Politik | 27. Januar 2022

Ampelkoalition: „Wir werden liefern”

Von AgE
Die Bundesregierung will die finanziellen Voraussetzungen für die Transformation der Landwirtschaft schaffen. Das haben Spitzenvertreter von SPD, Grünen und FDP am 18. Januar beim Agrarpolitischen Jahresauftakt des Deutschen Bauernverbandes (DBV) versichert.
Vereinfachungen im Baurecht, ausreichend Fördermittel und ein finanzieller Ausgleich gehören laut dem Deutschen Bauernverband zu wesentlichen Voraussetzungen, um mehr Tierwohl umzusetzen.
„Wir werden liefern”, sagte die Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Britta Haßelmann, mit Hinweis auf den Umbau der Tierhaltung. Auch SPD-Fraktionsvize  Matthias Miersch betonte die Notwendigkeit, Tierhalter bei der Neuausrichtung ihrer Erzeugung finanziell zu unterstützen.  Signale kamen  auch von den Liberalen. Er sei dabei, wenn es darum gehe, neue Finanzierungswege zu gehen, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr.
Rukwied unterstreicht Handlungsdruck
Den politischen Handlungsdruck in der Tierhaltung unterstrich DBV-Präsident Joachim Rukwied. Die Bundesregierung sei gefordert, „anzupacken und die notwendigen Maßnahmen auf den Weg zu bringen”. Das Zeitfenster dafür sei derzeit offen. Umso wichtiger sei es, dass man diese Chance jetzt auch nutze, so Rukwied. Wichtigstes Ziel müsse sein, den landwirtschaftlichen Betrieben eine wirtschaftliche Perspektive zu geben. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir kündigte an, er werde den Dialog mit den Bauern suchen. Sie seien „die Fachleute, die wissen, wie’s geht”. Es wolle zuhören und die Probleme anpacken. Dabei müsse man nicht bei null anfangen und „die Räder nicht neu erfinden”, sagte der Grünen-Politiker.
Özdemir trat dem Eindruck entgegen, sein politischer Fokus richte sich allein auf den Ökolandbau. „Ich bin der Minister aller Bauern”, betonte er. Zwar bezeichnete Özdemir den ökologischen Landbau erneut als agrarpolitisches Leitbild der Bundes-
regierung und bekräftigte das Ziel, den Ökoanteil bei den Flächen und in den Regalen bis 2030 auf 30 Prozent auszubauen. Er werde sich jedoch um die Belange von konventionellen und ökologisch wirtschaftenden Bauern ebenso kümmern wie um große und kleine Betriebe.
Möglichst große Zahl Höfe erhalten
Özdemir bekannte sich dazu, eine möglichst große Zahl  Bauernhöfe zu erhalten: „Landwirtschaftliche Betriebe sind keine Franchise-Filialen.” Es gehe darum, unternehmerisches Handeln mit dem Ziel von mehr Umwelt-, Klima- und Tierschutz sowie sozialer Verantwortung zu verbinden.
Nach den Worten von DBV-Präsident Rukwied sind eine flächendeckende Haltungsform- und Herkunftskennzeichnung sowie eine Novellierung des Baugesetzbuchs dringend erforderlich, um den gewünschten Wandel zu mehr Tierwohl in den Ställen realisieren zu können. Ebenso wichtig seien eine angemessene Investitionsförderung sowie  ein Finanztopf, um daraus einen Ausgleich für höhere Tierwohlstandards zahlen zu können.  Nicht zuletzt bedürfe es politischer Verlässlichkeit.
Rukwied bekräftigte die Veränderungsbereitschaft des Berufsstands.  Jetzt komme es darauf an, dass die neue Bundesregierung den Transformationsprozess  voranbringe. Auch beim Schutz von Klima und Artenvielfalt seien die Bauern bereit, ihren Teil beizutragen. Der Berufsstand setze dabei auf Kooperation statt Verbotspolitik und darauf, dass Natur- und Umweltschutz in eine wirtschaftlich tragfähige Produktion integriert würden.  Zudem gehe es um Technologieoffenheit: „Um die Herausforderungen des Klimawandels bewältigen zu können, sind Digitalisierung, Effizienz und neue Techniken unverzichtbar.”
FDP-Fraktionschef Dürr bezeichnete die rechtlichen Hindernisse beim Stallbau als derzeit größtes Problem der Tierhaltung. Eine Anpassung des Baurechts stehe daher ganz oben auf der politischen Agenda der Ampelkoalition. Dabei müsse es auch darum gehen, die Genehmigung von Um- und Neubauten zu beschleunigen. Als zentrales Ziel der Liberalen in der Agrarpolitik nannte Dürr, die landwirtschaftliche Produktion am Standort Deutschland zu halten und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Er warnte zugleich vor überzogenen Erwartungen an die Politik. Weder werde es gelingen, den Strukturwandel zum Stillstand zu bringen, noch werde man es schaffen, den Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln auf 100 Prozent anzuheben. Ausdrücklich bekannte sich der FDP-Politiker zum internationalen Agrarhandel. Die Landwirtschaft sei auf Exporte angewiesen.
„Die notwendige größere Wertschätzung für Landwirte muss sich auch in einer höheren Wertschöpfung ausdrücken”, forderte der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich.
Agrarpolitik ist keine Sozialpolitik
Für Stellvertreter Miersch sind höhere Lebensmittelpreise kein Tabu: „Agrarpolitik ist keine Sozialpolitik.” Allerdings bedürfe es einer sozialpolitischen Begleitung, sollten Lebensmittelpreise zum Problem für ärmere Bevölkerungsschichten werden.
Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, zeigte sich kooperationsbereit, wenn es um die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für eine Transformation der Landwirtschaft gehe. Die Union habe diese Diskussion bereits in der Vergangenheit geführt. Voraussetzung sei allerdings, dass sie mit Augenmaß geführt werde. Man dürfe  den Bogen nicht überspannen. „Wir brauchen weiter eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft”, so der Unionsfraktionschef.
Kritische Töne kamen von den anderen Oppositionsparteien. Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Amira Mohamed Ali, prangerte die ungerechte Verteilung der Gewichte entlang der Wertschöpfungskette an. Die landwirtschaftlichen Erzeuger stünden übermächtigen Strukturen in der Verarbeitungsindustrie und dem Lebensmitteleinzelhandel gegenüber, deren Profite auf Kosten der Erzeuger gingen. Die Linken-Politikerin rief die Ampelkoalition dazu auf, diese Strukturen zu verändern. Der agrarpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Stephan Protschka, warnte  vor nationalen Alleingängen. Andernfalls drohe die heimische Landwirtschaft immer weiter ins Hintertreffen zu geraten. Ohnehin gefährdeten immer mehr Auflagen deren Existenz, „obwohl schon jetzt mit die höchsten Standards hierzulande gelten”.