Tierhaltung | 16. November 2016

Aufstallungspflicht: Was muss bedacht werden?

Von Inga Garrelfs, Christiane Keppler, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH)
Aufgrund des hochpathogenen Vogelgrippe-Subtyps H5N8 gilt in Teilen Deutschlands eine Stallpflicht für Geflügel. Welche Probleme die Aufstallungspflicht für die Halter von Legehennen mit sich bringt und wie man diesen begegnen kann, darum geht es im folgenden Beitrag.
Gerade zu den gewohnten Öffnungszeiten kann es vor den Auslaufluken eng werden. Diese Tiere haben sogar schon Pickschäden an der Klappe verursacht.
Für Geflügel in Freilandhaltung ist die Aufstallung  ein gravierender Eingriff in den Tagesablauf.  Dieser minimiert zwar den Kontakt zu externen Krankheitserregern,  jedoch tauchen in der Folge  andere Probleme und Risiken auf. Legehennen wollen nach der täglichen Eiablage wie gewohnt den Auslauf nutzen. Bleibt  der Zugang hierzu  plötzlich durch ein Aufstallungsgebot verschlossen, kann oft beobachtet werden, dass die Tiere vor den geschlossenen Auslaufluken stehen und mit den Schnäbeln gegen die Öffnungen picken. Bei einigen Betrieben kommt es sogar vor den Auslaufluken zu einem so großen Andrang von Hennen, dass es zu  toten Tieren durch Erdrücken kommt. Wenn Hennen sich zusammendrängen, können die unten liegenden Tiere nicht mehr atmen. Zum einen, weil sie kein Zwerchfell besitzen und somit der Brustkorb nicht geweitet werden kann, und zum anderen, weil Hühner keine Restsauerstoffmengen im Körper haben, wenn zwangsweise die Atmung aussetzt. Somit kann es sein, dass Hühner bereits nach wenigen Sekunden qualvoll ersticken.
 
Ersatzhandlungen vorbeugen
Diese Legehennen beschäftigen sich im Außenklimabereich mit Maissilage und Kartoffeln.
Ein anderes Problem, das in zwangsgeschlossenen Ställen beobachtet werden kann, sind Ersatzhandlungen. Die Hühner können nicht wie gewohnt in den Auslauf, also möchten sie sich die Zeit anderweitig vertreiben. Verhaltensstörungen wie das Bepicken der Artgenossen (Federpicken und Kannibalismus) können besonders bei Herden, die dieses Verhalten bereits zu einem früheren Zeitpunkt einmal ausgeübt haben, in solchen Stresssituationen wieder auftreten. Bei Herden, die sich ohnehin gegenseitig Bepicken, ist die Gefahr von Kannibalismus sehr hoch.
Um aktuell weder Federpicken und Kannibalismus noch das Zusammendrängen von Hühnern zu provozieren, sollten den Tieren für die Zeit des gesperrten Ausgangs und zum Zeitpunkt der Öffnung der Auslaufluken Möglichkeiten zum Scharren und Picken angeboten werden (siehe Tabelle). Die aufgeführten Beschäftigungsmaterialien regen die Tiere zu ihren natürlichen Verhaltensweisen an. Sie können sich mit Picken, Scharren, Ziehen und Sandbaden die Zeit vertreiben.
Mit diesem provisorischen Außenklimabereich für Mobilställe wird die Besatzdichte bei einer Aufstallungspflicht entzerrt und die Tiere können trotzdem Grünfutter aufnehmen.
Bei Mobilställen, die keinen Außenklimabereich (auch Kaltscharrraum oder Wintergarten genannt) haben, mit der die  Besatzdichte im Stall reduziert wird, bieten sich folgende Möglichkeiten in Zeiten der Aufstallungspflicht an:
  • Den Stall vor eine mit Einstreu- und Beschäftigungsmaterial ausgestattete Scheune/Garage fahren,
  • einen Pavillon mit Seitenwänden zur Verfügung stellen (nichts für windige Standorte),
  • Eigenkonstruktionen aus Netzen und Plane (nichts für windige Standorte).
Wichtig ist, zusätzlich zu den ohnehin angebotenen Beschäftigungsmaßnahmen im Stall oder im Außenklimabereich attraktives Material zum Picken und Scharren anzubieten. Halten Sie das Beschäftigungsmaterial attraktiv, indem Sie jeden Tag etwas verändern. Die Tabelle gibt  einige Beispiele für Beschäftigungsmaterialien.
Ökologische Betriebe müssen darauf achten, dass sie Maissilage oder Saftfuttermittel in Ökoqualität einsetzen. Sind diese schwer oder gar nicht verfügbar, muss mit den  Behörden abgeklärt werden,  ob es in  Ausnahmefällen zum Einsatz von konventionellen Beschäftigungsmaterialien kommen darf.

Jetzt landesweite Stallpflicht
Die Stallpflicht für Geflügel in Baden-Württemberg wird ab sofort auf das gesamte Landesgebiet ausgeweitet, wie das Stuttgarter Landwirtschaftsministerium am Donnerstag, 17. November mitteilte. Aktuell seien am Bodensee in Baden-Württemberg 229 Vögel gefunden worden. Davon seien bisher 175 Tiere positiv auf H5N8 getestet worden. Neben einer anfänglichen Konzentration auf Reiherenten, seien zunehmend auch weitere Arten betroffen. So zum Beispiel Tafelenten, Stockenten, Möwen, Schwäne, Reiher und eine Graugans. Auch ein Greifvogel in Hessen an der Bergstraße und damit in unmittelbarer Nähe zu Baden-Württemberg wurde inzwischen mit Verdacht auf Vogelgrippe aufgefunden. Derzeit gebe es noch keinen Fall von Vogelgrippe im Hausgeflügel in Baden-Württemberg

Die Stallpflicht bringe für die Geflügelhalter in manchen Fällen erhebliche Unannehmlichkeiten mit sich. Ein Ausbruch im Nutzgeflügelbereich hätte aber viel weitergehende Konsequenzen zur Folge, sagte Landwirtschaftsminister Peter Hauk.  Ausnahmen für  Halter, die keine Unterbringungsmöglichkeiten in Ställen haben, werden geprüft. „Wird eine Ausnahmegenehmigung erteilt, müssen strenge Biosicherheitsmaßnahmen eingehalten werden. Darüber hinaus gilt eine enge Kontrolldichte für die betroffenen Betriebe, damit wir eventuelle Veränderungen im Bestand sofort erkennen und dann handeln können”, betonte Hauk.

Das Monitoring in Hausgeflügelbeständen werde intensiviert und es werden verstärkt Untersuchungen in Hausgeflügelbeständen durchgeführt, die in sogenannten Risikogebieten und in Gebieten mit Nachweis von Wildvogelgeflügelpest liegen.