Betrieb und Wirtschaft | 11. Juni 2014

Hier wird tatsächlich fürs Leben gelernt

Von Gisela Ehret
Wer Landwirt werden will, drückt im ersten Ausbildungsjahr nur die Schulbank? Nein, im Gegenteil: Die drei Berufsschulen des Regierungsbezirks Freiburg bieten für das Vollzeit-Schuljahr eine abwechslungsreiche und ausgewogene Mischung aus Theorie und Praxis.
„Wer das erste Schuljahr bei uns durchlaufen hat, hat schon einen ganz breiten Überblick über die Landwirtschaft”, betont Barbara Schmidt, Abteilungsleiterin Agrarwirtschaft an der Edith-Stein-Schule in Freiburg. „In der Schule wird ganz gezielt und inhaltlich strukturiert die Praxis vermittelt.” Der Anteil an praktischem Unterricht liegt an den drei Berufsschulen in Freiburg, Radolfzell und Villingen-Schwenningen bei etwa 50 Prozent. 
Jede Woche ein Praxistag
An drei Standorten im Regierungsbezirk Freiburg können Azubis die Berufsschule für Landwirte besuchen.
Die Schüler gehen an einem Tag in der Woche in Kleingruppen auf landwirtschaftliche Betriebe. Die Betriebsleiter, alle Landwirtschaftsmeister, bringen ihnen dort das jahreszeitliche Geschehen näher. „Im Winter machen sie mehr im Stall oder in der Maschinenpflege, im Sommer sind sie draußen auf dem Acker, dürfen mal einen Pflug anhängen oder eine Sämaschine einstellen”, erklärt Schmidt. Der Edith-Stein-Schule stehen dafür vier verschiedene Betriebe zur Verfügung: Ein Ackerbaubetrieb, zwei Milchviehbetriebe und ein Biobetrieb.
Viel Zeit verbringen die Schüler auch in der Werkstatt. Dort lernen sie die Grundlagen der Holz- und Metallbearbeitung und der Maschinenkunde. Sie müssen Kleinigkeiten am Schlepper oder Anhänger reparieren, lernen Schweißen und machen einen Motorsägen-Führerschein. Außerdem werden sie fitgemacht in Bodenkunde, Pflanzenbestimmung, Düngung und Pflanzenschutz. Parallel zu dieser fundierten praktischen Ausbildung findet der Unterricht in der Fachtheorie und im Allgemeinwissen statt. Wirtschaftskunde, Fachrechnen, Pflanzen- und Tierproduktion, aber auch Deutsch, Gemeinschaftskunde und Religion stehen auf dem Stundenplan.
Gute Grundlage für Einstieg in den Betrieb
„Mit diesem Wissen haben die Schüler eine sehr gute Grundlage, um im zweiten Lehrjahr im Betrieb einzusteigen”, sagt Schmidt. „Wer zum Beispiel auf einem Milchviehbetrieb einsteigt, kennt schon die Futtermittel, weiß, wie die Kuh tickt und wie man einen Stecker am Schlepper repariert. Und er kennt bereits den landwirtschaftlichen Jahresablauf.” Ein weiterer Vorteil der Vollzeit-Schule ist für Schmidt: „Die Schüler sind danach reif für die Arbeit im Betrieb.” Viele machen zum Beispiel ihren Führerschein im ersten Ausbildungsjahr. Ihrer Erfahrung nach fühlen sich die Schüler sehr wohl in der Schule: „Unter Landwirten herrscht eine  sehr familiäre Atmosphäre.”
Im zweiten Jahr sind die Azubis abwechselnd im Betrieb und in der Schule. In Freiburg und Villingen-Schwenningen findet der Unterricht in Wochen-Blöcken statt, in Radolfzell ein- bis zweimal pro Woche. Nun werden vor allem die Kenntnisse in der Tier- und Pflanzenproduktion vertieft.
Schmidt bezeichnet diese duale Ausbildung als „richtig guten Grundstock fürs Leben: Ein Landwirt ist so vielseitig qualifiziert, dass er ohne Probleme auch in anderen Bereichen unterkommt.” Gerade heute sei es wichtig, gute Fachkräfte auszubilden. Auch für junge Menschen, die nicht aus der Landwirtschaft kommen, sei der Beruf mittlerweile interessant: „Die Betriebe werden weniger, aber größer, auch bei uns.”
Die meisten Berufsschullehrer – auch die, die in der Theorie unterrichten – sind landwirtschaftliche Praktiker, die aus dem Berufsleben kommen. Schmidt legt Wert darauf, dass ohne ein fundiertes theoretisches Wissen im Arbeitsleben nichts geht. „Viele, die zu uns kommen, denken am Anfang, es geht nur ums Schlepperfahren.” Wichtiger sei aber das Interesse an den Fachbereichen, das Verständnis für Betriebswirtschaft, der Blick auf Markt und Politik. „Landwirte müssen flexibel sein und auf den Markt reagieren können. Und sie müssen teamfähig sein.” Diese Kenntnisse vermittelt vor allem die Fachschule anschließend: Um  einen Betrieb zu übernehmen, sei der  Wirtschafter oder Meister Grundbedingung.