Politik | 05. Juli 2018

Bauerntag in Zeiten bedrohter Stabilität

Von enz/AgE/DBV/red
Auf dem Deutschen Bauerntag am Mittwoch und Donnerstag voriger Woche in Wiesbaden forderte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), für die Bauernfamilien Verlässlichkeit und Stabilität ein. Die Stabilität sieht Rukwied allerdings zunehmend bedroht.
Gleich geht es los: Kurz vor Beginn des Deutschen Bauerntags liefen an den Tischen der Delegationen aus den Landesverbänden noch Abstimmungsgespräche – so wie hier beim BLHV.
Rukwied widmete den Anfang seiner Grundsatzrede auf der Mitgliederversammlung des DBV dem, was ihn welt-, europa- und bundespolitisch besorgt. „Schon 2017 gab es Anzeichen von Instabilität. Die Stabilität hat sich seither jedoch nicht erhöht, sondern die Risiken sind größer geworden”, befand der DBV-Präsident.
Gründe für Sorgen
Auf der weltpolitischen Bühne nannte Rukwied den amerikanischen Präsidenten Donald Trump, den er als nicht kalkulierbar einstufte. „Wie stabil ist das transatlantische Bündnis?”, fragte er deswegen in den Saal hinein.   In Europa werde der linke und rechte Rand stärker. Auch Berlin ließ Rukwied nicht außen vor: „Was wir im Moment bei den Schwesterparteien CDU und CSU erleben, macht mir Sorgen.”
Nötig seien eine einige deutsche Regierung und ein einiges, starkes Europa mit einer traditionell starken deutsch-französischen Achse, betonte der deutsche Bauernpräsident.
In das gleiche Horn stieß Volker Bouffier als Ministerpräsident des Gastgeberlandes Hessen in seiner Grußansprache: „Wir leben seit über 70 Jahren in Frieden und Freiheit. Das wäre ohne die euopäische Idee nicht möglich gewesen.” Bouffier beklagte einen  „Return zum Nationalismus”, mit den „starken Männern, die wissen, wo es langgeht”. Als Beispiele nannte er die Namen Trump und Erdogan.
Den Landwirten im Saal bescheinigte er eine hohe gesellschaftliche Bedeutung: „Ohne zukunftsfähige Landwirtschaft können wir auch kein zukunftsfähiges Land sein”, betonte der hessische Ministerpräsident.
Die EU braucht mehr Geld
Joachim Rukwied, Präsident des DBV, und ...
Für diese Zukunftsfähigkeit braucht es nach Überzeugung Rukwieds ein starkes EU-Agrarbudget, was wiederum ein höheres EU-Gesamtbugdet voraussetze. „Wir haben ausgerechnet, dass wir für die Landwirtschaft und die anderen Aufgaben der EU 1,25 Prozent mehr Geld brau-chen. Das Europaparlament hat sich für plus 1,3 Prozent ausgesprochen – das unterstützen wir”, sagte der  DBV-Präsident vor den über 600 Delegierten aus den Landesverbänden.
Rukwied begrüßte, dass EU-Agrarkommissar Phil Hogan bei der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) am Zwei-Säulen-Modell festhalten will. Allerdings müsse die Erste Säule ohne Umweltauflagen erhalten bleiben, denn „Direktzahlungen sind das beste Risikomanagement für die Bauern”, so der Bauernpräsident. Zudem wandte sich Rukwied gegen Kappung und Degression. Er sprach sich vielmehr dafür aus, die ersten Hektare noch besser zu fördern als bisher. Keineswegs dürfe den Mitgliedstaaten überlassen werden, wie sie die Erste Säule gestalten. „Subsidiarität in der Zweiten Säule ja, in der Ersten Säule ist sie falsch”, legte sich Rukwied fest. Der DBV-Präsident sprach sich des Weiteren gegen weitere Umverteilungen von der Ersten in die Zweite Säule aus. Bei dem anstehenden Handelsabkommen der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten  dürfe die EU-Landwirtschaft nicht als Verlierer dastehen, um anderen europäischen Wirtschaftsinteressen zum Vorteil zu verhelfen, wechselte der Präsident die Themen-Bühne, um danach auf die deutsche Agrarpolitik einzugehen:  Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner stellte er ein gutes Zeugnis für ihre ersten 100 Tage aus.
