Politik | 10. November 2022

Bayern weist Gebiete aus, in denen Herdenschutz nicht zumutbar ist

Von AgE
Beim Wolfsmanagement im Nachbarbundesland Bayern wird es eine wichtige Änderung geben. Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber und Umweltminister Thorsten Glauber haben am 31. Oktober erste „nicht zumutbar schützbare Weidegebiete” im Freistaat benannt.
Das gilt künftig in Bayern: In den nicht schützbaren Weidegebieten können bei Übergriffen auf Nutztiere in ausgewiesenen Wolfsgebieten Ausgleichszahlungen auch ohne vorangegangene Herdenschutzmaßnahmen geleistet werden.
Eine zuvor eingerichtete Weideschutzkommission war nach Untersuchungen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Herdenschutz vor dem Wolf auf vielen Almen und Alpen oftmals nicht mit zumutbarem Aufwand möglich sei. In den nicht schützbaren Weidegebieten können zukünftig bei Übergriffen auf Nutztiere in ausgewiesenen Wolfsgebieten Ausgleichszahlungen auch ohne vorangegangene Herdenschutzmaßnahmen geleistet werden. Außerdem hat die höhere Naturschutzbehörde damit eine fachliche Bewertung für ihre Prüfung von Alternativen zu einer Entnahme zur Hand.
„Unsere einzigartige Berglandschaft ist das Ergebnis der harten und unermüdlichen Arbeit unserer Bäuerinnen und Bauern”, machte Kaniber deutlich. Oft seien trotz aller Bemühungen präventive Maßnahmen zum Schutz vor Wolfsangriffen nicht zumutbar. „Was wir von unseren Weidetierhalterinnen und -haltern verlangen, muss auch in der Praxis durchführbar bleiben”, so die Ministerin. Laut Glauber ist es das klare Ziel der Landesregierung, die „für die Biodiversität so wichtige Weidetierhaltung auch bei Wolfsanwesenheit in Bayern flächendeckend und dauerhaft zu erhalten”. Dies sei in vielen alpinen Gebieten aber nur bedingt bis gar nicht umsetzbar. Durch die Ausweisung nicht zumutbar schützbarer Weidegebiete „bringen wir die Vorgaben des Artenschutzes und die Belange der Weidewirtschaft in Einklang”, erklärte Glauber.
Prüfung durch Fachleute
Die Experten der Weideschutzkommission haben laut Agrarressort nach festen Kriterien die Möglichkeiten des Herdenschutzes in Weidegebieten der bayerischen Alpen untersucht und ihre Wirksamkeit und Zumutbarkeit fachlich bewertet. Neben einer elektrifizierten Einzäunung wurde auch geprüft, ob die Weidetiere behirtet und nachts in einem Stall oder in einem Nachtpferch untergebracht werden können. Besonders in den traditionellen, weitläufigen Weidegebieten könne dies ein Problem sein, so die Kommission. Bei den „nicht zumutbar schützbaren Weidegebieten” konzentriert sich die Kommission derzeit auf die Berggebiete der Landkreise des Alpenraums. Weitergehende Bewertungen in den Alpenlandkreisen sollen in den nächsten Wochen folgen.
Naturschützer kritisieren die Landesregierung
Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) kritisierte die Aufgabe von präventiven Maßnahmen gegen den Wolf wegen eines zu hohen Aufwands als „Augenwischerei”. „Den betroffenen Weidetierhaltern in den nicht schützbaren Weidegebieten wird suggeriert, es gäbe eine Abschussgarantie für Wölfe. Genau diese kann es aber schon allein aus rechtlichen Gründen nicht geben”, betonte der BN-Vorsitzende Richard Mergner. Auch rein praktisch sei der Schutz der Weidetiere mit dem Gewehr aufgrund der hohen Mobilität der Wölfe nicht zu bewerkstelligen. Laut der BN-Vizevorsitzenden Beate Rutkowski dürfen trotz angeblicher Unzumutbarkeit eines Herdenschutzes „die hohen Anforderungen der FFH-Richtlinie und des Bundesnaturschutzgesetzes zum Abschuss des Wolfes nicht aufgeweicht werden”. BN-Wolfsexperte Uwe Friedel warnte davor, den Weidetierhaltern in den nicht schützbaren Gebieten die falsche Hoffnung zu machen, dass sich durch vereinfachte Abschüsse Angriffe auf Weidetiere verhindern ließen.