Politik | 28. Mai 2014

Beim Greening wurde es noch mal heftig

Von AgE
Mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD beschloss der Bundestag am Donnerstag voriger Woche das Direktzahlungen-Durchführungsgesetz. Überraschend hatte zuvor der in der Koalition erzielte Kompromiss noch einmal auf der Kippe gestanden.
Für den Anbau von Leguminosen – wie hier Sojabohnen – auf Vorrangflächen gibt es im Gesetz keine Restriktionen für Pflanzenschutz oder Düngung.
Erst nach einer erneuten Nachbesserung beim Grünland war er in letzter Minute besiegelt worden. Vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesrates kann das Gesetzgebungsverfahren damit aller Voraussicht nach rechtzeitig vor dem von der EU gesetzten Stichtag 1. August 2014 abgeschlossen werden.
Was beim Greening gilt
Bis zuletzt strittig war das Greening. Nunmehr gilt für Dauergrünland in Fauna-Flora-Habitat-Gebieten (FFH-Gebieten) ein absolutes Umwandlungs- und Umbruchverbot, das ein Pflügen zur Erneuerung einschließt. Im Regierungsentwurf war das für die wesentlich umfangreicheren Natura-2000-Gebiete vorgesehen. Die Ermächtigung, per Verordnung zusätzliche Gebiete als umweltsensibel auszuweisen, wurde gestrichen. Für Dauergrünland außerhalb von FFH-Gebieten wird ein einzelbetriebliches Autorisierungssystem geschaffen: Landwirte, die Grünland in Ackerland umwandeln wollen, müssen in gleichem Umfang neues Grünland anlegen. Auf ökologischen Vorrangflächen bleibt der Anbau von Zwischenfrüchten erlaubt; zulässig sind weder eine mineralische Stickstoffdüngung noch chemischer Pflanzenschutz noch der Einsatz von Klärschlamm. Spätester Aussaattermin ist der 1. Oktober. Erlaubt sind nur Mischungen mit mindestens zwei Kulturpflanzenarten. Für den Anbau von Leguminosen auf Vorrangflächen gibt es im Gesetz keine Restriktionen für Pflanzenschutz oder Düngung. Der Deutsche Bauernverband (DBV) zeigte sich insgesamt zufrieden. Umweltverbände kritisierten die Vereinbarungen zu ökologischen Vorrangflächen als unzureichend. Der bereits in der vorletzten Woche  verkündete Kompromiss zum Greening war überraschend noch einmal in den Reihen der SPD-Umweltpolitiker in Frage gestellt worden. Die inhaltliche Kritik richtete sich sowohl auf den aus ihrer Sicht unzureichenden Grünlandschutz als auch insbesondere die vorgesehene Zulassung von chemischem Pflanzenschutz.  Den Durchbruch schaffte letzten Endes eine Runde mit den beiden Fraktionsvorsitzenden Volker  Kauder  und Thomas  Oppermann  sowie der CSU-Landesgruppenvorsitzenden Gerda  Hasselfeldt. Dabei sei „Tacheles geredet worden”, hieß es.
Länderkompromiss wird umgesetzt
Geregelt wird in dem Gesetz neben dem Greening eine jährliche Umschichtung von 4,5 Prozent der nationalen Direktzahlungsmittel in die Zweite Säule sowie die Angleichung der regional unterschiedlichen Niveaus der Basisprämien auf einen bundeseinheitlichen Wert. Die Angleichung wird 2017 beginnen und in drei gleichen Schritten vollzogen, so dass sie 2019 abgeschlossen ist.
Schließlich enthält der Entwurf Regelungen zur Umverteilung eines Teils der Prämien zugunsten der ersten Hektare bei gleichzeitigem Verzicht auf die Kappung und degressive Gestaltung der Direktzahlungen, ferner zur Anwendung der Junglandwirteförderung bis zur zulässigen Förderobergrenze von 90 Hektar sowie zur Inanspruchnahme der Kleinerzeugerregelung bei einem Prämienvolumen von maximal 1250 Euro je Betrieb. Die Regelungen basieren auf einem einstimmigen Beschluss der Länderagrarminister vom November letzten Jahres.
Unionsagrarsprecher Franz-Josef Holzenkamp zeigte sich erleichtert über die Verabschiedung des Gesetzesbeschlusses. Damit schaffe die Koalition bis 2020 Verlässlichkeit und Planungssicherheit für die Bauern. Holzenkamp sprach von einem guten Ergebnis beim Greening.
Vertrauen in die Arbeit der Landwirte
Zum Tragen komme der Grundsatz des Vertrauens in die Arbeit der Landwirte. Als Erfolg wertete Holzenkamp die Begrenzung des Umwandlungs- und Umbruchverbots auf FFH-Gebiete. Hätte man das gesamte Dauergrünland in Natura-2000-Gebieten, die neben FFH- auch Vogelschutzgebiete umfassen, unter absoluten Schutz gestellt, wären laut Holzenkamp Flächen in einer Größenordnung von etwa 1,2 Millionen Hektar für die Grünlanderneuerung unter Pflugverbot gestellt worden. Die Regelungen zum Grünland kämen der Landwirtschaft ebenso entgegen wie die Möglichkeit zur Nutzung ökologischer Vorrangflächen. Beim Einsatz von Leguminosen werde Pflanzenschutz erlaubt, da die Nutzung von Eiweißpflanzen anders nicht möglich sei. Damit unterstütze man nicht zuletzt die Eiweißpflanzenstrategie der Bundesregierung, so der Unionsabgeordnete.
