Agrarpolitisches Stelldichein auf der Grünen Woche endlich wieder persönlich
Von Walter Eberenz
„Endlich wieder die Grüne Woche live. Das ist unser Davos”, freute sich Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, am Donnerstag voriger Woche in Anlehnung an das ziemlich zeitgleich stattfindende Weltwirtschaftsforum. Wie in Davos traten allerdings nicht nur gleiche Sichtweisen, sondern auch Differenzen zwischen den Akteuren zutage.
„Wir brauchen Bauern, die an die Zukunft glauben”, erklärte Joachim Rukwied (rechts), Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), bei der Fragestunde des Verbandes Deutscher Agrarjournalisten auf der Grünen Woche in Berlin. Der Politik warf er Lippenbekenntnisse vor, so beim Umbau der Tierhaltung. Links im Bild DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken, der im Zusammenspiel mit Rukwied fachliche Ergänzungen beisteuerte.
Die Internationale Grüne Woche in Berlin gehört zu den vielen Veranstaltungen, die wegen Corona zwei Jahre nicht oder nicht in ihrer gewohnten Form stattfinden konnten. Die Erleichterung über das erste Live-Ereignis im Januar 2023 war bei den zahlreichen Akteurinnen und Akteuren von Politik und Branchenverbänden deutlich zu spüren. Die Grüne Woche ist nämlich traditionell nicht nur ein riesiger Genuss-Parcours für Jäger von Probierhäppchen mit Anbietern von Spezialitäten aus Deutschland und aller Welt.
Sich treffen ist wichtig
Sie ist ein nationales und internationales Forum
für aktuelle Themen der Agrarpolitik und der Agrarwirtschaft, das
Prominenz aus der Branche anzieht. Neben den Themen ist schon sich zu
treffen an sich hier wichtig und wird sehr geschätzt.
„Wir brauchen Bauern, die an die Zukunft glauben”, erklärte Joachim
Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), auf der Grünen
Woche bei der traditionellen Fragestunde des Verbandes Deutscher
Agrarjournalisten (VDAJ) und beim Neujahrsempfang des DBV.
Stimmung aufgehellt mit Einschränkung
Die Grüne Woche als Forum für Agrarpolitik: Die Landesbauernverbände waren mit Delegationen in Berlin vertreten. Hier die des BLHV auf dem Erlebnisbauernhof der Messe (von links): Vizepräsident Martin Linser, 1. Vizepräsident Egon Busam, Hauptgeschäftsführer Benjamin Fiebig, Präsident Bernhard Bolkart.
Als gute Nachricht wertete er, dass sich die Stimmung
der deutschen Bäuerinnen und Bauern laut Konjunkturbarometer Agrar
wieder aufgehellt hat. „Sie ist aber nicht so, wie sie
sein sollte, damit sie bereit sind, in die Zukunft und die
Ernährungssicherung zu investieren”, schränkte er ein. Es fehlten vor
allem Investitionen mit langfristiger Wirkung, wie in Ställe. Der
Politik warf Rukwied bei wichtigen Themen Lippenbekenntnisse vor. „Wir haben uns klar zum Umbau der Tierhaltung und zu Nachhaltigkeit auf
dem Acker bekannt”, betonte er. „Bei der Umsetzung klafft es aber
auseinander.” Bei der Tierhaltung bietet die Politik Rukwied zufolge ein
„Abbauprogramm statt ein Zukunftsprogramm”. „Wir werden Bundesminister
Cem Özdemir daran messen, ob aus den Ankündigungen Gesetzesvorlagen
werden”, erklärte er.
Rukwied lobt „Top-Frauen”
In der Diskussion mit den Journalistinnen und Journalisten
von Fach- und Publikumsmedien wurde bei der Veranstaltung des VDAJ das
Themenspektrum noch weiter verbreitert: von
Klimawandel, Ernährungssicherung in Krisenzeiten, Flächenverbrauch,
Mindestlohn, Fleischverbrauch bis zum Verbraucherverhalten im
Supermarkt. Auch kam das Thema zur Sprache, dass der DBV weiblicher
werden will. Rukwied bezeichnete gerade dieses Projekt im Verband als
„mein Baby”. „Wir haben Top-Frauen in der Landwirtschaft. Wir werden
den Weg, den wir eingeschlagen haben, weiterverfolgen. Wir haben gute
Erfahrungen damit gemacht”, versicherte der DBV-Präsident.
Zukunftsperspektiven aufzeigen
Und natürlich war das Thema
„Zukunftsbauer” Rukwied wichtig. Beim Neujahrsempfang des Verbandes gab
es dazu einen eigenen Programmpunkt, mit der Aufforderung an alle zum
Schluss, bei dem Zukunftsprojekt des Verbandes mitzumachen.
Der Berufsnachwuchs war dem Präsidenten beim Neujahrsempfang ein
besonderes Anliegen: „Ich freue mich über junge Leute, die etwas
bewegen wollen, die vor Energie sprühen”, betonte Rukwied und nahm dabei
sowohl den Verband als auch die Politik in die Pflicht: „Wir alle, die
wir Verantwortung tragen, sind verpflichtet, dass wir einen Rahmen
gestalten, der Zukunftsperspektiven aufzeigt.”
Özdemir: Die Mauer heißt Klimakrise
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sieht sich beim Thema Umbau der Tierhaltung auf gutem Weg: „Wir sind mittendrin.”
Bundeslandwirtschaftsminister Cem
Özdemir trat ebenso auf der Bühne des VDAJ und beim Neujahrsempfang des
DBV auf.
Deutlich machte er einerseits in Sachen Politik für die Landwirtschaft:
„Ein Weiter-so kann es nicht geben. Davor steht eine Mauer, und die
heißt Klimakrise.” „Wir müssen bereit sein, uns zu verändern, das gilt
auch für die Tierhaltung”, ergänzte er. Bei deren Umbau sieht er sich
übrigens auf gutem Weg. „Wir sind mittendrin”, so Özdemir.
Eine gewisse Bereitschaft, auf die Anliegen der Bauern zuzugehen,
signalisierte Özdemir bei den Reduktionsplänen der EU-Kommission für
Pflanzenschutzmittel. Man müsse über die sensiblen Gebiete ebenso reden
wie über den Erhalt des regionalen Obst- und Gemüsebaus. Özdemir sprach
von vorhandenen Blaupausen, die es zu nutzen gelte, und meinte damit
unter anderem den Weg des Biodiversitäts-stärkungsgesetzes in
Baden-Württemberg.