Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat seinen Anspruch betont, in seinem neuen Amt unterschiedliche Interessen zusammenzuführen.
Erstmal für Durchblick sorgen: Der neue Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir am 10. Dezember im Bundestag.
Er verstehe sich als „oberster Anwalt der Landwirtinnen und Landwirte, von denjenigen, die für das Essen auf unserem Tisch sorgen”, erklärte der Grünen-Politiker nach seiner Amtseinführung am 8. Dezember. Zudem sieht er seine Aufgabe in der des „obersten Tierschützers dieses Landes”. Sowohl Özdemir als auch die neue Bundesumweltministerin Steffi Lemke bekräftigen ihren Willen, eng zusammenzuarbeiten. Geeinigt haben sich beide Seiten bereits über die Zuschnitte ihrer Ressorts.
Ministerium behält Zuständigkeiten
Das Landwirtschaftsministerium behält entgegen
Befürchtungen sowohl die Zuständigkeit für den Wald als auch für den
gesundheitlichen Verbraucherschutz. Laut Organisationserlass des
Bundeskanzleramtes werden lediglich die Zuständigkeiten für das
Verbraucherinformationsgesetz, die allgemeine und spezielle
Produktsicherheit mit Ausnahme von Tabakerzeugnissen, verwandten
Erzeugnissen sowie anderen Anbauprodukten dem Bundesumweltministerium
übertragen.
Unterdessen zog die ausgeschiedene Bundeslandwirtschaftsministerin
Julia Klöckner eine positive Bilanz ihrer dreieinhalbjährigen Amtszeit.
„Wir haben vieles erreicht”, sagte die CDU-Politikerin bei der Übergabe
der Amtsgeschäfte an ihren Nachfolger. Auf ihrer Habenseite stehen für
Klöckner unter anderem der gesetzliche Ausstieg aus dem Kükentöten, die
Einführung des Nutri-Score, die Weichenstellungen für einen Umbau der
Tierhaltung in Deutschland sowie die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik
(GAP).
Özdemir sagte den Landwirten bei seinem Amtsantritt Hilfe bei der
Transformation „hin zu mehr Tierwohl sowie Umwelt- und Klimaschutz” zu.
„Zwischen Landwirtschaft und Umwelt gehört kein ‚oder‘”, so der
Ressortchef zu seinem Anliegen, bestehende Zielkonflikte zu lösen. In
dieser Einschätzung sei er sich mit der Bundesumweltministerin einig,
betonte Özdemir. „Gemeinsam werden wir die größten Herausforderungen
unserer Zeit angehen: die Klimakrise und den Erhalt des Artenreichtums”,
so der neue Minister.
Nur gemeinsam mit der Landwirtschaft
Diese Ziele erreiche man aber nur gemeinsam mit der
Landwirtschaft. Die Betriebe brauchten eine klare wirtschaftliche und
nachhaltige Perspektive.
Özdemir hob die prägende Rolle der Landwirtschaft hervor. Vielerorts
sei sie Garant dafür, „dass Dörfer lebendig und ländliche Räume
lebenswert sind”. Ausdrücklich dankte der Minister seiner Vorgängerin.
Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums in Bonn und
Berlin bescheinigte er, sie seien „absolute Fachleute in ihren
jeweiligen Gebieten”. Gemeinsam mit Özdemir haben auch die beamtete
Staatssekretärin Silvia Bender sowie die beiden parlamentarischen
Staatssekretärinnen Ophelia Nick und Manuela Rottmann ihre Tätigkeiten
im Bundeslandwirtschaftsministerium aufgenommen.
Umweltministerin setzt auf Kooperation
Umweltministerin Lemke setzt eigenen Angaben
zufolge auf Kooperation mit den anderen Bundesressorts. „Waren die
letzten Jahre oft von Blockaden anderer Ministerien geprägt, besteht
jetzt die Chance auf ein neues Miteinander”, erklärte die
Grünen-Politikerin anlässlich ihres Amtsantritts. Das neu zugeschnittene
Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV) gestalte
zentrale Zukunftsthemen, die auf die Menschen und ihre Lebenswelt
abzielten. „Ich sehe das BMUV auch künftig als Treiberin einer
ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Modernisierung”, sagte
Lemke. Der Klimaschutz werde die Richtschnur für die gesamte
Bundesregierung sein, somit auch für ihr Haus, so die Ressortchefin. Zugleich werde das neue Umweltministerium eine starke Stimme für
Verbraucherinnen und Verbraucher sein. Lemke bezeichnete eine starke
Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutzpolitik als nötiger denn je.
Die Welt stehe mehreren ökologischen Krisen gegenüber, nämlich der
Erderhitzung, dem Artensterben und der Plastikvermüllung. „Diese zu
bewältigen, steht im Mittelpunkt meiner Arbeit”, betonte die
Grünen-Politikerin.
Einen Neustart kündigte die Ministerin für die Naturschutzfinanzierung
an. Der Verbraucherschutz im neu zugeschnittenen Ressort kommt
weitgehend aus dem Justizressort und umfasst den wirtschaftlichen
Verbraucherschutz. Abgeben muss das Umweltministerium hingegen den
Klimaschutz, der dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
zugeordnet wird. Die internationale Klimapolitik wird im Auswärtigen Amt
angesiedelt.
Branche sieht Özdemir als „Brückenbauer”
Der Amtsantritt von Cem Özdemir hat in Politik und Verbänden vielfältige Reaktionen ausgelöst. Der Deutsche Bauernverband (DBV) erwartet vom neuen Bundeslandwirtschaftsminister eine klare politische Ausrichtung. DBV-
Präsident Joachim Rukwied verwies auf den großen Transformationsprozess der Landwirtschaft und die damit verbundenen gewaltigen Herausforderungen. „Ich wünsche dem neuen Minister viel Kraft für wichtige und weitreichende Entscheidungen im Sinne unserer Bauernfamilien und freue mich auf die Zusammenarbeit”, so Rukwied.
Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) baut auf die vermittelnden Fähigkeiten des neuen Ministers. „Wir haben Cem Özdemir stets als Brückenbauer zwischen ökologischen und ökonomischen Notwendigkeiten wahrgenommen”, erklärte DRV-Präsident Franz-Josef Holzenkamp.
Unterschiedliche Akzente setzten die Unionsparteien. Während CDU-Mann Albert Stegemann auf die internationalen Verflechtungen der Agrarbranche hinwies, denen die Politik Rechnung tragen müsse, betonte CSU-Agrarsprecher Artur Auernhammer die Belange der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe.
Der agrarpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Stephan Protschka, sieht eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Regierung darin, „das dramatische Höfesterben zu beenden und die Rahmenbedingungen für eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft zu schaffen”.