Mehr Sachlichkeit, weniger Emotionalität
Rukwied wiederholte die  berufsständischen Positionen zum Tierwohllabel, zur Sauenhaltung, zur Ferkelkastration und zur Saisonarbeitskräfteregelung. Gegenüber gesellschaftlichen Wünschen an die Landwirtschaft zeigte sich Rukwied dialogbereit („Wir haben verstanden”, „wir bewegen uns”). Beispielhaft nannte er die erst jüngst verabschiedete  Ackerbaustrategie. Allerdings betonte er auch, „dass wir uns mehr Sachlichkeit und weniger Emotionalität wünschen”. So sei die Landwirtschaft nicht ausschließlich für das Insektensterben verantwortlich zu machen. Grundsätzlich, so Rukwied, gilt für die Landwirtschaft, „dass Qualität und zufriedenstellende Erntemengen ohne moderne Betriebsmittel einschließlich Pflanzenschutzmittel nicht möglich sind”.
... Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner unterstrichen in Wiesbaden die Wichtigkeit der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für eine starke Europäische Union.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner erhielt bei ihrer Antrittsrede auf einem Deutschen Bauerntag einen warmen Empfang. „Die Zukunftsfähigkeit der Land- und Ernährungswirtschaft steht und fällt mit ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz”, erklärte sie. Die dafür notwendigen Debatten müssten auf der „Grundlage von Fakten und von Wissenschaft” geführt werden, nicht jedoch auf der Grundlage „von Ideologien, von Unterkomplexität, von Nicht-Wissen”. Klöckner appellierte zugleich an die Veränderungsbereitschaft der Bauern. Manche Entwicklung müsse kritisch hinterfragt werden. „Ich will, dass wir diese Veränderungen gemeinsam gestalten – mit Innovation, mit moderner Technik, mit modernen Konzepten”, so die Ministerin.
Zur GAP stellte sie fest,  dass die Direktzahlungen eine Basisabsicherung für die Landwirte darstellten. Die Möglichkeit, kleinere und mittlere Betriebe noch besser zu fördern, bezeichnete sie als gut. Die Ministerin sprach sich gegen eine verpflichtende Kappung der Zahlungen bei 100000 Euro aus. Zu prüfen ist nach ihren Worten jedoch eine Degression der Beihilfen, denn große Unternehmen hätten gegenüber den kleineren „schon Kostenvorteile bei der Produktion”. Klöckner – wie zuvor Rukwied und Bouffier – unterstrich die Wichtigkeit der GAP für eine „starke” EU.
Deutscher Bauerntag beschließt „Wiesbadener Erklärung”
Die deutschen Bauern wollen eine gemeinsame europäische, eine einfachere und eine effektivere Agrarpolitik. Die beim Deutschen Bauerntag beschlossene „Wiesbadener Erklärung” hebt die existenzielle Bedeutung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für die deutsche und europäische Landwirtschaft hervor.
„Eine finanziell gut ausgestattete GAP sorgt für wirtschaftliche Stabilität der Betriebe in offenen und volatilen Märkten, unterstützt deren Wettbewerbsfähigkeit, fördert eine nachhaltigere und flächendeckende Bewirtschaftung und stärkt die Attraktivität und Vitalität ländlicher Räume”, betont der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied.
In der „Wiesbadener Erklärung” fordert der DBV vor allem ein stabiles EU-Agrarbudget. Die von der EU-Kommission vorgeschlagene finanzielle Kürzung wird abgelehnt. Der Deutsche Bauernverband tritt entschieden dafür ein, die Funktion der Direktzahlungen zur Unterstützung landwirtschaftlicher Einkommen, zur Risikoabsicherung und zum Ausgleich höherer EU-Standards zu erhalten.
