Der Koalitionsbruch wirkt in der Landwirtschaft wie ein Befreiungsschlag. Zugleich nutzen die Parteien das Momentum, um sich ins rechte Licht zu rücken. Das Finale könnte sich sogar in Südbaden abspielen.
Am 23. Februar wird der Bundestag gewählt: Wahlkampf über den Jahreswechsel stellt die Parteien vor besondere Herausforderungen.
Der Bruch der Ampelkoalition hat im landwirtschaftlichen Sektor spürbare Erleichterung ausgelöst. Zahlreiche landwirtschaftliche Verbände reagierten prompt und forderten zügige Neuwahlen. Diese Forderungen, der sich auch andere Wirtschaftsverbände anschlossen, fanden in Berlin Gehör. Neuwahlen sind nun für den 23. Februar 2025 angesetzt.
Die Erleichterung unter den Landwirten resultiert auch daraus, dass viele agrarpolitische Vorhaben auf Eis gelegt wurden. So wurde die geplante Novelle des Bundeswaldgesetzes offiziell gestoppt. Ebenso wird das Tierschutzgesetz, das insbesondere in Südbaden aufgrund des geplanten Verbots der Anbindehaltung für Betriebsaufgaben gesorgt hatte, voraussichtlich nicht mehr verabschiedet. Der Bundestagsabgeordnete und stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Andreas Jung erklärte auf Nachfrage der BBZ, dass eine großangelegte Novellierung des Tierschutzgesetzes, wie sie von der Ampel angestrebt wurde, aus Sicht der CDU nicht erforderlich sei. Ebenso würde man die Pläne zur Reform der Bundeswaldgesetzes ablehnen, so Jung.
Am Rande der Belastbarkeit
Mit Präsenz und Entschlossenheit konnte Friedrich Merz in den ersten Tagen der Regierungskrise an Popularität gewinnen.
Hinter den Forderungen nach schnellen Neuwahlen steht auch
die Hoffnung nach einem Kurswechsel, der aus Sicht der Landwirtschaft
dringend benötigt wird. Auch BLHV-Präsident Bernhard Bolkart steht
hinter diesem Neustart, da die geplanten Reformen die Landwirtschaft an
den Rand ihrer Belastbarkeit geführt haben.
In diesem Kontext gelingt es insbesondere Friedrich Merz,
Kanzlerkandidat der CDU/ CSU, sich als treibende Kraft für einen
politischen Neustart zu präsentieren. Aktuelle Umfragen zeigen einen
Anstieg seiner Popularität, vermutlich weil seine Präsenz und
Entschlossenheit unterstreichen, dass die notwendigen Veränderungen
zügig umgesetzt werden sollen.
Der bevorstehende Wahlkampf stellt die
Parteien vor besondere Herausforderungen. Die Terminierung der Neuwahlen
auf den 23. Februar 2025 bedeutet, dass der Wahlkampf in die
Weihnachts- und Silvesterzeit fällt. Diese Zeit ist traditionell von
Feiertagen und familiären Zusammenkünften geprägt, was die politische
Mobilisierung erschwert.
Kurzprogramme
Benjamin Walker, Politikreferent des Deutschen
Bauernverbandes (DBV), erklärt im Interview mit der BBZ (siehe unten),
dass angesichts der verkürzten Vorbereitungszeit die Parteien eher
Kurzprogramme oder sogenannte Zehnpunkteprogramme aufstellen werden.
Weiterhin betont Walker, dass viele Konzepte, wie die Empfehlungen der
Borchert-Kommission, bereits in der Schublade liegen und nur darauf
warten, von der nächsten Regierung umgesetzt zu werden.
Aus
landwirtschaftlicher Sicht eine zentrale Figur ist nach wie vor Cem
Özdemir. Der Grünen-Politiker ist nun Doppelminister, da er zusätzlich
das Amt des Bundesministers für Bildung und Forschung übernommen hat.
Diese Doppelrolle wird er bis zu den Neuwahlen ausfüllen, bevor er seine
Karriere in der Bundespolitik voraussichtlich beendet.
