Meckenbeuren-Brochenzell war am vergangenen Montag Schauplatz von Wut und Kampfesmut von rund 1500 Anbauern von Sonderkulturen im süddeutschen Raum. Stellvertretend für alle forderte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, schnellstmögliche Korrekturen von Vorschriften, die an die Existenz der Bauernfamilien gehen.
Mit rund 300 Traktoren steuerten Kundgebungsteilnehmer die Humpishalle in Meckenbeuren-Brochenzell an. Andrea Nahles (SPD), die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, war mit ihrem Mindestlohngesetz erwartungsgemäß ein Hauptziel auf Plakaten und Transparenten.
Die Atmosphäre in der proppenvollen Humpishalle war aufgeheizt. Dass die Bauern allen Grund haben, lautstark zu protestieren, war mit Händen zu greifen. Und so kam es auch zu einer Szene, bei der es Joachim Rukwied, den Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes (DBV), nicht mehr auf seinem Sitz hielt, obwohl er im Programm gar nicht dran war. Bei einer Bühnen-Gesprächsrunde mit jungen Obstbauern schlug Lothar Riebsamen, CDU-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Bodensee, gerade vor, mit Arbeitsministerin Andrea Nahles noch mal über die Modalitäten zum Mindestlohn zu reden. Rukwied verließ daraufhin das Podium der Ehrengäste im hinteren Bühnenbereich, nahm das Mikrofon und wandte sich sichtbar erregt an Riebsamen: „Die CDU/CSU muss das Kreuz durchdrücken”, forderte er. Man habe bereits erfolglos mit Frau Nahles geredet, informierte er das Publikum.
Union in der Kritik
Am 25. März soll es Riebsamen zufolge übrigens einen
runden Tisch mit Nahles geben, um mit Betroffenen Probleme mit dem
Mindestlohn zu erörtern. Er rief Vertreter der Bauern zur Teilnahme auf.
Zudem beteuerte Riebsamen mehrfach, dass er zwar für das Gesetz zum
Mindestlohn gestimmt habe, nicht aber für das „Bürokratiemonster”. Punkten konnte er in der Halle damit
allerdings bestenfalls begrenzt. Vielmehr erinnerte ihn Franz Josef
Müller, der Präsident des Landesverbandes Erwerbsobstbau (LVEO) daran,
„dass die CDU/CSU bei der Bundestagswahl fast die absolute Mehrheit
erreicht hatte”, beim Mindestlohn jedoch „der Schwanz mit dem Dackel
wackelt”.
„Wir brauchen Korrekturen sofort”
Kurz zusammengefasst: Riebsamen hat in Bauernkreisen
sicher schon angenehmere Stunden erlebt und er hat mitnehmen können, dass die Bauern nicht unbedingt als eine sichere Wahlbank der Union zu
betrachten sind.
Joachim Rukwied in Kampfeslaune: Die Bäuerinnen und Bauern erlebten in Meckenbeuren-Brochenzell einen äußerst engagierten Deutschen Bauernpräsidenten. Man merkte auch deutlich, dass der Sonderkulturbereich sein persönliches
Metier ist, das er aus dem „Effeff” kennt. Rukwied betreibt im Heilbronner Raum Gemüse- und Weinbau.
Sehr kämpferisch und engagiert erlebten die Teilnehmer der
Großkundgebung „Mit dem Rücken zur Wand – für die Zukunft unserer
Betriebe” Joachim Rukwied auch, als er laut Programmfolge offiziell dran
war – als Hauptredner. Punkt für Punkt arbeitete er sich an den
Kritikpunkten des Mindestlohngesetzes und weiterer Erschwernisse für die
Anbauer von arbeitsintensiven Sonderkulturen ab, von der
Arbeitszeitregelung, den Dokumentationspflichten dafür bis zum
Auszahlungszeitpunkt des Lohnes. Und er machte darauf aufmerksam, dass
die Zeit drängt. So betonte er: „Wir brauchen Korrekturen und
Erleichterungen bei den Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten
sofort – nicht erst nach sechs Monaten Überprüfungszeit.”
Rukwied erhielt mehrfach lautstarken Beifall während seiner Rede und
danach gab es als Quittung stehende Ovationen.
„Gemeinsam etwas erreichen”
BLHV-Vizepräsident Franz Käppeler, der die zahlreichen
südbadischen Kundgebungsteilnehmer auf der Bühne vertrat, bedankte sich
im Namen aller für den leidenschaftlichen Auftritt Rukwieds und trat mit
dem Wunsch von der Bühne, „dass wir gemeinsam etwas erreichen”.
Dieter Mainberger, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Tettnang, dem
die Organisation der Kundgebung oblag, sagte am Schluss zu den Bauern,
sichtlich beeindruckt von der großen Resonanz auf den Protestaufruf:
„Ich bin stolz auf euch.”
BLHV: nachbessern
Der BLHV nahm die Kundgebung in Meckenbeuren-Brochenzell zum Anlass, um die Presse erneut darüber zu informieren, dass die mit dem Mindestlohn verbundene Bürokratie den bäuerlichen Betrieben sehr große Probleme bereitet. „Wir fordern die Politik dringend zu Nachbesserungen auf, damit die betroffenen Betriebe den Mindestlohn praktikabel anwenden können”, betont BLHV-Präsident Werner Räpple. Der Unternehmer müsse die Vorschriften einfach und fehlerfrei anwenden können.