Politik | 12. November 2015

Bei PFC keine schnellen Lösungen

Von Heinrich von Kobylinski
Die Problematik um PFC (Polyfluorierte Chemikalien) wird den Raum Rastatt/Baden-Baden noch lange beschäftigen. Eine Fachagentur präsentierte jetzt mögliche Sanierungskonzepte.
Die Fachagentur ARCADIS hat die mittelbadische PFC-Problemregion zwischen Bühl und Rastatt in acht Aktionsgebiete eingeteilt.
Die Komplexität der Thematik wurde in einer Bürgerversammlung am 4. November in Baden-Baden-Oos deutlich, zu der die Verwaltung der Kurstadt zusammen mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe und dem Landkreis Rastatt eingeladen hatte.
Dr. Michael Reinhard von der Karlsruher Beratungsagentur ARCADIS stellte das Gutachten der Firma über das Befallsgebiet vor. Nach der Auswertung von 350 Grundwassermessstellen, 1250 Grundwasseranalysen, 650 Bodenproben und fast ebenso vielen Eluatanalysen (Eluat = gelöster Feststoff) steht fest, dass der Boden von mindestens 240 ha Ackerfläche belastet ist.
Insgesamt  gibt es laut ARCADIS noch wenig Wissen über die Transportprozesse von PFC vom Boden zum Grundwasser. Deshalb wurde vom Regierungspräsidium Karlsruhe  eine Modellstudie in Auftrag gegeben. Erste Erkenntnisse zeigen, dass die Hauptfracht der kurzkettigen PFC-Verbindungen das Grundwasser schon erreicht hat. Dazu sind im Erdreich aber auch noch Vorläufersubstanzen, die weiterhin PFC-Substanzen bilden, auch kurzkettige.
Exorbitante Kosten
Ebenso unklar ist, wie die Sanierung des Bodens bestritten werden soll.  Grundsätzlich möglich hingegen sind der Aushub von belasteten Bodenschichten und die Kombination mit einem thermischen Verfahren. Das würde rund 450 Euro je Kubikmeter kosten. Ebenfalls sehr kostspielig wäre die horizontale, flächenhafte Bodenabdeckung durch eine wasserdichte Folie, etwa in der Tiefe von einem Meter. Der  Bodenaustausch würde pro Hektar fünf Millionen Euro erfordern. Somit wäre für das Areal im Kreis Rastatt ein dreistelliger Millionenbetrag fällig. Die Effizienz aber bliebe trotzdem unklar, weil sich nicht exakt bestimmen lässt, wie weit die Schadstoff-Fahnen  schon vorgedrungen sind. Auch ist die Dynamik der Vorläufersubstanzen und deren PFC-Bildung nicht in jedem Fall gebannt.
Eine weitere Möglichkeit wäre die Behandlung mit der Bezeichnung ‚pump and treat‘. Hierbei müsste das Wasser im Boden abgepumpt und im Hochtemperaturverfahren gereinigt werden. Weil auch diese Option  keine reale Lösung sein könne, kam Reinhard zu dem Ergebnis, dass das Ziel einer großflächigen Sanierung nach dem gegenwärtigen Forschungsstand kaum umsetzbar ist.  Erwogen wird derzeit lediglich die Phytosanierung: Mithilfe des Anbaus von   schnellwüchsigen Pflanzenkulturen könnte der Gehalt von kurzkettigen PFC-Verbindungen reduziert werden, weil diese über ein ausgeprägtes Wurzelsystem leicht von den Pflanzen aufgenommen werden. Später kommt das Erntegut dann im Hochtemperatureinsatz (800 Grad) zur Entsorgung. Als geeignete Anbaukultur wird über Chinaschilf diskutiert.
Auf Empfehlung von ARCADIS haben sich die Behörden des Rastatter Gebietes zu einem abgestuften und örtlich differenzierten Vorgehen entschlossen, das auf die bekannten PFC-belasteten Flächen ebenso Bezug nimmt wie auf das Grundwasser und dessen Laufrichtung. So wurde der Ursprung der Schadstoff-Fahnen ermittelt, deren Richtung und ungefährer Stand.
