Tierhaltung | 09. Mai 2018

Auch eine Frage der Fütterung

Von Dr. Andrea Fiedler
Klauenerkrankungen haben oft mehrere Ursachen. Neben mechanischer Überbelastung (abrasive Böden, lange Stehzeiten durch Überbelegung und/oder unbequeme Liegeboxen etc.) und Hygienemängeln auf Lauf- und Liegeflächen hat auch die Fütterung einen großen Einfluss.
Dabei muss bei Klauenproblemen durch die Fütterung zwischen Fehlern bei der Futterbereitung (Silierung, Trocknung etc.), bei der Rationszusammenstellung und beim Fütterungsmanagement unterschieden werden.
Rationsberechnung und Futterbereitung
Einblutungen in der Sohle von Innen- und Außenklaue sind stoffwechselbedingt und können auf Fütterungsfehler hinweisen.
Der passende Schnittzeitpunkt, die rasche Einbringung ins Silo mit optimaler Verdichtung, ein perfektes Abdichten der Futtermenge – dies sind nur einige Faktoren, die die Futterqualität maßgeblich beeinflussen. Ähnliches gilt bei der Heugewinnung – Schnittzeitpunkt und optimale Trocknung beeinflussen ausschlaggebend die Heuqualität. Insbesondere der Einsatz von Heutrocknungsanlagen hat gezeigt, welche Unterschiede hier möglich sind. Entscheidende Inhaltsstoffe, die die Klauengesundheit negativ beeinflussen können, sind vor allem Mykotoxine, Fruktane und biogene Aminosäuren.
Mykotoxine haben einen immensen Einfluss auf den gesamten Stoffwechsel und können an der Klaue unter anderem zu den sogenannten Reheerscheinungen führen. Vor allem verpilzte (sichtbar) und erwärmte (fühlbar) Silagen enthalten ein Pilzspektrum, das zahlreiche Mykotoxine produziert. Je nach Toxin haben diese zum Beispiel einen abtötenden Einfluss auf die Pansenflora und verursachen Pansenazidose. Die Pansenschleimhaut wird so geschädigt, Giftstoffe wie Histamin und Mykotoxine können leichter in den Stoffwechsel eindringen. Beim Übertritt von Mykotoxinen werden wiederum Immunsuppression (infektiös bedingte Klauenkrankheiten!) und eine Beeinflussung des Hormonhaushaltes beschrieben. Durchblutungsstörungen durch Toxine schädigen vor allem  in kleinen und kleinsten Gefäßen der hornbildenden Lederhaut und Klauenrehe entsteht. Das Horn erscheint mit Blutbestandteilen durchsetzt, es bilden sich Geschwüre und doppelte Sohlen. Neben den bekannten Zuckern sind insbesondere bei starker Düngung, aber auch im Frühjahr und Herbst vermehrt Fruktane im Gras und damit in den Grassilagen. Insbesondere bei kalten Nachttemperaturen und warmen Tagen werden diese Zwischenzucker in der Pflanze nicht mehr zu Zucker umgewandelt und können im Pansen eine azidotische Situation begünstigen, azidotische Stoffwechsellagen können nachfolgen. Während des Silierprozesses findet ein Abbau des Reineiweißes über bakterielle Proteasen statt. Bei Fehlgärungen entstehen  beim Abbau von Aminosäuren unter anderem  biogene Amine und Buttersäure. Ab einem Gehalt an biogenen Aminen von 15 g/kg Trockensubstanz, spätestens ab 20 g/kg TS ist das Futter nicht mehr für Kühe und Rinder geeignet. Im Pansen kommt dann insbesondere Histamin zum Tragen – die Oberfläche der Pansenschleimhaut wird geschädigt, Histamin tritt in den Körper ein. Ein hoher Gehalt an biogenen Aminen führt unter anderem zu Durchblutungsstörungen in Klauenlederhaut und Fortpflanzungsorganen und die Futteraufnahme sinkt. Weiterhin wird die Immunität geschwächt und die Darmschleimhaut geschädigt. Neben Grassilage enthalten auch Weizen, Soja, Erbsen und Ackerbohnen spezifische Aminosäuren, die eine Histaminbildung ermöglichen.
Rationsberechnung und Futtervorlage
Die Mischung muss gleichmäßig sein, insbesondere zu lange Strohanteile werden rasch aussortiert.
Eine korrekte Rationsberechnung, die leistungsentsprechend eine wiederkäuergerechte Futtervorlage ermöglicht, ist ebenfalls ein zentrales Steuerungselement.
Ist eine Ration richtig berechnet, müssen die entsprechenden Futtermittel aber auch in der korrekten Zusammensetzung abgewogen und gegebenenfalls gemischt werden, die Umsetzung der aus der Analyse gewonnenen Informationen muss konsequent erfolgen. Häufig sind Silage- bzw. Futterkomponentenqualität grundsätzlich gut, aber Fehler im  Fütterungsmanagement verhindern eine optimale Verwertung. So ist die errechnete Ration  nicht immer die gemischte Ration, es können Wiegefehler vorliegen, die Menge des zu mischenden Futters ist zu groß für den Mischwagen, das Futter wird zu lange/zu kurz gemischt und/oder die Mischung wird zum Beispiel wegen stumpfer Messer nicht korrekt umgesetzt. Die vorgelegte Ration ist nicht immer die von allen Kühen gleichmäßig gefressene Ration, weil zum Beispiel durch Probleme beim Mischen ein selektives Fressen möglich ist. Ähnliche Probleme ergeben sich, wenn das Futter nicht an allen Fressplätzen gleichmäßg vorgelegt wird und wenn zu wenige und/ oder zu enge Fressplätze die Tiere einer Herde unterschiedlich zum Futter lassen.
Wichtig für einen optimalen Pansen-pH-Wert ist eine gleichmäßige Futtervorlage.
Ein in der Praxis sehr weit verbreiteter und gravierender Fütterungsfehler liegt vor, wenn Futter nicht 24 Stunden am Tag ausreichend und in konstantem Mischungsverhältnis erreichbar ist.   Dadurch ergeben sich insbesondere im Pansen über den Tagesverlauf schwankende pH-Werte. Kurz nach der Futteraufnahme nach frischer TMR-Vorlage sinkt der Pansen-pH-Wert zunächst deutlich. Wird das Futter im Laufe des Tages und der Nacht immer weniger, nehmen die Tiere immer weniger auf, der Pansen-pH-Wert steigt wieder. Durch diese pH-Wert-Schwankungen wird die Pansenflora (Zusammensetzung der Bakterien im Pansen für eine optimale Verdauung) dauerhaft geschädigt, die Pansenschleimhaut insbesondere im azidotischen Bereich angegriffen und eine gleichmäßige und gute Verdauung eines vielleicht sogar optimalen Futters schlicht verhindert. Bereits die häufigere Futtervorlage ermuntert dagegen die Tiere, öfter kleinere Mahlzeiten aufzunehmen.
Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente
Auch die Mortellarosche Kankheit kann durch die Fütterung beeinflusst werden.
Die Rationsgestaltung endet somit nicht mit der Rationsberechnung. Dennoch hat diese einen zentralen Stellenwert und muss hinsichtlich der Klauengesundheit auch ganz bestimmte Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente berücksichtigen.Von den essentiellen Spurenelementen hebt die Gesellschaft für Ernährungsphysiologie  Eisen, Kobalt, Kupfer, Mangan, Zink, Jod und Selen als für die Fütterungspraxis speziell zu berücksichtigen   hervor. Bei den Vitaminen kommt insbesondere Biotin eine Wirkung auf die Hornbildung zu. Eine ausreichende Versorgung mit Mineralstoffen und Spurenelementen scheint zudem insbesondere in der Aufzuchtphase und Jungviehhaltung eine große Bedeutung für die Klauengesundheit zu haben. Hierbei wird insbesondere die Infektionshäufigkeit von Dermatitis digitalis (Mortellaro) reduziert.

