Mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD beschloss der Bundestag am Donnerstag voriger Woche das Direktzahlungen-Durchführungsgesetz. Überraschend hatte zuvor der in der Koalition erzielte Kompromiss noch einmal auf der Kippe gestanden.
Für den Anbau von Leguminosen – wie hier Sojabohnen – auf Vorrangflächen gibt es im Gesetz keine Restriktionen für Pflanzenschutz oder Düngung.
Erst nach einer erneuten Nachbesserung beim Grünland war er in letzter Minute besiegelt worden. Vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesrates kann das Gesetzgebungsverfahren damit aller Voraussicht nach rechtzeitig vor dem von der EU gesetzten Stichtag 1. August 2014 abgeschlossen werden.
Was beim Greening gilt
Bis zuletzt strittig war das Greening. Nunmehr gilt für Dauergrünland in
Fauna-Flora-Habitat-Gebieten (FFH-Gebieten) ein absolutes Umwandlungs-
und Umbruchverbot, das ein Pflügen zur Erneuerung einschließt. Im
Regierungsentwurf war das für die wesentlich umfangreicheren
Natura-2000-Gebiete vorgesehen. Die Ermächtigung, per Verordnung
zusätzliche Gebiete als umweltsensibel auszuweisen, wurde gestrichen.
Für Dauergrünland außerhalb von FFH-Gebieten wird ein
einzelbetriebliches Autorisierungssystem geschaffen: Landwirte, die
Grünland in Ackerland umwandeln wollen, müssen in gleichem Umfang neues
Grünland anlegen. Auf ökologischen Vorrangflächen bleibt der Anbau von
Zwischenfrüchten erlaubt; zulässig sind weder eine mineralische
Stickstoffdüngung noch chemischer Pflanzenschutz noch der Einsatz von
Klärschlamm. Spätester Aussaattermin ist der 1. Oktober. Erlaubt sind
nur Mischungen mit mindestens zwei Kulturpflanzenarten. Für den Anbau
von Leguminosen auf Vorrangflächen gibt es im Gesetz keine Restriktionen
für Pflanzenschutz oder Düngung. Der Deutsche Bauernverband (DBV)
zeigte sich insgesamt zufrieden. Umweltverbände kritisierten die
Vereinbarungen zu ökologischen Vorrangflächen als unzureichend.
Der bereits in der vorletzten Woche verkündete Kompromiss zum Greening
war überraschend noch einmal in den Reihen der SPD-Umweltpolitiker in
Frage gestellt worden. Die inhaltliche Kritik richtete sich sowohl auf
den aus ihrer Sicht unzureichenden Grünlandschutz als auch insbesondere
die vorgesehene Zulassung von chemischem Pflanzenschutz. Den Durchbruch
schaffte letzten Endes eine Runde mit den beiden Fraktionsvorsitzenden
Volker Kauder und Thomas Oppermann sowie der
CSU-Landesgruppenvorsitzenden Gerda Hasselfeldt. Dabei sei „Tacheles
geredet worden”, hieß es.
Länderkompromiss wird umgesetzt
Geregelt wird in dem Gesetz neben dem Greening eine jährliche
Umschichtung von 4,5 Prozent der nationalen Direktzahlungsmittel in die
Zweite Säule sowie die Angleichung der regional unterschiedlichen
Niveaus der Basisprämien auf einen bundeseinheitlichen Wert. Die
Angleichung wird 2017 beginnen und in drei gleichen Schritten vollzogen,
so dass sie 2019 abgeschlossen ist.
Schließlich enthält der Entwurf Regelungen zur Umverteilung eines Teils
der Prämien zugunsten der ersten Hektare bei gleichzeitigem Verzicht auf
die Kappung und degressive Gestaltung der Direktzahlungen, ferner zur
Anwendung der Junglandwirteförderung bis zur zulässigen Förderobergrenze
von 90 Hektar sowie zur Inanspruchnahme der Kleinerzeugerregelung bei
einem Prämienvolumen von maximal 1250 Euro je Betrieb. Die Regelungen
basieren auf einem einstimmigen Beschluss der Länderagrarminister vom
November letzten Jahres.
Unionsagrarsprecher Franz-Josef Holzenkamp zeigte sich erleichtert über
die Verabschiedung des Gesetzesbeschlusses. Damit schaffe die Koalition
bis 2020 Verlässlichkeit und Planungssicherheit für die Bauern.
Holzenkamp sprach von einem guten Ergebnis beim Greening.
Vertrauen in die Arbeit der Landwirte
Zum Tragen komme der Grundsatz des Vertrauens in die Arbeit der
Landwirte. Als Erfolg wertete Holzenkamp die Begrenzung des Umwandlungs-
und Umbruchverbots auf FFH-Gebiete. Hätte man das gesamte Dauergrünland
in Natura-2000-Gebieten, die neben FFH- auch Vogelschutzgebiete
umfassen, unter absoluten Schutz gestellt, wären laut Holzenkamp Flächen
in einer Größenordnung von etwa 1,2 Millionen Hektar für die
Grünlanderneuerung unter Pflugverbot gestellt worden. Die Regelungen zum
Grünland kämen der Landwirtschaft ebenso entgegen wie die Möglichkeit
zur Nutzung ökologischer Vorrangflächen. Beim Einsatz von Leguminosen
werde Pflanzenschutz erlaubt, da die Nutzung von Eiweißpflanzen anders
nicht möglich sei. Damit unterstütze man nicht zuletzt die
Eiweißpflanzenstrategie der Bundesregierung, so der Unionsabgeordnete.
