Bauerngartenkultur in Südbaden
- ein ungefähres Bild über die Vielfalt und Menge an verschiedenen Kulturpflanzen liefern.
- lokale oder in anderer Weise besondere Sorten erheben.
- herausarbeiten, wieviel gärtnerisches Wissen und Erfahrung die Gärtnerinnen mitbringen oder bewahren.
- sich mit der persönlichen Motivation, einen Garten zu betreiben, befassen und mögliche Perspektiven für ein Weiterbewirtschaften benennen.
Bis heute ist die Bewirtschaftung der Gärten im Untersuchungsraum vor allem Frauensache. In der Regel wurden die Gärten zusammen mit dem gärtnerischen Erfahrungswissen von der Mutter oder Schwiegermutter an die Gärtnerinnen der jüngeren Generation weitergegeben. Bei schwereren Arbeiten oder in besonders arbeitsreichen Zeiten erhalten die Bauerngärtnerinnen Hilfe von den Männern und aus der Familie.
Die untersuchte Kulturpflanzenvielfalt in den Gärten bewegt sich auf verschiedenen Betrachtungsebenen. Auf Ebene der unterschiedlichen Anbaukulturen wurden neben Gemüse, Heil- und Gewürzkräutern in fast allen Gärten eine Vielzahl von Zierpflanzen und außerdem Beerensträucher und Obst kultiviert.
Im Hinblick auf Arten, Formen und Varietäten von Kulturpflanzen wiesen die meisten der besuchten Gärten ebenfalls eine hohe Vielfalt auf. Interessant war, dass es auf Sorten-Ebene starke Unterschiede innerhalb der unterschiedlichen Arten gab, aber auch zwischen den verschiedenen Gärten. In manchen Gärten fand sich bei fast allen Gemüsearten eine große Sortenvielfalt, in anderen zeigten hauptsächlich einzelne Arten (insbesondere Tomate, Kartoffel und Salat) eine auffallende Vielzahl an unterschiedlichen Sorten. Für die Heil- und Gewürzkräuter ergab sich ein ähnliches Bild. Bei den Zierpflanzen fand sich die insgesamt größte Vielfalt an Arten und Sorten. Mit großer Leidenschaft bauen viele Bauerngärtnerinnen unterschiedlichste Blumen und Stauden in ihren Gärten an und nach. Viele der befragten Bauerngärtnerinnen erzählten, dass es diese Blumenvielfalt so früher nicht gegeben hat, weil Zeit und Raum für solchen „Luxus” nicht da waren. Umso mehr scheinen sie heute das wachsende Blütenmeer im Gemüsegarten zu genießen. In den Gärten werden außerdem noch verschiedene „alte” Gemüsearten wie Guter Heinrich, Pastinake oder Steckrüben kultiviert. Immerhin zwei sogenannte „alte Landsorten”, das heißt Sorten, die schon seit mindestens 30 Jahren an einem Standort nachgebaut werden, konnten ebenfalls festgestellt werden: Beide Sorten werden seit mehr als 50 Jahren kontinuierlich nachgebaut und wurden jeweils von der Mutter an die heutige Nachbauerin weitergegeben. Es handelt sich um das ehedem im Kinzigtal weit verbreitete „Kehlkrut”, eine regionale Markstammkohlsorte, und um eine Monstranzbohnensorte mit besonders schöner Zeichnung. Sie wurden (in Form von Saatgut) auch an den Samengarten Eichstetten weitervermittelt, um ihren Erhalt zu sichern. Ein Nachbau, also die Vermehrung von angebauten Pflanzen und das gezielte Gewinnen von Saatgut, findet in den meisten Bauerngärten nur noch bei einzelnen Gemüsearten (und
-sorten) statt. Zwar gewinnen fast alle Gesprächspartnerinnen noch selber Saatgut oder vermehren Kulturpflanzen vegetativ (über Pflanzenteile), jedoch vor allem von ein- oder zweijährigen Blumen und Stauden und weniger von Gemüsepflanzen. Für die Bauerngärtnerinnen ist dies vor allem eine Frage von Zeit und Arbeitsaufwand. Viele der Frauen sind nebenher noch berufstätig und/oder haben einen Hof und die Familie zu versorgen. Insgesamt aber scheinen der Nachbau von Kulturpflanzen und die Saatgutgewinnung – ebenso wie das Interesse an alten und regionalen Sorten – wieder zuzunehmen. Beeindruckend war, über welch breites praktisches Wissen zum Garten, den darin kultivierten Pflanzen und ihrer Verarbeitung die Bauerngärtnerinnen verfügen. Die Gärtnerinnen haben viele Tricks und Tipps, wie das Pflanzenwachstum auch in unwirtlichen (Höhen-)Lagen gestärkt werden kann, und vermögen geschickt die Vorteile zum Beispiel von Mischkulturen auszunutzen. Einzelne haben außerdem ein umfangreiches Wissen zur Wirkung und Anwendung von Kräutern in der Pflanzenheilkunde.
Der Altersdurchschnitt der interviewten Gärtnerinnen lag bei 61 Jahren, wobei die jüngste Gärtnerin 35, die älteste 93 Jahre alt war. In der Regel bewirtschaften die alten Gärtnerinnen ihren Garten, solange es irgendwie geht. In vielen Fällen ist fraglich, wer den Garten danach weiterführen wird.
Gerade der Ausblick auf einen erwerbswirtschaftlichen Zugewinn über die Vermarktung von (Bauern-)Gartenprodukten oder in Form von Kursen, Seminaren und ähnlichen Angeboten schafft Motivation. Damit verbunden ist auch der Gewinn eines positiven Selbstwertgefühls, den der Garteneinsatz mit sich bringt. Nicht zu vergessen die körperliche, seelische und emotionale Zufriedenheit, die gerade bei älteren Gärtnerinnen tragend zu sein scheint.Damit das alles gelingt, braucht es ein gutes Vermarktungskonzept und Öffentlichkeit. Netzwerke wie die Bauerngartenroute, der Verein Bauerngärten- und Wildkräuterland Baden e.V. und andere Bauerngartenvereine sowie die Landfrauenverbände sind dabei wichtige Interessenvertreter, da sie das Engagement und die Ziele der Bauerngärtnerinnen bündeln, effektiv kanalisieren und so viel besser Außenwirkung erzielen können, als das einzelne Gärten und Gärtnerinnen schaffen könnten. Auch für den Austausch der Gärtnerinnen untereinander spielen sie eine wichtige Rolle und können als „Wissenspool”, Ansprechpartner bei Gartenfragen und Vermittler von Interessierten und Helfern fungieren.
Mein Dank und meine Achtung gilt allen Bauerngärtnerinnen und -gärtnern, die mit ansteckender Neugier, Experimentierfreude und Begeisterung ihren Garten bestellen und meine Abschlussarbeit ungemein bereichert und belebt haben!