Scharf kritisiert haben das Hauptstadtbüro Bioenergie (HBB) und der Deutsche Bauernverband (DBV) Überlegungen des Bundeswirtschaftsministeriums zur Abschöpfung von Strommarkterlösen in Deutschland. Erneuerbare Energien wären rückwirkend seit März betroffen.
Eine rückwirkende Abschöpfung der seit März erzielten Strommarkterlöse hält der Deutsche Bauernverband für verfassungswidrig.
Die Überlegungen zur Umsetzung der entsprechenden EU-Verordnung wurden am 19. Oktober bekannt.
Aktuell vorgesehen seien unter anderem anlagenspezifische Kappungsgrenzen auf Basis der bisherigen Vergütungssätze des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sowie eine rückwirkende Abschöpfung der seit März erzielten Strommarkterlöse, berichtete HBB-Leiterin Sandra Rostek. Diese Überlegungen seien „in keinster Weise nachvollziehbar und tragbar”. Sie gefährdeten Existenzen und die Versorgungssicherheit.
Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Bernhard Krüsken, warnte ebenfalls, dass das Konzept zur Abschaltung der Bioenergie führen würde.
Rolle rückwärts für die Energiewende
Das wäre eine Rolle rückwärts für die Energiewende;
ein rückwirkendes Inkasso sei außerdem verfassungswidrig, stellte
Krüsken klar.
Rostek bezog sich in ihrer Kritik konkret auf Pläne,
Steinkohlekraftwerke mit dem Argument gestiegener Kosten von der
Abschöpfung auszunehmen und gleichzeitig bei Bioenergieanlagen eine
Abschöpfung durchzuführen, obwohl sich diese in einer vergleichbaren
Situation befänden. Denn in den zurückliegenden Jahren seien die Kosten
für technische Komponenten und Betriebsstoffe stark gestiegen und
insbesondere seit Beginn des Ukraine-Kriegs sei es zu weiteren starken
Preissteigerungen bei landwirtschaftlichen Rohstoffen und Holz gekommen.
Folgerichtig wären nach Einschätzung von Rostek deshalb ebenfalls eine
Ausnahme von Bioenergieanlagen oder zumindest deutlich höhere Obergrenzen als die
derzeitigen Mindestvergütungen, die ihnen das EEG zusichere.
Der vom Bundeswirtschaftsministerium vorgesehene „Sicherheitspuffer” von
3 Ct/kWh sei viel zu gering, um die aktuellen Kostensteigerungen auch
nur annähernd abdecken zu können.
Den Ansatz, 90 Prozent aller Erlöse abzuschöpfen, die Anlagen durch eine
flexible Fahrweise zusätzlich erzielen können, hält die Leiterin des
Hauptstadtbüros Bioenergie für „völlig kontraproduktiv”. Es seien jene
Preisanreize, die die Verlagerung von Strom- und Wärmeerzeugung auf
Stunden anreizten, in denen sonst Erdgasturbinen betrieben werden
müssten. Jede flexibel eingespeiste Kilowattstunde senke direkt den
Bedarf an fossilen Alternativen und vor allem den Verbrauch von teurem
Erdgas.
„Vertrauensbruch erster Güte”
Schließlich warnte Rostek vor einer rückwirkenden
Abschöpfung von Erlösen ab März 2022. Dies wäre nicht nur ein
„Vertrauensbruch erster Güte”, sondern würde direkt den Anlagenbestand
gefährden. Viele Anlagenbetreiber hätten nämlich die Erlöse bereits
reinvestiert oder zur Deckung gestiegener Betriebs- und
Einsatzstoffkosten ausgegeben. Eine Rückerstattung könnte das Aus einer
Vielzahl von Bioenergieanlagen bedeuten. „Wir hoffen nun auf einen
konstruktiven Dialog, der sowohl die Energiekosten für die Verbraucher
senkt, aber auch gleichzeitig die Versorgungssicherheit mit erneuerbaren
Energien nicht durch eklatante Fehlanreize gefährdet”, so Rostek.
Gegenwind bekamen die Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums auch vom
Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der die gesamte
deutsche Strom- und Energiebranche vertritt. Gegenüber dem
„Tagesspiegel” erklärte Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae, dass vor
allem die rückwirkende Abschöpfung das Vertrauen in den
Investitionsstandort Deutschland „tatsächlich nachhaltig gefährden”
würde.