Praxistaugliche Regelungen
Von einer „schweren Geburt” sprach die agrarpolitische Sprecherin
der CSU-Landesgruppe, Marlene Mortler, im Zusammenhang mit den
Verhandlungen über das Direktzahlungen-Durchführungsgesetz. Letzten
Endes habe man praxistaugliche Regeln vereinbart, „mit denen wir die
Zukunft unserer bäuerlichen Familienbetriebe sichern und zugleich den
Umweltschutz stärken.”
Weg von der Gießkannenförderung
Nach den Worten von SPD-Agrarsprecher Wilhelm Priesmeier hat sich seine
Fraktion in den Verhandlungen beim Grünlandschutz durchgesetzt. Der
Grünlandumbruch sei in Zukunft
genehmigungs- und ausgleichspflichtig. „Damit geht in Deutschland kein
Quadratmeter Grünland mehr verloren”, unterstrich Priesmeier. Seinen
Angaben zufolge ist der Grünlandanteil in den letzten 20 Jahren um
bundesweit insgesamt 650 000 Hektar zurückgegangen. Ursächlich hierfür
sei der Umbruch von Wiesen und Weiden und deren Umwandlung in Ackerland.
Diesem offenkundigen Handlungsdruck werde man mit den getroffenen
Vereinbarungen gerecht. Für den SPD-Politiker wird mit dem Gesetz ein
weiterer Schritt zur Umsetzung des Prinzips „öffentliches Geld für
öffentliche Güter” unternommen. Erneut ließ der Abgeordnete erkennen,
dass er das System der Direktzahlungen für überkommen hält. Er könne
nicht erkennen, warum man „große wettbewerbsfähige und ertragsstarke
Betriebe unter dem Gesichtspunkt der Einkommensstützung mit erheblichen
Prämien zusätzlich fördert”. Dies gelte vor allem für bestimmte
Ackerbaustandorte. Im Grundsatz müsse diese „Gießkannenpolitik” ein Ende haben.
„Im Ansatz steckengeblieben”
Die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Kirsten Tackmann,
hielt der Koalition vor, sie sei auf dem Weg zu einer sozialeren und
naturverträglicheren Landwirtschaft „im Ansatz steckengeblieben”.
Konkret kritisierte Tackmann die Ablehnung der Forderung ihrer Fraktion
nach einer Weidetierprämie. Damit lasse die Koalition Betriebe mit
Weidetierhaltung im Regen stehen, obwohl die EU ausdrücklich eine solche
Möglichkeit eröffnet habe und andere Mitgliedsstaaten wie Frankreich
diese auch nutzten. Benachteiligt wird aus ihrer Sicht auch die
ostdeutsche Landwirtschaft. Mit dem Zuschlag für die ersten Hektare
würden neun Prozent der Fördermittel von den neuen Ländern nach
Südwestdeutschland umverteilt. Insgesamt gehe die Koalition aber „ein
paar Schritte in die richtige Richtung”, sagte die Agrarpolitikerin und
begründete damit die Enthaltung ihrer Fraktion.
Greening auf Acker massiv verschlechtert
„Die Versprechungen, die von Seiten der Regierung gemacht wurden, und
die Erwartungen an eine zukunftsweisende Umsetzung der europäischen
Agrarpolitik sind bestenfalls ansatzweise umgesetzt worden”, erklärte
der agrarpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die
Grünen, Friedrich Ostendorff. Ausdrücklich begrüßte Ostendorff die
Vereinbarungen zum Grünlandschutz. Negativ sei hingegen die Ablehnung,
per Verordnung weitere Gebiete in die Kulisse des umweltsensiblen
Dauergrünlandes aufzunehmen. Massiv verschlechtert habe die Koalition
hingegen alle Regelungen, die das Greening auf dem Acker beträfen.
Grüne Gentechnik: Berlin will nationalen Ausstieg
Die Bundesregierung wird sich in den Verhandlungen auf europäischer Ebene für ein Selbstbestimmungsrecht der EU-Mitgliedstaaten beim Anbau gentechnisch veränderter Organismen (GVO) einsetzen. Das hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt am Donnerstag voriger Woche in der Bundestagsdebatte über den Entschließungsantrag der Koalition zur Grünen Gentechnik deutlich gemacht und sich eindeutig für eine europäische Opt-out-Regelung ausgesprochen. Die Regierung beendet damit eine monatelange Hängepartie, in der sie sich aufgrund unterschiedlicher Auffassungen zwischen den Ressorts nicht zu einer einheitlichen Position durchringen konnte. Im Bundestag ließ nun Schmidt keinen Zweifel daran, dass Deutschland von einer möglichen Opt-out-Regelung umgehend Gebrauch machen werde. „Um den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland nicht zuzulassen, sehe ich keinen anderen Weg, als ihn in einer nationalen Gesetzgebung zu untersagen”, so der Minister.
Zur Meinungsfindung auf Regierungsseite beigetragen hat offenbar eine gemeinsame Entschließung, auf die sich Union und SPD nach zähen Verhandlungen geeinigt hatten und die Donnerstag voriger Woche vom Bundestag beschlossen worden ist. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, sich für ein Selbstbestimmungsrecht der EU-Mitgliedstaaten beim GVO-Anbau einzusetzen. Zudem soll sie alles daran setzen, die Möglichkeiten zum nationalen Ausstieg aus dem GVO-Anbau rechtssicher zu verankern.