislang hat man sich darauf verständigt, die Produktion von Frischgemüse und den Anbau zur Vermehrung von Saatgut von dem Anwendungsverbot auszunehmen.
Das Landwirtschaftsministerium drängt darauf, weitere Ausnahmen zuzulassen, insbesondere für den Erwerbsobstanbau. Nicht abschließend geklärt war bis Redaktionsschluss der BBZ-Ausgabe zudem, welche Insektizide in die Verbotsliste aufgenommen werden sollen.
Kein Einvernehmen besteht bislang darüber, für welche Gewässer die geplanten Gewässerrandstreifen gelten sollen. Nach den Vorstellungen des Bundeslandwirtschaftsministeriums sollen die Vorgaben des Bundes nur für größere Gewässer mit einem Einzugsgebiet von mehr als 10 Quadratkilometern zum Tragen kommen. Für kleinere Gewässer sollen weiter die Länder zuständig sein.
Laut Verordnungsentwurf sollen entlang von Gewässern auf einem Streifen von 10 m keine Pflanzenschutzmittel angewendet werden dürfen. Ist eine geschlossene, ganzjährig begrünte Pflanzendecke vorhanden, soll der Mindestabstand lediglich 5 m betragen müssen.