Biotin ist als Koenzym in die Synthese langkettiger Fettsäuren und in den Glukosestoffwechsel involviert. Es ist essentiell bei der Keratinsynthese für das Klauenhorn, hat einen positiven Effekt auf die Kittsubstanz zwischen den Hornzellen und macht somit das Horn härter und widerstandsfähiger. Eine tägliche Zulage von 20 mg Biotin pro Tier und Tag vermindert die Häufigkeit von Defekten entlang der Weißen Linie signifikant. Das von den Pansenbakterien produzierte Biotin stellt die natürliche, unter normalen Umständen ausreichende Versorgung des Rindes dar. Wenn allerdings die Syntheseleistung der Pansenbakterien zum Beispiel durch eine Pansenazidose vermindert ist, sinkt auch die Biotinproduktion.

Zink ist Bestandteil zahlreicher lebenswichtiger Enzyme, unter anderem ist es essentiell für die Haar- und Hornbildung. Die Zufuhr muss  über das Futter erfolgen, wobei sowohl eine Zulage von Kalzium (Ca:P-Verhältnis 3,5:1) als auch Kupfer (>25–30 mg/kg Futtertrockenmasse) die Resorption von Zink stark vermindern kann. Dies kann zu Mangelerscheinungen bis hin zu Haut-/Hornveränderungen führen. Soll die Zinkergänzung über die Nahrung erfolgen, ermöglicht organisches Zink eine gute Resorption (Zink-Aminosäuren-Komplexe o. ä.).

Kupfer ist als Bestandteil von Enzymen an zahlreichen Funktionen im Körper beteiligt und beeinflusst die Keratinsynthese. Echte Mangelerscheinungen sind selten,  dann jedoch durchaus bedeutsam und betreffen auch die Klauengesundheit. Beim Nutztier werden gelegentlich Kupfervergiftungen im Zusammenhang mit dem ätzenden Kupfersulfat (Klauenbäder!) bekannt. Grundsätzlich ist bei der Kupferzufuhr zu beachten, dass die mikrobielle Umsetzung von gleichzeitig anwesenden Schwefelverbindungen und Molybdän die Kupferverfügbarkeit stark einschränkt. Dies ist insbesondere bei jungem Weidegras zu beachten und bedingt eine Verdoppelung der Kupferzufuhr von normalerweise 10 mg/kg Futtertrockenmasse auf 15–20 mg/kg Futtertrockenmasse. In solchen Fällen kann organisches Kupfer zugeführt werden.

Selen wird heute als wirksam gegen „freie Radikale” propagiert. Es ist dient damit dem Zellschutz vor sogenannten oxidativen Schädigungen durch freie Sauerstoffradikale. Bei Mangel kann es zu Fruchtbarkeitsstörungen und Immunschwäche, bei Kälbern zu Muskelschwund kommen. Ein direkter Zusammenhang mit der Klauengesundheit ist naheliegend, auch Haut und Haarkleid können Veränderungen zeigen.