Die zunehmenden Anforderungen von Gesellschaft und Politik gegenüber der Landwirtschaft spielten die inhaltliche Hauptrolle beim Deutschen Bauerntag 2019 in Schkeuditz bei Leipzig. „Wandel braucht Verlässlichkeit”, lautete das Motto. Rund 500 Delegierte nahmen teil.
Die Delegation des BLHV verfolgt aufmerksam die Grundsatzrede von DBV-Präsident Joachim Rukwied beim Deutschen Bauerntag. Im großen Konferenzsaal waren die Temperaturen gut erträglich – vor der Tür wurde man mit 37 Grad im Schatten empfangen,
„Wir sind bereit für weitere Veränderungen”, betonte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, am Mittwoch voriger Woche gleich zu Beginn seiner Grundsatzrede vor den Delegierten der Landesbauernverbände. Von weiteren Veränderungen sprach er deshalb, weil die deutschen Bauern nach seiner Überzeugung bereits mitten im Veränderungsprozess drin sind für Klimaschutz, Artenvielfalt, Tierwohl und dabei schon einiges geleistet haben.
Zu wenig Wertschätzung
„Wir haben bereits Veränderungen in die Praxis
umgesetzt, die die Gesellschaft von uns erwartet”, betonte er.
Beispielhaft nannte Rukwied insgesamt 230000 Kilometer Blühstreifen in
Deutschland und die Initiative Tierwohl. Bereits jedes vierte Schwein in
Deutschland werde demnach in Tierwohlställen gehalten. „Wir können noch
mehr tun”, erklärte der DBV-Präsident. Er verwies auf das laufende
Prokjekt F.R.A.N.Z. für mehr Artenvielfalt auf Ackerflächen, ebenso auf
die berufsständische Ackerbaustrategie. Rukwieds Vorschläge reichten bis
zu verpflichtenden Weiterbildungsmaßnahmen für Bauern in der
Tierhaltung.
Auf der anderen Seite machte er ebenso deutlich, dass die Bauern der
Gesellschaft solche Leistungen nicht schenken können. Es gelte für die
Landwirtschaft und die Bauernfamilien, auskömmliches Wirtschaften
sicherzustellen. „Dieser Wandel braucht Verlässlichkeit. Da sind die
Politik und die Gesellschaft gefordert, uns zu begleiten”, verdeutlichte
Rukwied.
Er sprach in diesem Zusammenhang auch an, dass viele Bauern das Gefühl
haben, von der Gesellschaft nicht wertgeschätzt zu werden. „Ich wünsche
mir mehr Wertschätzung dafür, was die Bauern schon geleistet haben”,
unterstrich er vehement und erhielt für diese Aussage anhaltenden
Beifall im Saal.
„Zusammenrücken ist angesagt”
Joachim Rukwied machte zudem deutlich, dass die politische
und wirtschaftliche Gesamtwetterlage auf der Welt, in Europa und in
Deutschland die Landwirtschaft erheblich mitbetrifft. Er nannte hierbei
unter anderem veränderte Parteienlandschaften, Tendenz zu Nationalismus
und Populismus. „Zusammenrücken ist angesagt. Nicht verleiten lassen,
uns auseinanderzudividieren. Wir müssen die starke Stimme der deutschen
Bauern bleiben”, mahnte der DBV-Präsident in Richtung der
Berufskolleginnen und -kollegen angesichts der zahlreichen unwägbaren
Faktoren, die auf den Berufsstand von mehreren Seiten einwirken.
Rukwied beschrieb das Maßnahmenpaket, das er von der Politik auf
Bundes- und Europaebene für die Landwirtschaft erwartet. Unter anderem
enthält es Folgendes:
-
Steuerfreie Risikoausgleichsrücklage, um zunehmenden Naturrisiken zu begegnen.
-
Stabiles EU-Budget für die Landwirtschaft.
-
Wolfmanagement mit Abschussregelung zum Schutz der Weidetierhaltung.
-
Praxisgerechte Umsetzung der Düngeverordnung.
Klöckner rät zu offensivem Auftritt
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner
sprach in ihrer Begrüßungsansprache zu Beginn des Begegnungsabends für
die Gäste des Deutschen Bauerntages davon, „dass wir in einer
gesellschaftlichen Stimmung sind, die ich so noch nicht erlebt habe”.
Dass sich die Gesellschaft so für Landwirtschaft interessiere, sei an
sich positiv. Es habe aber auch Züge angenommen, die nicht mehr
akzeptabel seien.
Julia Klöckner riet den Teilnehmern des Bauerntages zu einem offensiven
Auftritt in der gesellschaftlichen Debatte: „Reden Sie über das, was Sie
machen. Gehen Sie selbst nach vorne und kommen Sie vor die Wälle”,
empfahl sie. Gleichzeitig riet sie den Vertretern der Bauern aus ganz
Deutschland aber auch, „nicht immer den Untergang heraufzubeschwören,
wenn Änderungen anstehen”. Man werde dann nicht mehr wahrgenommen, wenn
es wirklich brenne, schob Klöckner als Begründung nach. Die Ministerin
beklagte schließlich mit Blick auf die Gesellschaft: „Der Ausgleich und
der Kompromiss sind aus der Mode gekommen. Das ist schlecht.”
Junglandwirte-Lunch: „Raus aus der Defensive”
Der schon zur Tradition gewordene „Junglandwirte-Lunch” des bäuerlichen Berufsnachwuchses auf dem Deutschen Bauerntag hatte sich dieses Mal das Leitthema „Raus aus der Defensive – Echte Landwirtschaft braucht echte Kommunikation” vorgenommen. Hauptreferent Christoph Becker (Bild), Ackerbauer, Forstwirt und Schweinemäster aus Wietzendorf in der Lüneburger Heide, wirtschaftet nach eigenen Angaben „zwischen konventionell und Bio”. Er trat für einen tiergerechten Umbau der Tierhaltung ein: „Wir werden unsere Ställe nicht nur verändern müssen, wir müssen es wollen.” Dabei arbeitete er auch mit provokanten Botschaften (Bild), die sein Publikum aber nicht aus der Fassung brachten. Becker sieht in reiner Massenproduktion nicht die Zukunft: „Da sind wir ersetzbar.” Der Vortragende rief gleichzeitig dazu auf, sich als Landwirte offensiv nach außen darzustellen und dabei positive Bilder zu erzeugen. „Positive Bilder gehen schneller in den Kopf”, betonte er. „Jeder muss seinen individuellen Weg finden und kommunizieren”, so seine Botschaft.