In der Bundestagsdebatte zum Agrarbericht trat
Landwirtschaftsminister Christian Schmidt für eine
Agrarentwicklung ein, als Gegenmodell zur geforderten Agrarwende der Opposition. Diese kritisierte
den Minister scharf und warf ihm Untätigkeit vor.
„Mehr mit der Landwirtschaft reden als über sie”: Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt warnte im Bundestag vor Pauschalisierungen und Vereinfachungen in der agrarpolitischen Diskussion.
In bislang nicht gekannter Schärfe hat die Opposition Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt attackiert. Die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Kirsten Tackmann, und Grünen-Agrarsprecher Friedrich Ostendorff warfen dem Minister am 19. Juni in der Debatte zum Agrarbericht Untätigkeit in wesentlichen Politikbereichen vor. Tackmann beklagte das Fehlen eines Agrarleitbildes der Bundesregierung und damit einhergehend eine richtungslose Agrarpolitik. Insbesondere den aus ihrer Sicht gefährlichen Entwicklungen auf dem Bodenmarkt schaue der Minister tatenlos zu.
Auch Ostendorff vermisst schlüssige Antworten auf die Frage, wohin sich die hiesige Landwirtschaft entwickeln solle. Der Minister werde „zwischen Münchner Staatskanzlei und Bauernverband pulverisiert”. Der Grünen-Politiker rief Schmidt dazu auf, einen Masterplan zum Tierhaltungsumbau vorzulegen. Für den Milchmarkt verlangt
Ostendorff eine aktive Mengensteuerung, „damit nicht weiterhin jedes Jahr vier Prozent der Betriebe aufgeben müssen”.
Schmidt wies die Kritik zurück. „Wir bleiben bei der Agrarentwicklung und brauchen keine Agrarwende”, sagte der Minister. Die Sprecher der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD, Franz-Josef Holzenkamp und Wilhelm Priesmeier, bekräftigten ihr Bekenntnis zu einer wettbewerbsfähigen Land- und Ernährungswirtschaft.
Tackmann hielt Schmidt vor, er tue nichts, um der „dramatischen Situation” auf dem Bodenmarkt Einhalt zu gebieten. Gerade in Ostdeutschland laufe längst die Umverteilung des Bodens in die Hände landwirtschaftsfremder Kapitalgeber. Es gebe immer mehr Ackerbau-Holdings, „die mit einer vor Ort verankerten, nachhaltigen Landbewirtschaftung nichts zu tun haben”.
Handlungsbedarf sieht Tackmann hinsichtlich der Viehdichte. Angesichts der Tierseuchengefahr müssten dringend Obergrenzen für Tierbestände an Standorten und in Regionen gesetzlich definiert werden. Schließlich fehle es an einer Biomassestrategie für die energetische und stoffliche Nutzung. Nur so könne verhindert werden, dass die Landwirtschaft zum Rohstofflieferanten degradiert werde.
Der Handel braucht Druck
Ostendorff verwies auf die desaströse Einkommenssituation
vieler Milchviehbetriebe. Dringend notwendig seien ein effektives
Krisenmanagement und die Regulierung des Marktes. Seine Partei habe
deutlich gemacht, „dass eine aktive Marktgestaltungspolitik gebraucht
wird und wie sie aussehen kann”, sagte der Grünen-Politiker. Beim
Tierschutz warf Ostendorff dem Minister vor, er schone die Wirtschaft. Die Aufgabe des Ministers sei es, „den Lebensmittelhandel mehr in die
Verantwortung zu nehmen”, so Ostendorff mit Blick auf die unzureichende
Mittelausstattung der Brancheninitiative Tierwohl. Der
Grünen-Abgeordnete sieht Schmidt in der Pflicht, den Lebensmittelhandel
unter Druck zu setzen und zusätzliche Mittel zu mobilisieren.
Ostendorff: „Die Betriebe, die sich aufgemacht haben, müssen für ihren
Aufwand entlohnt werden.”
„Patentrezepte gibt es nicht”, sagte der CSU-Politiker zu den aktuellen
Forderungen nach einer erneuten Mengensteuerung auf dem Milchmarkt.
Instrumente, die bereits früher nicht funktioniert hätten, seien auch
heute keine Lösung. Notwendig sei „ein Netzwerk, das Leitplanken schafft
und Krisenreaktionen beinhaltet”. Den Bodenmarkt bezeichnete Schmidt
als „Baustelle, an der wir arbeiten müssen”. Die zu verzeichnenden
Pachtpreissteigerungen und die zunehmende Flächenkonzentration stellten
eine Gefährdung für die heimische Agrarstruktur dar. Die
Brancheninitiative Tierwohl werde von der Privatwirtschaft getragen. Die
Bundesregierung habe daher keine Handhabe, den Lebensmittelhandel zu
zwingen. Hinsichtlich des angestrebten Bürokratieabbaus will es der
Minister nicht bei Lippenbekenntnissen belassen. Künftig werde sein Haus
alle zwei Jahre in einem Bericht darüber Auskunft geben, wie sich die
Belastung der Betriebe durch europäische und nationale Regelungen
entwickelt habe und wo es Verbesserungsmöglichkeiten gebe.
Schmidt kritisierte erneut, dass die gesellschaftliche Debatte über die
heimische Lebensmittelerzeugung nach wie vor über die Köpfe der
Betroffenen hinweg geführt werde: „Ich fordere dazu auf, mit den
Landwirten zu reden und nicht über sie.”
Landwirte mitnehmen
Holzenkamp
bezeichnete wettbewerbsfähige landwirtschaftliche Betriebe als „das
Rückgrat der ländlichen Räume in Deutschland”. Notwendige Veränderungen
dürften daher „nur mit den Landwirten und nicht gegen sie” vorgenommen
werden. „Wir setzen auf Lösungen statt auf Verbote”, betonte der
Unionsabgeordnete. Dies gelte insbesondere für die Tierhaltung. Die
gegenwärtige gesellschaftliche Auseinandersetzung sieht Holzenkamp als
Chance. Die Betriebe hätten die Möglichkeit, aufzuklären und für
Transparenz zu sorgen. Dies gelte auch für die Diskussion um die Grüne
Gentechnik.
Herkulesaufgabe
Für SPD-Agrarsprecher Priesmeier sind höhere
Standards in der Tierhaltung nur akzeptabel, „wenn die
Wettbewerbsfähigkeit der Branche nicht in Frage gestellt wird”. Die
Verbesserung der Haltungsbedingungen und des Tierwohls sei „eine
Herkulesaufgabe”. Der SPD-Politiker erneuerte die Forderung seiner
Fraktion nach einer weiteren Umschichtung von Mitteln aus der Ersten in
die Zweite Säule. Es gelte, die Halbzeitbewertung 2017 als Chance zu
nutzen und statt wie bislang 4,5 Prozent der Direktzahlungen den
möglichen Satz von 15 Prozent umzuschichten. Mit den zusätzlichen
Mitteln könnten zielgerichtet Investitionen in höhere
Tierschutzstandards sowie eine nachhaltigere Produktion und
Ressourceneffizienz unterstützt werden, so Priesmeier. Damit werde eine
Voraussetzung geschaffen, die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) für die Zeit
nach 2020 „grundsätzlich und umfassend” umzugestalten. Ziel der Reform
müsse es sein, Förderimpulse und Innovationsanreize für den ländlichen
Raum zu setzen. Dazu müsse man „das überkommene Direktzahlungsmodell”
auslaufen lassen.