Der Agrarbericht der Bundesregierung weist für die Jahre 2010 bis 2014 eine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung der Einkommen aus. Seine Vorlage lieferte vergangene Woche Stoff für Kommentare von Politikern und Verbänden.
285000 landwirtschaftliche Betriebe sind 2013 in Deutschland noch gezählt worden.
Der Agrarbericht wird seit 2007 nur noch im vierjährigen Turnus vorgelegt. Der aktuelle Report umfasst den Berichtszeitraum von 2010 bis 2014. Bundesagrarminister Christian Schmidt sprach bei der Vorstellung des Agrarberichts vergangene Woche in Berlin von zuletzt „guten” Jahren für die Landwirtschaft. Allerdings dürfe dabei zum einen nicht außer Acht bleiben, dass der Einkommensanstieg nach den Krisenjahren 2007/08 von einem niedrigen Niveau aus erfolgt sei. Zum anderen seien die Aussichten für dieses Jahr verhalten.
Dies gelte auch für die Veredlungsbetriebe, denen Schmidt eine „holprige Wegstrecke” für die nächsten Monate prognostizierte. Den tierhaltenden Betrieben sagte Schmidt Rückendeckung in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Debatte zu. So werde er dafür Sorge tragen, dass etwaige Probleme „nicht auf dem Rücken der Bauern” gelöst würden. Daher werde er keinen Maßnahmen zur Verbesserung des Tierwohls zustimmen, die der Ökonomie der Tierhaltung entgegenlaufen.
Mit den Landwirten reden
Der Ressortchef bescheinigte den Bäuerinnen
und Bauern, sie arbeiteten auf höchstem Niveau, „um den immensen
Erwartungen aus allen Richtungen an sie gerecht zu werden”. Er erwarte
deshalb, „dass alle, die über unsere Landwirte reden, auch mit unseren
Landwirten reden”.
Schmidt lehnt Größenvorgaben in der Agrarstrukturpolitik ab. Seine
Politik ziele darauf ab, „für alle Betriebe die ökonomische Existenz zu
sichern”. Leitbild sei eine nachhaltige, ökologisch verantwortbare und
gleichzeitig ökonomisch ausgerichtete Landwirtschaft. Den Vorwurf der
„Massentierhaltung” wies der Minister als „ideologischen Kampfbegriff”
zurück. Für das Tierwohl sei nicht die Zahl der Tiere entscheidend,
sondern „wie die Tiere gehalten werden”. Schmidt beklagt eine „nicht
gerechtfertigte Entfremdung” zwischen den gesellschaftlichen
Anforderungen und der landwirtschaftlichen Realität.
Konsens brüchig
Der
Konsens, demzufolge die Landwirtschaft ein elementarer Teil der
Gesellschaft sei, werde zunehmend brüchig. Ziel müsse es daher sein, die
Landwirtschaft wieder „in die Mitte
der Gesellschaft” zu rücken. Schmidt bekräftigte das Vorhaben, die
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des
Küstenschutzes” (GAK) konzeptionell weiterzuentwickeln und damit nicht
zuletzt auf den demografischen Wandel zu reagieren. Die Gewinne der
Haupterwerbsbetriebe sind seit dem Wirtschaftsjahr 2010/11 stetig
gestiegen. Für das letzte ausgewiesene Wirtschaftsjahr 2013/14
verzeichnet der Agrarbericht ein Niveau von durchschnittlich 63 380 Euro
je Unternehmen.
Ackerbauern vorn
Danach erzielten die Ackerbaubetriebe
2013/14 im Mittel einen Gewinn von rund 89 700 Euro je Unternehmen; das
entsprach einem Rückgang um rund 20 %
gegenüber dem Jahr davor. Hingegen verzeichneten die Milchviehbetriebe
im gleichen Wirtschaftsjahr einen Gewinnzuwachs, und zwar um annähernd
32 % auf etwa 64 000 Euro je Unternehmen. Mit fast 69 000 Euro im
Schnitt konnten die Veredlungsbetriebe 2013/14 ihr Niveau halten.
Unterdurchschnittliche Gewinne verzeichneten Sonderkulturbetriebe: 57625
Euro waren es im Obstbau, 60099 Euro im Weinbau und 52680 im
Gartenbau.
An der Spitze der Einkommensskala rangieren die Haupterwerbsbetriebe in Sachsen-
Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern mit zuletzt jeweils rund 130 000 Euro
je Unternehmen und damit mehr als dem Doppelten des Bundesdurchschnitts.
