Politik | 16. Dezember 2021

Anwalt für Landwirte und Tierschützer

Von AgE
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat seinen Anspruch betont, in seinem neuen Amt unterschiedliche Interessen zusammenzuführen.
Erstmal für Durchblick sorgen: Der neue Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir am 10. Dezember im Bundestag.
Er verstehe sich als „oberster Anwalt der Landwirtinnen und Landwirte, von denjenigen, die für das Essen auf unserem Tisch sorgen”, erklärte der Grünen-Politiker nach seiner Amtseinführung am 8. Dezember. Zudem sieht er seine Aufgabe in der des „obersten Tierschützers dieses Landes”. Sowohl Özdemir als auch die neue Bundesumweltministerin Steffi Lemke bekräftigen ihren Willen, eng zusammenzuarbeiten. Geeinigt haben sich beide Seiten bereits über die Zuschnitte ihrer Ressorts.
Ministerium behält Zuständigkeiten
Das Landwirtschaftsministerium behält entgegen Befürchtungen sowohl die Zuständigkeit für den Wald als auch für den gesundheitlichen Verbraucherschutz. Laut Organisationserlass des Bundeskanzleramtes werden lediglich die Zuständigkeiten für das Verbraucherinformationsgesetz, die allgemeine und spezielle Produktsicherheit  mit Ausnahme von Tabakerzeugnissen, verwandten Erzeugnissen sowie anderen Anbauprodukten dem Bundesumweltministerium übertragen.
Unterdessen zog die ausgeschiedene Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner eine positive Bilanz ihrer dreieinhalbjährigen Amtszeit. „Wir haben vieles erreicht”, sagte die CDU-Politikerin bei der Übergabe der Amtsgeschäfte an ihren Nachfolger. Auf ihrer Habenseite stehen für Klöckner unter anderem der gesetzliche Ausstieg aus dem Kükentöten, die Einführung des Nutri-Score, die Weichenstellungen für einen Umbau der Tierhaltung in Deutschland sowie die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).
Özdemir sagte den Landwirten bei seinem Amtsantritt Hilfe bei der Transformation „hin zu mehr Tierwohl sowie Umwelt- und Klimaschutz” zu. „Zwischen Landwirtschaft und Umwelt gehört kein ‚oder‘”, so der Ressortchef zu seinem Anliegen, bestehende Zielkonflikte zu lösen. In dieser Einschätzung sei er sich mit der Bundesumweltministerin einig, betonte Özdemir. „Gemeinsam werden wir die größten Herausforderungen unserer Zeit angehen: die Klimakrise und den Erhalt des Artenreichtums”, so der neue Minister.
Nur gemeinsam mit der Landwirtschaft
Diese Ziele erreiche man aber nur gemeinsam mit der Landwirtschaft. Die Betriebe brauchten eine klare wirtschaftliche und nachhaltige Perspektive.
Özdemir hob die prägende Rolle der Landwirtschaft hervor. Vielerorts sei sie Garant dafür, „dass Dörfer lebendig und ländliche Räume lebenswert sind”. Ausdrücklich dankte der Minister seiner Vorgängerin. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums in Bonn und Berlin bescheinigte er, sie seien „absolute Fachleute in ihren jeweiligen Gebieten”. Gemeinsam mit Özdemir haben auch die beamtete Staatssekretärin Silvia Bender sowie die beiden parlamentarischen Staatssekretärinnen  Ophelia Nick und  Manuela Rottmann ihre Tätigkeiten im Bundeslandwirtschaftsministerium aufgenommen.
Umweltministerin setzt auf Kooperation
Umweltministerin Lemke setzt eigenen Angaben zufolge auf Kooperation mit den anderen Bundesressorts. „Waren die letzten Jahre oft von Blockaden anderer Ministerien geprägt, besteht jetzt die Chance auf ein neues Miteinander”, erklärte die Grünen-Politikerin anlässlich ihres Amtsantritts. Das neu zugeschnittene Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV) gestalte zentrale Zukunftsthemen, die auf die Menschen und ihre Lebenswelt abzielten. „Ich sehe das BMUV auch künftig als Treiberin einer ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Modernisierung”, sagte Lemke. Der Klimaschutz werde die Richtschnur für die gesamte Bundesregierung sein, somit auch für ihr Haus, so die Ressortchefin.  Zugleich werde das neue Umweltministerium eine starke Stimme für Verbraucherinnen und Verbraucher sein. Lemke bezeichnete eine starke Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutzpolitik als nötiger denn je.
Die Welt stehe mehreren ökologischen Krisen gegenüber, nämlich der Erderhitzung, dem Artensterben und der Plastikvermüllung. „Diese zu bewältigen, steht im Mittelpunkt meiner Arbeit”, betonte die Grünen-Politikerin.
Einen Neustart kündigte die Ministerin für die Naturschutzfinanzierung an. Der Verbraucherschutz im neu zugeschnittenen Ressort kommt weitgehend aus dem Justizressort und umfasst den wirtschaftlichen Verbraucherschutz. Abgeben muss das Umweltministerium hingegen den Klimaschutz, der dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zugeordnet wird. Die internationale Klimapolitik wird im Auswärtigen Amt angesiedelt.
Branche sieht Özdemir als „Brückenbauer”
Der Amtsantritt von Cem Özdemir hat in Politik und Verbänden vielfältige Reaktionen ausgelöst. Der Deutsche Bauernverband (DBV) erwartet vom neuen Bundeslandwirtschaftsminister eine klare politische Ausrichtung. DBV-
Präsident Joachim Rukwied verwies auf den großen Transformationsprozess der Landwirtschaft und die damit verbundenen gewaltigen Herausforderungen. „Ich wünsche dem neuen Minister viel Kraft für wichtige und weitreichende Entscheidungen im Sinne unserer Bauernfamilien und freue mich auf die Zusammenarbeit”, so Rukwied.
Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) baut auf die vermittelnden Fähigkeiten des neuen Ministers. „Wir haben Cem Özdemir stets als Brückenbauer zwischen ökologischen und ökonomischen Notwendigkeiten wahrgenommen”, erklärte DRV-Präsident Franz-Josef Holzenkamp.
Unterschiedliche Akzente setzten die Unionsparteien. Während CDU-Mann Albert Stegemann auf die internationalen Verflechtungen der Agrarbranche hinwies, denen die Politik Rechnung tragen müsse, betonte CSU-Agrarsprecher Artur Auernhammer die Belange der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe.
Der agrarpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Stephan Protschka, sieht eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Regierung darin, „das dramatische Höfesterben  zu beenden und die  Rahmenbedingungen für eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft zu schaffen”.