Anstatt einer deutlichen Ausweitung der Auflagen hin zu einer „Super Cross Compliance” (sogenannte „erweiterte Konditionalität”) fordert der DBV, die Agrarumweltmaßnahmen in der Zweiten  Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik weiterzuentwickeln.
Mit der „Wiesbadener Erklärung” macht der Bauernverband nach eigenen Angaben deutlich, dass die GAP eine gemeinsame europäische Förderpolitik bleiben müsse. „Die EU-Agrarförderung muss Eckpfeiler der europäischen Integration bleiben”, fordert Rukwied. Der DBV befürchtet neue Wettbewerbsverzerrungen durch zu große Entscheidungsspielräume für die Mitgliedstaaten, zum Beispiel
bei produktionsgekoppelten Zahlungen. Weiter fordert der DBV, die ausufernde Antrags- und Kontrollbürokratie abzubauen.
Die EU müsse sich hier künftig auf die Überwachung der Kernpunkte beschränken und den Mitgliedstaaten mehr Freiräume bei Antrags- und Kontrollverfahren geben.
Schließlich fordern die deutschen Landwirte, so der DBV,  rechtzeitige Klarheit über das neue Fördersystem nach 2020, einschließlich der frühzeitigen Entscheidung über eine Übergangsregelung.
Die Wiesbadener Erklärung  im Wortlaut unter www.bauernverband.de/wiesbadener-erklaerung
Tierwohl nicht zum Nulltarif
„Tierwohl versus Umweltschutz – auf dem Weg zu einer nachhaltigen Nutztierhaltung”: Dieses Thema diskutierten Vertreterinnen und Vertreter des bäuerlichen Berufsnachwuchses (Bild) beim „Junglandwirte-Lunch” am Mittwoch voriger Woche auf dem Deutschen Bauerntag in Wiesbaden. Als Gast diskutierte Josef Tumbrinck mit, Landesvorsitzender des NABU in Nordrhein-Westfalen. Dass er aus familiärer Verbindung heraus etwas von Landwirtschaft versteht, tat der Diskussion sichtlich gut. „Wir wollen Tiere auf der Weide – aber das findet immer weniger statt”, betonte er. Den Wolf nannte er allerdings ein untergeordnetes Thema.  Stickstoff sei dagegen ein Riesenthema. Einig waren sich er und Landwirtin Gabriele Mörixmann aus Melle (www.aktivstall-fuer-schweine.de), dass es an der Bereitschaft der Verbraucher mangelt, mehr Tierwohl ausreichend zu honorieren. „Die Landwirtschaft produziert gut und günstig”, das stecke in den Köpfen, betonte Tumbrinck.   Alle müssten daher an einem Strang ziehen. Diskussionsteilnehmer berichteten allerdings von gegenläufigen Praxiserfahrungen: „Wir werden zerrieben zwischen Umwelt- und Tierschutz”, so eine Landwirtin.
Gewählt und verkleinert
Erwartungsgemäß wurde auf dem Deutschen Bauerntag Karsten Schmal, Präsident des Hessischen Bauernverbandes, zum neuen Vizepräsidenten des DBV gewählt. Er erhielt 573 Ja-Stimmen und damit 93,6 Prozent der abgegebenen Stimmen. Schmal tritt die Nachfolge des Niedersachsen Werner Hilse an, der sich altersbedingt aus der aktiven Verbandsarbeit zurückgezogen hat.
Mit 97 Prozent der gültig abgegebenen Stimmen haben die Delegierten bei der Mitgliederversammlung des DBV  zudem Änderungen der Satzung zugestimmt. So wird künftig die Zahl der Delegierten beim Bauerntag von mehr als 600 auf rund 500 gesenkt. Zum ersten Mal wird das 2019 in Leipzig, dem nächsten Ort des Deutschen Bauerntages,  der Fall sein.