Politik | 29. November 2018

73 Rudel und 30 Paare

Von AgE
In Deutschland ist die Zahl der bestätigten Wolfsrudel im zurückliegenden Jahr um 13 auf 73 gestiegen. Zeitgleich hat sich demnach auch die Zahl der Wolfspaare in Deutschland deutlich erhöht, und zwar um neun auf landesweit 30. Außerdem sind drei sesshafte Einzelwölfe bestätigt worden.
Wölfe vermehren sich in Deutschland schnell, wie jüngste Erhebungen belegen.
Das geht aus  Erhebungen der Bundesländer hervor, die durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Wolf (DBBW) zusammengeführt wurden.
Regionaler Schwerpunkt der Population ist laut den Monitoringergebnissen weiterhin das Gebiet von der sächsischen Lausitz in nordwestliche Richtung über Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen bis nach Niedersachsen.
Jessel erfreut, NABU entsetzt
Erstmals seit 150 Jahren sei jetzt auch ein Rudel in Bayern bestätigt. Besonders große Wolfsbestände gebe es in Brandenburg, gefolgt von Sachsen und Niedersachsen. BfN-Präsidentin  Beate Jessel freute sich über die Entwicklung der Wolfspopulation in Deutschland. Der Erfolg zeige, dass Arten von einem strengen Schutz profitierten. Zugleich räumte Jessel eine Bedrohung von Weidetieren durch den Wolf ein. Tierhalter müssten beim Schutz ihrer Tiere vor dem Wolf von Bund und Ländern unterstützt werden.
Als ernstzunehmendes Problem wertete Jessel aber auch die illegale Tötung von Wölfen. Durch das Monitoring habe man eine wachsende Zahl von Totfunden von Wölfen nachgewiesen. Nach Verkehrsunfällen sei die illegale Tötung die zweithäufigste Todesursache. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) zeigte sich entsetzt über die illegalen Tötungen von Wölfen.
In Mecklenburg-Vorpommern nahm der Landesbauernverband die Veröffentlichung der jüngsten Zahlen zum Wolfsbestand zum Anlass, die Regierung in Schwerin für ihre Wolfspolitik zu kritisieren. Die Förderung des Herdenschutzes reiche nicht aus. Landwirtschaftsminister Till Backhaus wies die Vorwürfe „entschieden zurück”.
Wie der NABU berichtete, wurden in Deutschland seit  2000 insgesamt 35 Wölfe illegal geschossen. Die Dunkelziffer liege wohl höher. Zusammen mit den Verlusten im Straßenverkehr wirke sich der illegale Abschuss auf die Wolfspopulation aus. Dadurch sei die Erreichung eines guten Erhaltungszustands der Art in weiter Ferne. Forderungen unter anderem von Schäfern nach einer Bejagung von Wölfen wertete der NABU als nicht zielführend. Zur Begründung führte er an, dass Abschussquoten für Wölfe keinem einzigen Weidetier nutzten, solange die Herde nicht möglichst wolfssicher geschützt werde. Bejagung sei kein Herdenschutz.
In Mecklenburg-Vorpommern bezeichnete Minister Backhaus die Nachricht von einer wachsenden Zahl von Wolfsrudeln in dem Bundesland als „Fluch und Segen zugleich”. Artenschutzpolitisch sei sie ein Erfolg. Es komme  darauf an, ein möglichst konfliktarmes Nebeneinander von Mensch und Tier zu gestalten. Auch die Zukunft der Weidetierhaltung liege ihm „am Herzen”, betonte der Minister. Im aktuellen Haushaltsplan habe die Landesregierung der wachsenden Wolfspopulation Rechnung getragen.  Man habe Nutztierhalter-Berater und Wolfsmanager eingestellt sowie eine Schadens-Hotline eingerichtet. Schließlich sei mit dem  „Managementplan für den Wolf in Mecklenburg-Vorpommern” von 2010 eine  Grundlage für den Umgang mit dem Wolf geschaffen worden, berichtete Backhaus. Kritik des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern, es gebe in dem Bundesland kein Wolfsmanagement, wirkten auf ihn daher wie „blanker Hohn”.
Der Landesbauernverband hatte zuvor bemängelt, dass in Mecklenburg-Vorpommern eine „länderübergreifende, praxistaugliche und verlässliche Wolfsverordnung nach brandenburgischem Vorbild” fehle. Diese würde es möglich machen, Problemtiere zu entnehmen, die auf Weidetiere spezialisiert sind.
Finnland an der Obergrenze
Der Umgang mit dem Wolf war in der zurückliegenden Woche auch Thema eines Treffens von Staatssekretär Rainer Beckedorf vom niedersächsischen Landwirtschaftsministerium und dem finnischen Landwirtschaftsminister Jari Lettä. In Finnland hätten die Entschädigungszahlungen mit rund zehn Millionen  Euro pro Jahr inzwischen eine Obergrenze erreicht, erklärte Lettä. Beide Politiker waren sich darüber einig, dass den Mitgliedstaaten und Regionen in der EU mehr Eigenverantwortung beim Umgang mit den Wolfspopulationen eingeräumt werden müsse.
Schäfer wollen mehr Handhabe gegen den Wolf
Besorgt hat sich die Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände (VDL) über die Entwicklung der Wolfspopulation in Deutschland geäußert. Anlass dazu biete nicht nur die auf 73 gestiegene Zahl der Wolfsrudel, teilte die Vereinigung als Reaktion auf eine Verlautbarung des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) mit – siehe oben. Auch die 30 bestätigten Wolfspaare ließen eine erhebliche Populationssteigerung der Wolfsvorkommen in nächster Zukunft befürchten.
Der VDL-Vorsitzende Jürgen Lückhoff rief die Bundesregierung dazu auf, endlich die im Koalitionsvertrag angekündigte Überprüfung vom Schutzstatus des Wolfs von der EU-Kommission einzufordern, um eine notwendige Bestandsreduktion herbeiführen zu können. Unerlässlich sei zudem eine zeitnahe Anpassung des Bundesnaturschutzgesetzes, denn, so Lückhoff, Deutschland habe die durch die Flora-Fauna-Habitat-(FFH-)Richtlinie gegebenen Möglichkeiten bisher nicht ausreichend genutzt.
Der VDL-Vorsitzende appellierte zudem erneut an die Bundesregierung, den Antrag der Schweiz zu unterstützen, das Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wild lebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume (Berner Konvention) zu ändern. Ziel des Antrags sei eine Umstufung des Wolfs von „streng geschützt” in „geschützt”. Damit würden die Möglichkeiten erweitert, um im erforderlichen Fall Entnahmen durchführen zu können.
Positiv wertet Lückhoff die vom Bundestag beschlossene Bereitstellung von rund einer Million Euro für den Herdenschutz von Wanderschäfern. „Die wolfsbedingten Probleme der Schafhalter scheinen in Teilen der Bundesregierung und des Bundestages angekommen zu sein”, so der Verbandsvorsitzende.