Die Milchkrise bleibt ein zentrales Thema der agrarpolitischen Diskussion in Europa. Es gibt Maßnahmen und Vorschläge – eine Wende zum Guten ist aber noch nicht in Sicht. Das European Milk Board (EMB) erbat vorige Woche sogar bei einer Generalaudienz in Rom Beistand von Papst Franziskus.
Vergangene Woche auf dem Petersplatz in Rom: Vertreter des European Milk Board (EMB) übermitteln Papst Franziskus eine Erklärung.
Die Europäische Kommission wird das Beihilfeprogramm für die private Lagerhaltung von Butter und Magermilchpulver bis Ende September fortführen. Die Brüsseler Behörde erhielt für diese Maßnahme am 28. Januar grünes Licht von den EU-Mitgliedstaaten. EU-Agrarkommissar Phil Hogan begründete die Maßnahme bei einer Anhörung der EVP-Fraktion im Europaparlament zur Zukunft des Milchsektors mit der weiter angespannten Lage am europäischen Milchmarkt.
Liquiditätsprobleme angehen
Für Professor Ludwig Theuvsen von der
Universität Göttingen müssen Lösungen zur Stärkung der Milcherzeuger an
deren Liquiditätsproblemen ansetzen. „Insolvente Milcherzeuger sind
heute in der EU keine Seltenheit mehr”, konstatierte der Agrarökonom bei
derselben Anhörung. Gerade Wachstumsbetriebe, die im Prinzip besonders
wettbewerbsfähig seien, erwiesen sich als äußerst anfällig für
Liquiditätsmängel. Dabei könnten nationale oder europäische Finanzhilfen
nur kurzfristig eine Antwort darstellen. Theuvsen plädierte dafür, zu
prüfen, inwieweit Versicherungsinstrumente nach dem Vorbild des Farm
Bill in den USA auf Europa übertragen werden könnten.
„Angsteinflößend”
Eine Absage erteilte der Hochschulprofessor nicht nur
der Erhöhung der Interventionspreise, sondern auch
Mengensteuerungsinstrumenten, wie sie beispielsweise das European Milk
Board (EMB) fordert. Der Vorsitzende der Export-Union für Milchprodukte,
Gerhard Meier, bezeichnete die Lage am Milchmarkt als nicht nur
schwierig, sondern „absolut besorgniserregend und angsteinflößend”, fast
noch schlechter als 2008/09.
Keine schnelle Wende in Sicht
Hogan räumte ein, dass die Flaute tiefgreifender sei und
länger anhalte, als man anfangs erwartet habe. Nach Meinung zahlreicher
Marktanalysten werde diese Situation wenigstens bis Mitte des Jahres
anhalten. Die mittelfristige Einführung zusätzlicher Instrumente zur
Stärkung der Milchmarktbeobachtungsstelle wollte der Kommissar nicht
ausschließen, betonte jedoch gleichzeitig, dass der vorhandene
Werkzeugkasten seiner Meinung nach ausreiche. Professor Theuvsen
betonte, der Milchsektor sei ohne Zweifel ein besonders sensibler
Wirtschaftszweig, in dem agrarpolitische Maßnahmen besonders
gerechtfertigt seien.
Der Professor warnte vor zu optimistischen Erwartungen an die
Milchpreisentwicklung. „Ich würde den Landwirten dringend empfehlen, in
der Zukunft in mehrjährigen mittleren Preisen zu rechnen und sich von 40
Cent nicht täuschen zu lassen”, so Theuvsen. Ein solcher Spitzenwert
müsse immer als Vorläufer von 23 Cent/l gesehen werden. Investitionen,
die sich bei ei-
nem mittleren Milchpreis von 31 Cent/l bis 33 Cent/l nicht rechneten,
führten auf die Dauer zu Problemen im Unternehmen.
Der Vielfalt Rechnung tragen
Um Erzeuger vor den Auswirkungen von Preisschwankungen
zu schützen, könnte nach Theuvsens Einschätzung die im vergangenen Jahr
eingeführte US-Versicherungsbeihilfe für Milcherzeuger zur Absicherung
einer Bruttomarge als Vorbild dienen. Von Vorteil sei , dass auch
schwankende Futterkosten erfasst würden und es Optionen für
unterschiedlich hohe Zahlungen und Absicherungen gebe. Damit trage man
der Vielfalt der Milchproduktion Rechnung. Theuvsen hält die
Möglichkeit einer betrieblichen Absicherung für deutlich sinnvoller als
die Erhöhung der Interventionspreise. Letzteres führe zu Fehlanreizen
und weiterer Produktionsausweitung.
Am Mittwoch voriger Woche nahm eine EMB-Delegation an der Generalaudienz
von Papst Franziskus in Rom teil (Bild). Laut EMB waren 140
Verbandsmitglieder aus ganz Europa zugegen. Sie hätten sich auf den Weg
nach Rom gemacht, um den Segen für sich, ihre Familien und ihren
Berufsstand einzuholen.