Der Schweizer Bundesrat hat vorige Woche die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU einseitig beendet. Das Abkommen sollte die Zusammenarbeit vereinfachen und modernisieren. Jetzt bleibt es beim Status quo mit teils veralteten Verträgen.
Im Grenzgebiet zur Schweiz ist die Welt für südbadische Landwirte alles andere als in Ordnung.
Die EU-Kommission reagierte betont verschnupft. Man will nicht neu verhandeln, nachdem bereits seit 2014 verhandelt wurde. „Ohne dieses Rahmenabkommen wird diese Modernisierung der laufenden Beziehungen unmöglich”, heißt es aus Brüssel. Ungelöste Streitpunkte waren zuletzt Personenfreizügigkeit, Lohnschutz und staatliche Beihilfen.
Enttäuschte Reaktionen
Die Reaktionen aus Deutschland auf den Schweizer
Verhandlungsabbruch fallen nicht minder enttäuscht aus. Der
EU-Abgeordnete Andreas Schwab wird im Südkurier wie folgt zititiert:
„Die Entscheidung des Schweizer Bundesrates richtet beträchtlichen
Flurschaden an … Es haben sich einige wenige Hardliner in der Schweizer
Verwaltung durchgesetzt, die bei einer Volksabstimmung wohl verloren
hätten.” Mehr als sieben Jahre Verhandlungen und zuletzt geduldiges
Abwarten seien sinnlos vergeudet worden, so Schwab. Ebenfalls im
Südkurier äußert sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner,
Vorsitzender der deutsch-schweizerischen Parlamentariergruppe: „Die
Verlierer sitzen nicht in Bern oder in Brüssel: Es sind diejenigen, die
in unserer Grenzregion von diesem Abkommen profitiert hätten.”
Dämpfer für Hoffnungen der Bauern
Damit haben auch aufkeimende Hoffnungen
vieler südbadischer Landwirtinnen und Landwirte einen schweren Dämpfer
erhalten, dass sich der eklatante Wettbewerbsnachteil mit Schweizer
Kollegen im Grenzgebiet bald verkleinern könnte. Seit Jahrzehnten dürfen
Landwirte aus der Schweiz in einem Bereich von zehn Kilometern auf
deutscher Seite landwirtschaftliche Erzeugnisse anbauen und diese
zollfrei in der Schweiz vermarkten. Da das Preisniveau dort höher ist,
können sie auf deutscher Seite höhere Pachten oder höhere Kaufpreise für
Flächen bezahlen. Südbadische Bauern ziehen auf eigenem Staatsgebiet
regelmäßig den Kürzeren, sie verlieren Fläche, statt sich vergrößern zu
können. Daher der eingeführte Begriff „Schweizer Landnahme”.
Und seit es dieses Ungleichgewicht gibt, kämpft der BLHV an der Seite
der Bauern schon vehement dagegen an, unterstützt von Politikern aus der
Region. Bei der zuständigen Bundesebene in der Politik gab es bislang
jedoch kein Durchkommen. Auch die Schweiz zeigte keine Bereitschaft, am
Status quo etwas zu ändern.
Michael Martin befindet sich als Geschäftsführer der
BLHV-Bezirksgeschäftsstelle Waldshut-Tiengen im Epizentrum des Problems
für die heimischen Landwirte. Er bestätigt, dass hierbei nicht das
Sprichwort zutrifft, dass die Zeit Wunden heilt: „Das ist immer ein
Thema für die Landwirte und für uns Woche für Woche auch. Das hört nie
auf!”
Die Emotionen kochen hoch
Martin berichtet, dass bei den hiesigen Bauern nach wie vor
„die Emotionen hochkochen”. „Sie sehen sich in die Enge getrieben”,
betont der Bezirksgeschäftsführer und Jurist von Haus aus. Und das mit
der zunehmenden Enge ist auch wörtlich zu nehmen. Die
Flächenverfügbarkeit ist schon naturräumlich knapp, auf der einen Seite
begrenzt der Hochrhein, auf der anderen Seite das aufsteigende
Mittelgebirge.
Martin hat großes Verständnis für die Anliegen der Bauern, was ihm
Motivation gibt, gemeinsam mit ihnen an dem Thema dranzubleiben, trotz
schon eingesteckter Rückschläge. Denn er weiß auch: „Die Fläche, die an
einen Schweizer ging, kommt in der Regel nicht mehr zurück.”