Politik | 05. September 2019

Berlin beschneidet Direktzahlungen und schränkt Pflanzenschutz ein

Von AgE/DBV
Die Umschichtung von der Ersten in die Zweite Säule soll im kommenden Jahr von derzeit 4,5 Prozent auf sechs Prozent steigen. Das sieht der Entwurf eines Gesetzes vor, der am Mittwoch im Bundeskabinett beschlossen wurde; ebenso wie der Entwurf für ein Tierwohlkennzeichengesetz sowie ein Aktionsprogramm Insektenschutz.
Das Aktionsprogramm Insektenschutz der Bundesregierung ist mit erheblichen Einschränkungen für Landwirte verbunden.
Der Gesetzentwurf zur Umschichtung mit offizieller behördlicher Bezeichnung „Direktzahlungendurchführungsgesetz” sieht die Anhebung des Umschichtungssatzes auf sechs Prozent für das Jahr 2020 vor. Bisher liegt der Umschichtungssatz bei 4,5 Prozent.  Das ist Teil des Kompromisses, auf den sich die zuständigen Bundesministerien nach  langen Diskussionen verständigt haben. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat dafür die Zustimmung der SPD-Ministerien für sein freiwilliges staatliches Tierwohlkennzeichen erhalten. Dagegen hatte es bislang sowohl beim Koalitionspartner als auch in den Reihen der Union Widerstand gegeben.
Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf soll ein einheitliches Tierwohllabel zur Kennzeichnung von Lebensmitteln tierischer Herkunft eingeführt werden. Die Verwendung des Zeichens soll freiwillig sein, jedoch an die Erfüllung von bestimmten Kriterien von der Haltung über den Transport bis zur Schlachtung gebunden sein, die über die gesetzlichen Mindeststandards hinausgehen. Festgelegt werden sollen die Kriterien in einer Rechtsverordnung. Die Bundesregierung sichert in dem Entwurf zu, sie werde die Initiative für ein EU-weites, verpflichtendes Kennzeichen ergreifen und sich für die Einführung eines solchen Zeichens einsetzen. Zudem soll weiter geprüft werden, ob und wie ein nationales, verbindliches Kennzeichen geregelt werden könnte.
Glyphosat-Ausstieg und Anwendungsverbote
Mit dem geplanten Aktionsprogramm Insektenschutz, das unter Federführung des Bundesumweltministeriums erarbeitet worden ist, sollen Ziele und Maßnahmen zum Insektenschutz verbindlich verankert werden. Insgesamt will die Bundesregierung 100 Millionen Euro im Jahr für die Förderung des Insektenschutzes und den Ausbau der Insektenforschung zur Verfügung stellen.
Beim Aktionsprogramm Insektenschutz macht die Bundesregierung  ernst mit dem Glyphosat-Ausstieg. In ihrem Aktionsprogramm Insektenschutz, das am Mittwoch  im Bundeskabinett beschlossen wurde,  kündigt die Regierung an, die Anwendung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel zum 31. Dezember 2023 zu verbieten. Bereits ab 2020 soll eine systematische Minderungsstrategie greifen, mit der der Einsatz glyphosathaltiger und wirkungsgleicher Pflanzenschutzmittel deutlich eingeschränkt werden soll.
Vorgesehen ist auch ein Verbot der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden mit besonderer Relevanz für Insekten in ökologisch besonders schutzbedürftigen Gebieten. Genannt werden unter anderem Fauna-Flora-Habitat-(FFH-)Gebiete, Naturschutzgebiete und Nationalparks sowie Vogelschutzgebiete mit Bedeutung für den Insektenschutz, die von den Ländern bestimmt werden sollen.
Die Pflanzenschutzregelungen sind Teil eines umfassenden Maßnahmenkatalogs zum Insektenschutz. Zentrale Elemente sind neben den Vorgaben für „eine umwelt- und naturverträgliche Anwendung von Pestiziden” ein Insektenschutz-Gesetz und parallele Rechtsverordnungen mit Änderungen im Naturschutz-, Pflanzenschutz-, Dünge- und Wasserrecht, die Bereitstellung von mindestens 100 Millionen Euro im Jahr für den Insektenschutz, der Ausbau der Insektenforschung sowie der Schutz und die Wiederherstellung von Insektenlebensräumen.
IVA: „Reine Symbolpolitik”
Zur Finanzierung von Förderprogrammen im Agrarbereich ist vorgesehen, im Bundeshaushalt 2020 einen Sonderrahmenplan in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) einzurichten. Dieser soll mit 50 Millionen Euro ausgestattet werden.
Unterdessen kritisierte der Industrieverband Agrar (IVA) das angekündigte Glyphosat-Verbot. Hauptgeschäftsführer Dr. Dietrich Pradt sprach von „reiner Symbolpolitik”. Die Bundesregierung nehme Entscheidungen vorweg, die in den kommenden Jahren auf europäischer Ebene auf fundierter wissenschaftlicher Basis getroffen werden müssten.
Für die deutsche Landwirtschaft bedeute ein Glyphosat-Ausstieg einen erheblichen Wettbewerbsnachteil. Für die Hersteller geht Hauptgeschäftsführer Pradt zufolge Planungssicherheit verloren, wenn auf das EU-Recht kein Verlass mehr sei. „Vor allem aber ist fraglich, ob Ziele wie Arten-, Insekten- oder Klimaschutz durch diese politische Entscheidung wirklich erreicht werden”, so Pradt. Ohne wirksame Herbizide würden umweltverträgliche Formen des modernen Ackerbaus wie eine konservierende Bodenbearbeitung weiter erschwert.
Rukwied: Gesetzespaket für Landwirte toxisch
Aus Sicht des Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, ist das Gesetzespaket für Tier- und Umweltschutz in der Landwirtschaft, das am Mittwoch dieser Woche  bei Redaktionsschluss dieser BBZ im Kabinett beschlossen wurde,   keinesfalls akzeptabel: „Wir wissen, dass es Veränderungen hin zu mehr Tierwohl und Insektenschutz geben muss, aber dieses Paket ist für die Landwirte toxisch. Es ist im Grundsatz eine agrarpolitische Fehlentscheidung der Bundesregierung, wenn über das gültige Fachrecht hinaus zusätzliche Auflagen die Landwirtschaft belasten und in
ihrer Wettbewerbsfähigkeit deutlich schwächen”, so Rukwied mit Blick auf ein geplantes Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten.
„Auch das geplante Tierwohllabel wird vom Markt nicht angenommen werden”, sieht Rukwied voraus. „Die Umverteilung bei der Agrarförderung bedeutet zusätzliche schmerzhafte Einschnitte im Einkommen der Bauern. Wenn dieses Gesetzespaket so umgesetzt wird, wird das zu weiterem Frust und Perspektivlosigkeit unter den Landwirten führen. Wir haben große Sorge, dass dadurch der Strukturwandel deutlich verschärft wird”,  betont der DBV-Präsident.