Unterdurchschnittliche Gewinne weist der Agrarbericht 2013/14
insbesondere für das Schlusslicht Baden-Württemberg, das Saarland und
Bayern aus. Deutlich angestiegen sind seit 2010/11 auch die Einkommen
der juristischen Personen, und zwar zuletzt auf einen Jahresüberschuss
vor Steuern plus Personalaufwand von durchschnittlich rund 43.000 Euro
je Arbeitskraft.
Die günstige Entwicklung der vergangenen Jahre führte zudem dazu, dass
bei den Nebenerwerbsbetrieben der Gewinn aus der Landwirtschaft einen
steigenden Anteil am Gesamteinkommen des Betriebsinhaberehepaares
ausmachte; 2013/14 lag dieser Anteil bei etwa 41 %. Absolut erzielten
die Nebenerwerbsbetriebe einen Gewinn von gut 13400 Euro je Unternehmen.
Der Anteil der Direktzahlungen an den landwirtschaftlichen Einkommen
reichte 2013/14 von rund 40 % in den Haupterwerbsbetrieben über knapp 50
% in den juristischen Personen bis zu annähernd 90 % in den Klein- und
Nebenerwerbsbetrieben.
Strukturwandel hat sich verlangsamt
Rund 90 %
der Betriebe sind dem Agrarbericht zufolge familiengeführt. Sie stünden
im Mittelpunkt seiner Agrarpolitik, betonte der
Bundeslandwirtschaftsminister. Die Gesamtzahl der Betriebe lag bei der
letzten Agrarstrukturerhebung 2013 bei rund 285 000; das bedeutete einen
Rückgang im Vergleich zur Landwirtschaftszählung von 2010 um knapp 5 %.
Schmidt wies darauf hin, dass sich damit der Strukturwandel verlangsamt
habe. Die Wachstumsschwelle liege inzwischen bei 100 ha.
Bedrohungen für die Entwicklung der Familienbetriebe sieht der Minister
auf dem Bodenmarkt. Er verwies auf den anhaltend hohen Verlust von
landwirtschaftlichen Flächen und den seit Jahren zu verzeichnenden
Anstieg der Kauf- und Pachtpreise. Gefordert seien in erster Linie die
Länder, denen die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Bodenmarktpolitik” mit
ihrem Bericht die bestehenden Handlungsmöglichkeiten dargelegt habe.
Der Bund selbst habe die
Bereitschaft erklärt, die Privatisierungstätigkeit der Bodenverwertungs-
und -verwaltungsgesellschaft (BVVG) stärker an den Interessen
„kleinräumi-
ger Strukturen” auszurichten. Schmidt bekräftigte darüber hinaus sein
Vorhaben, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und
des Küstenschutzes” (GAK) konzeptionell weiterzuentwickeln und die
Aufgabenstellung um Maßnahmen der Infrastruktur und der Nahversorgung zu
erweitern.
Nicht die derzeitige Situation
Der Präsident des Deutschen
Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, wies darauf hin, dass sich die
wirtschaftlichen Ergebnisse der Betriebe im Wirtschaftsjahr 2014/15
wieder deutlich nach unten bewegten. Die relativ positiven
Buchführungsergebnisse 2013/14 des Agrarberichtes gäben die derzeitige
wirtschaftliche Situation nicht wieder.
Der DBV unterstützt laut Rukwied die agrarpolitischen Zielsetzungen der
Bundesregierung. Verlässliche Rahmenbedingungen, Markt- und
Verbraucherorientierung sowie Wettbewerbsfähigkeit seien Voraussetzungen
für eine bäuerlich-unternehmerische Landwirtschaft, betonte Rukwied.
Eine nachhaltige, ressourcenschonende und effizient wirtschaftende
Landwirtschaft sei aber darauf angewiesen, dass Betriebe sich
weiterentwickeln könnten. Gerade die Forderungen nach mehr Tierwohl
seien ohne Investitionen in neue Ställe nicht umsetzbar.
Rukwied bezeichnete die Abkehr von staatlicher Markt- und
Preisregulierung als „grundsätzlich richtig”. Die Bundesregierung dürfe
aber nicht die Augen vor den Kräfteverhältnissen in der
Lebensmittelkette und der Konzentration von Nachfragemacht verschließen.
Leider ausgespart bleibe im Agrarbericht die Frage, „welche
Rahmenbedingungen Landwirte für eine bessere Wertschöpfung in der
Vermarktung ihrer Erzeugnisse benötigen”.