Von Bühl-Vimbuch im Süden bis Rauental im Norden hat ARCADIS aus dem PFC-Datenpool  acht unterschiedliche Befallszonen ermittelt (siehe Bild).  Aus dem Fahnen-Verlauf mit ihren Schadmassen sowie  der Beschaffenheit von Schutzgütern wie Wasserwerken, Beregnungsbrunnen und landwirtschaftlichen Nutzungen wird die Priorität zum Handeln in den einzelnen Teilgebieten abgeleitet.
Laut Dr. Hans-Jürgen Bortel, Gesundheitsamt Rastatt, ist das Wasser von allen  öffentlichen Wasserwerken gesundheitlich unbedenklich.
Öffentliches Wasser unbedenklich
Manche hätten ihre Entnahme auf andere Brunnen verlegt. Private Betreiber von Einzelbrunnen und von  Beregnungsbrunnen haben diese Flexibilität nicht:  Hier können im Einzelfall Beanstandungen auftreten, was insbesondere für die Landwirtschaft zu drastischen Nutzungsbeschränkungen führen kann.  In 15 Fällen wurde bisher bei Eigenwasserversorgungen der allgemeine Vorsorgewert von 0,1 Mikrogramm/l überschritten.
Dr. Ulrich Roßwag,  Abteilung Landwirtschaft am Regierungspräsidium Karlsruhe, war in Oos zufrieden darüber, dass das zurückliegende Vorerntemonitoring mehr Überblick über die Gesamtlage im landwirtschaftlichen Bereich erbrachte. Das Vorerntemonitoring ergab, dass bei  Winterweizen 13 von 43 Proben über dem BU-Wert (Beurteilungswert von 2015) lagen. Bei Triticale waren es zwei von zwölf Proben. Bei Gerste und Roggen hingegen wurde der BU-Wert in keiner der 34 Proben überschritten. Das Ergebnis der Untersuchungen bei Körnermais ist schließlich so eindeutig, dass Roßwag diesen als   eine „Ausweichfrucht für PFC-Standorte” bezeichnete: Keine der 133 Proben kam  über den BU-Wert. Ganz anders  Sonderkulturen: Von 47 Gemüseproben überstiegen zwölf den BU-Wert. Bei Erdbeeren waren drei von 24 über dem BU, bei Spargel sechs von 46.
Auf die  Überschreitungen reagierten die Landwirte mit einem freiwilligen Ernteverzicht. Betroffen waren davon 5,93 ha Spargel und 4,45 ha Erdbeeren, aber auch 2,78 ha Gemüse vom Freiland und 1,42 ha Gewächshausflächen.  18,6 ha Winterweizen kamen nur als Futtermittel in die Vermarktung, zusätzlich mit Vermengungsauflagen. Bei Triticale wurden 0,49 ha umgebrochen. Einen Sonderstatus bildete der Aufwuchs von rund vier Hektar Grünland. Weil die Fläche einst ackerbaulich genutzt wurde, hatte sie PFC-Kompost erhalten. Der jetzige Aufwuchs durfte als Futtermittel nicht mehr genutzt werden und ging in eine Biogasanlage. Langfristig droht hier eine Hochtemperaturentsorgung.
Simon Schumacher, Vorstandssprecher des Verbandes der süddeutschen Spargel- und Erdbeeranbauer, lobte in einer Stellungnahme zu PFC die Arbeit der Behörden und ihr  Bemühen um die  Erhaltung des Verbrauchervertrauens. Aus Sicht der Verbandsmitglieder sei in der PFC-Thematik nicht der mögliche Ernteausfall einer Charge das zentrale Problem, sondern die künftige Verfügbarkeit der Beregnungsbrunnen. Daraus sei jetzt viel Verunsicherung entstanden. Die mögliche Fortentwicklung der Schadstoff-Fahnen könnte in vielen Fällen existenzbedrohend werden, zumindest aber Wettbewerbsnachteile bewirken.