Politik | 03. September 2020

Auf der Suche nach der Balance

Von AgE
Die schwierige Suche nach der richtigen Balance zwischen einer modernen produktiven Landwirtschaft und der Förderung der Artenvielfalt stand im Mittelpunkt einer von der BASF veranstalteten Diskussionsrunde.
Bei der Veranstaltung am Dienstag voriger Woche in Ludwigshafen nahmen  Vertreter aus Politik, der Landwirtschaft, dem Naturschutz und der Wissenschaft teil. Der Vorsitzende des Bundestagsernährungsausschusses, Alois Gerig, zeigte sich überzeugt, dass die Agrarpolitik der Zukunft eine andere sein werde.
Es muss wirtschaftlich machbar sein
Wichtig ist es nach Ansicht eines Wildbienenforschers, bestehende „alte” Strukturen wie Streuobstwiesen und Grünland zu erhalten.
Unweigerlich müsse ein Teil der Gelder aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Ökologisierung dienen. Gerig stellte klar, dass die Landwirte etwas für den Naturschutz tun wollten, wenn dies wirtschaftlich machbar sei. Junge, gut ausgebildete landwirtschaftliche Unternehmer wollten Dinge umsetzen. Sie brauchten aber eine Lösung, wie sie davon leben könnten. „Über die GAP kriegen wir mehr Ökologie in die landwirtschaftliche Erzeugung”, zeigte sich Gerig überzeugt.   Die Verbraucher müssten aber auch bereit sein, mehr zu zahlen. Bei den Lebensmittelpreisen sei noch „Luft nach oben”, so Gerig.
Für die FDP-Bundestagsabgeordnete Carina Konrad macht es keinen Sinn, Naturschutz über die Steuerpolitik zu fördern. Besser sei es, „vom Acker her” zu denken. „Am besten geht es über die Produkte; die Verbraucher sollten für nachhaltig hergestellte Lebensmittel mehr bezahlen”, schloss sich Konrad ihrem Vorredner an.
Der Geschäftsführer des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege (DVL), Dr. Jürgen Metzner, warf die Frage auf, ob Biolandwirtschaft allein schon ein Beitrag zum Insektenschutz sei. Er wies darauf hin, dass der DVL mit allen Landwirten zusammenarbeite, bio wie auch konventionell. Wichtig sei es, dass der Betrieb eine Gemeinwohlleistung erbringe. „Um die Artenvielfalt zu erhalten, müssen wir in die Fläche kommen”, betonte Metzner. Nach seiner Ansicht kann hinsichtlich der Artenvielfalt mit guter Beratung auf großen konventionellen Betrieben genauso viel erreicht werden wie auf kleinen Biobetrieben.
Zur Frage der Entlohnung von mehr Wertschöpfung in der Agrarpolitik ist für Metzner eine Umschichtung in die Zweite Säule die falsche Sichtweise. „Wenn wir es schaffen wollen, Wertschöpfung an den Landwirt zu bringen, dann müssen wir dies über die Erste Säule tun, weil diese einkommenswirksam ist”, unterstrich der Geschäftsführer.
Der Vorsitzende des Landesverbandes Baden-Württemberg vom Naturschutzbund Deutschland (NABU), Johannes Enssle, stellte fest, dass man den Landwirten in Sachen Naturschutz nicht viel raten könne; sie seien durch die politischen Rahmenbedingungen quasi in ein Korsett gezwängt.
„Fünf vor zwölf”
Der eigentliche Buhmann sei die Politik, die in den letzten Jahren viele Dinge regelrecht verschlafen habe. Nun gelte es, dass die Politik den Transferprozess zu mehr Nachhaltigkeit und Artenvielfalt gestalten müsse, denn die Einschläge kämen immer näher und es sei „fünf vor zwölf”, so Enssle.  Auch der Verbandsvorsitzende hält höhere Lebensmittelpreise für notwendig.
Der Sprecher der Initiative „Land schafft Verbindung” (LsV), Dirk Andresen, stellte klar, dass die Landwirte die Biodiversität fördern und auch mittragen wollten. Für die Arbeit der Landwirtschaft habe die Politik den Rahmen gesetzt, und diesen hätten die Bauern auch erfüllt. Zur Förderung der Artenvielfalt müssten jetzt „Sekundärziele” formuliert werden; diese seien gesellschaftliche Herausforderungen, „und diese müssen wir auch bezahlt bekommen”.
Der Wildbienenexperte Dr. Christian Schmid-Egger von der Zoologischen Staatssammlung München (ZSM) lenkte den Blick auf den Rückgang der Wildbienen. Der wichtigste Grund dafür sei Nahrungsmangel durch eine Vergrasung der Landschaft und das Fehlen von Blüten. Der Wissenschaftler hob hervor, dass Pflanzenschutzmittel hingegen nur eine untergeordnete Rolle für den Bestandsrückgang spielten. Auch die Bewirtschaftungsform – ökologisch oder konventionell – sei eher von geringer Bedeutung. Deshalb gebe es gute Möglichkeiten, auch über die konventionelle Landwirtschaft die Biodiversität zu fördern. Außerdem bringen einjährige Blühstreifen laut Schmid-Egger „so gut wie gar nichts” für den Artenschutz. Gefördert würden dadurch eher die ohnehin häufiger vorkommenden Insektenarten. Wichtig sei es deshalb, bestehende „alte” Strukturen wie Streuobstwiesen und Grünland zu erhalten.