Politik | 09. Juli 2020

Anhebung des Mindestlohns sorgt für Unmut

Von AgE/Nödl
Der gesetzliche Mindestlohn soll von derzeit 9,35 Euro brutto pro Stunde in mehreren Schritten zum 1. Juli 2022 auf 10,45 Euro ansteigen. In der Agrarbranche sorgt dies angesichts der schwierigen Gesamtsituation der Wirtschaft für Unverständnis.
Zwar habe sich die Mindestlohnkommission bemüht, der pandemiebedingten wirtschaftlichen Unsicherheit mit einer moderaten Anpassung im kommenden Jahr Rechnung zu tragen, räumte die Geschäftsführerin vom Gesamtverband der Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA), Nicole Spieß,  ein. Es sei jedoch in keiner Weise nachvollziehbar, „wie inmitten der tiefsten Rezession der Nachkriegszeit eine Erhöhung des Mindestlohns auf 10,45 Euro und damit um fast zwölf Prozent ab Juli 2022 beschlossen werden konnte”.
Sonderkulturbetriebe über Gebühr belastet
Der Gesamtverband hatte im Hinblick auf die auch in der Landwirtschaft spürbaren wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise eine Aussetzung der Mindestlohnanpassung für das Jahr 2021 gefordert, um die Existenz der Betriebe und damit auch die Arbeitsplätze nicht zu gefährden. Spieß wies darauf hin, dass gerade Sonderkulturbetriebe mit einem hohen Arbeitskräftebedarf in der zweiten Jahreshälfte, etwa zur Ernte von Gurken, Kohl, Stein- und Kernobst oder im Weinbau, durch die Lohnerhöhungen jeweils zum 1.Juli über Gebühr belastet würden. Das gelte insbesondere für die Lohnsteigerung zum 1. Juli 2022. Diese Erhöhung weiche zudem deutlich vom Kriterium der nachlaufenden Tariflohnentwicklung ab und greife damit auch unmittelbar in das Tarifgeschehen ein, kritisierte die Geschäftsführerin.
Unzufrieden mit dem Mindestlohnvorschlag zeigte sich auch der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks. Laut Angaben von Präsident Michael Wippler hat die Corona-Krise manche Unternehmen in eine sehr schwierige Lage gebracht. Nicht wenige Mittelständler schauten mit Sorge in die Zukunft. Dabei seien die Unternehmen je nach Branche, Region und Lage höchst unterschiedlich betroffen. Der Beschluss der Mindestlohnkommission unterscheide jedoch nicht nach Branchen oder Regionen. Er sehe erneut pauschale Lohnerhöhungen für die gesamte Wirtschaft vor, ohne spezifisch nach Branchen zu differenzieren.
Die Anpassungsstufen
Die Mindestlohnkommission hatte am 30. Juni ihren dritten Bericht seit der Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland im Januar 2015 vorgelegt. Darin schlägt sie vor, den gesetzlichen Mindestlohn in folgenden Stufen zu erhöhen:
  • zum 1. Januar 2021 auf    9,50 Euro/Stunde
  • zum 1. Juli 2021 auf    9,60 Euro/Stunde
  • zum 1. Januar 2022 auf    9,82 Euro/Stunde
  • zum 1. Juli 2022 auf   10,45 Euro/Stunde
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil kündigte an, den Vorschlägen der Kommission zu folgen und sie per Rechtsverordnung verbindlich zu machen. Im Herbst will der Minister Vorschläge für eine Weiterentwicklung des Mindestlohns unterbreiten. Heil: „Der Mindestlohn ist gut, aber er kann noch besser werden.”
Wie Fachmann Michael Nödl vom BLHV zum derzeitigen Verfahren  erläutert, kann die  Bundesregierung   die von der Bundeslohnkommission vorgeschlagene Anpassung des Mindestlohns durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates für alle Arbeitgeber sowie  Arbeitnehmer verbindlich machen. Dabei ist sie an den Vorschlag der Mindestlohnkommission insoweit gebunden, als sie den Vorschlag entweder übernehmen kann oder aber den Mindestlohn nicht erhöht. Sie kann keinen anderen Mindestlohn festlegen, ist also faktisch an den Beschluss der Mindestlohnkommission gebunden.