Özdemir hat
angekündigt, als Spitzenkandidat der Grünen bei der Landtagswahl 2026 in
Baden-Württemberg anzutreten, mit dem Ziel, Ministerpräsident des
Landes zu werden. Sein geplanter Auftritt beim BLHV-Landesbauerntag am
8. Februar liegt nun zwei Wochen vor der Bundestagswahl. Bisher sieht
alles danach aus, dass er diesen Termin wahrnimmt und sich im finalen
Wahlkampf noch einmal an die Landwirtschaft wendet. Als Anwärter auf
den Posten des Ministerpräsidenten könnte er in Bad Bellingen auch
Doppelwahlkampf betreiben. Das wiederum würde den Landesbauerntag des
BLHV in den Fokus der Bundespresse rücken, was dem Verband ein ideales
Sprachrohr für seine Forderungen bieten könnte. Die kommenden Monate
versprechen somit eine spannende und richtungsweisende Zeit.
Interview mit Benjamin Walker: Parteien müssen jetzt anpacken
DBV-Referent Benjamin Walker ist Fachbereichsleiter für Parlament, Politik und Gesellschaft.
Herr Walker, der DBV forderte wie viele andere Verbände schnelle Neuwahlen. Warum ist das so dringlich?
Wir brauchen eine stabile, vertrauensbildende Regierung, die die Anforderungen unserer Landwirtschaft ernst nimmt. Das ist mit einer Minderheitsregierung nicht machbar, und jede weitere Verzögerung gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe.
Einige wichtige Gesetzesvorhaben sind aufgrund der Regierungskrise nun blockiert. Können Sie uns Beispiele nennen?
Ein Beispiel ist das Tierschutzgesetz. Das sollte zwar den Tierschutz verbessern, hätte jedoch viele Betriebe zur Aufgabe gezwungen.
Die Novelle des Bundeswaldgesetzes und das Wasserhaushaltsgesetz sind ebenso blockiert. Andere Vorhaben umfassen die nationale Biomasse-Strategie, das Agrarstatistikgesetz sowie die Baugesetzbuch-Novelle.
Ein weiteres wichtiges Thema ist das Jahressteuergesetz. Wie geht es damit weiter?
Das Jahressteuergesetz ist ein sensibles Thema für uns. Die geplante Senkung des Vorsteuerpauschalsatzes würde die finanzielle Belastung der Betriebe erhöhen, was wir als Berufsstand klar ablehnen.
Am 22. November wird das Gesetz im Bundesrat beraten, und wir werden sehen, wie sich die Bundesländer – insbesondere die CDU-geführten – dazu positionieren. Der Ausgang dieser Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen für die Landwirtschaft.
Die Parteien müssen schnell ihre Wahlprogramme formulieren. Erwarten Sie, dass die agrarpolitischen Positionen in diesem Wahlkampf etwas oberflächlicher behandelt werden?
Nach ersten Gesprächen mit den Parteizentralen gehen wir davon aus, dass es eher Kurzprogramme oder sogenannte Zehn-Punkte-Programme geben wird. Diese Programme basieren oft auf den Grundsatzprogrammen, die bereits feststehen – bei der CDU und Bündnis 90/Die Grünen wurden diese kürzlich aktualisiert. Der DBV erwartet von den Parteien, dass sie den Vertrauensverlust im ländlichen Raum aktiv aufarbeiten und gezielt gegensteuern.
Wäre jetzt nicht ein guter Zeitpunkt, um Projekte wie die Zukunftskommission Landwirtschaft oder die Borchert-Kommission voranzubringen?
Ja, absolut. Die Konzepte liegen fertig in der Schublade – die Parteien müssen hier nicht viel nachdenken, sondern die Projekte jetzt einfach angehen. Das gilt besonders für die jungen Generationen in der Landwirtschaft, die die Betriebe in Zukunft übernehmen werden und dringend Planungssicherheit benötigen. Diese Unsicherheit betrifft letztlich nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch die Wirtschaft generell. Wir müssen das Unternehmertum in den Fokus nehmen und politische Entscheidungen so gestalten, dass sie verlässlich und langfristig tragbar sind.
Mit Benjamin Walker sprach Padraig Elsner