Praxistaugliche Regelungen
Von einer „schweren Geburt” sprach die agrarpolitische Sprecherin der CSU-Landesgruppe, Marlene  Mortler, im Zusammenhang mit den Verhandlungen über das Direktzahlungen-Durchführungsgesetz. Letzten Endes habe man praxistaugliche Regeln vereinbart, „mit denen wir die Zukunft unserer bäuerlichen Familienbetriebe sichern und zugleich den Umweltschutz stärken.”
Weg von der Gießkannenförderung
Nach den Worten von SPD-Agrarsprecher Wilhelm Priesmeier hat sich seine Fraktion in den Verhandlungen beim Grünlandschutz durchgesetzt. Der Grünlandumbruch sei in Zukunft genehmigungs- und ausgleichspflichtig. „Damit geht in Deutschland kein Quadratmeter Grünland mehr verloren”, unterstrich Priesmeier. Seinen Angaben zufolge ist der Grünlandanteil in den letzten 20 Jahren um bundesweit insgesamt 650 000 Hektar zurückgegangen. Ursächlich hierfür sei der Umbruch von Wiesen und Weiden und deren Umwandlung in Ackerland. Diesem offenkundigen Handlungsdruck werde man mit den getroffenen Vereinbarungen gerecht. Für den SPD-Politiker wird mit dem Gesetz ein weiterer Schritt zur Umsetzung des Prinzips „öffentliches Geld für öffentliche Güter” unternommen.  Erneut ließ der Abgeordnete erkennen, dass er das System der Direktzahlungen für überkommen hält. Er könne nicht erkennen, warum man „große wettbewerbsfähige und ertragsstarke Betriebe unter dem Gesichtspunkt der Einkommensstützung mit erheblichen Prämien zusätzlich fördert”. Dies gelte vor allem für bestimmte Ackerbaustandorte. Im Grundsatz müsse diese „Gießkannenpolitik” ein  Ende haben.
„Im Ansatz steckengeblieben”
Die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Kirsten  Tackmann, hielt der Koalition vor, sie sei auf dem Weg zu einer sozialeren und naturverträglicheren Landwirtschaft „im Ansatz steckengeblieben”. Konkret kritisierte Tackmann die Ablehnung der Forderung ihrer Fraktion nach einer Weidetierprämie. Damit lasse die Koalition Betriebe mit Weidetierhaltung im Regen stehen, obwohl die EU ausdrücklich eine solche Möglichkeit eröffnet habe und andere Mitgliedsstaaten wie Frankreich diese auch nutzten. Benachteiligt wird aus ihrer Sicht auch die ostdeutsche Landwirtschaft. Mit dem Zuschlag für die ersten Hektare würden neun Prozent der Fördermittel von den neuen Ländern nach Südwestdeutschland umverteilt. Insgesamt gehe die Koalition aber „ein paar Schritte in die richtige Richtung”, sagte die Agrarpolitikerin und begründete damit die Enthaltung ihrer Fraktion.
Greening auf Acker massiv verschlechtert
„Die Versprechungen, die von Seiten der Regierung gemacht wurden, und die Erwartungen an eine zukunftsweisende Umsetzung der europäischen Agrarpolitik sind bestenfalls ansatzweise umgesetzt worden”, erklärte der agrarpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Friedrich  Ostendorff. Ausdrücklich begrüßte Ostendorff die Vereinbarungen zum Grünlandschutz.  Negativ sei hingegen die Ablehnung, per Verordnung weitere Gebiete in die Kulisse des umweltsensiblen Dauergrünlandes aufzunehmen. Massiv verschlechtert habe die Koalition hingegen alle Regelungen, die das Greening auf dem Acker beträfen.
Grüne Gentechnik: Berlin will nationalen Ausstieg
Die Bundesregierung wird sich in den Verhandlungen auf europäischer Ebene für ein Selbstbestimmungsrecht der EU-Mitgliedstaaten beim Anbau gentechnisch veränderter Organismen (GVO) einsetzen. Das hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian  Schmidt  am Donnerstag voriger Woche in der Bundestagsdebatte über den Entschließungsantrag der Koalition zur Grünen Gentechnik deutlich gemacht und sich eindeutig für eine europäische Opt-out-Regelung ausgesprochen. Die Regierung beendet damit eine monatelange Hängepartie, in der sie sich aufgrund unterschiedlicher Auffassungen zwischen den Ressorts nicht zu einer einheitlichen Position durchringen konnte. Im Bundestag ließ nun Schmidt keinen Zweifel daran, dass Deutschland von einer möglichen Opt-out-Regelung umgehend Gebrauch machen werde. „Um den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland nicht zuzulassen, sehe ich keinen anderen Weg, als ihn in einer nationalen Gesetzgebung zu untersagen”, so der Minister.
Zur Meinungsfindung auf Regierungsseite beigetragen hat offenbar eine gemeinsame Entschließung, auf die sich Union und SPD nach zähen Verhandlungen geeinigt hatten und die  Donnerstag voriger Woche vom Bundestag beschlossen worden ist. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, sich für ein Selbstbestimmungsrecht der EU-Mitgliedstaaten beim GVO-Anbau einzusetzen. Zudem soll sie alles daran setzen, die Möglichkeiten zum nationalen Ausstieg aus dem GVO-Anbau rechtssicher zu verankern.