Die Landesregierung legt ein „Sonderprogramm zur Stärkung der biologischen Vielfalt” auf. Dafür plant das Land ein Finanzvolumen von rund 30 Millionen Euro und zusätzlich sechs Millionen Euro für begleitende Monitoringmaßnahmen in den Jahren 2018 und 2019 ein.
In das Programm sind das Ministerium für Ländlichen Raum (MLR), das Umweltministerium und das Verkehrsministerium eingebunden.
Bei der Vorstellung des Sonderprogramms am Dienstag im Stuttgarter Landtag betonte Ministerpräsident Winfried Kretschmann, dass Baden-Württemberg besondere Verantwortung zum Erhalt und zur Förderung der Artenvielfalt übernehme. „Wir brauchen die biologische Vielfalt als Lebens-grundlage, sie ist Basis für fruchtbare Böden, für unsere Ernährung, den Wasserhaushalt und das Klima”, meinte Kretschmann. Das Programm sei die Antwort auf das Insektensterben und gebe die Möglichkeit, schnell und zielgerichtet zu agieren, so der Ministerpräsident.
Mehr Blühstreifen, weniger Spritzmittel
Landwirtschaftsminister Peter
Hauk ging auf die konkreten Inhalte des Sonderprogramms ein. Zum
Beispiel solle die Förderung wertvoller Streuobstbestände gestärkt und
eine Förderung für Imker etabliert werden. Weitere Maßnahmen sind die Ausweitung und Verbesserung von Blühstreifen für blütenbesuchende
Insekten sowie eine Strategie zur Reduktion des Einsatzes von
Pflanzenschutzmitteln. Ebenso gehörten der Ausbau der
Biodiversitätsberatung für land- und forstwirtschaftliche Betriebe und
ein Projekt „Blühender Naturpark” gemeinsam mit den Kommunen in den
sieben Naturparken des Landes dazu.
„Kulturlandschaften sind nicht
unberührte Landschaften, sondern tief verwurzelt mit einer nachhaltigen
Land- und Forstwirtschaft, was sich auch positiv auf die Vielseitigkeit
unserer Landschaft auswirkt”, stellte der Minister heraus. Dabei nehme
die Unterstützung der heimischen Land- und Forstwirtschaft eine
Schlüsselposition ein. Baden-Württemberg habe seit rund 40 Jahren
Erfahrung mit Agrarumweltprogrammen, die von den Bauern gut angenommen
würden. Mit dem Sonderprogramm greife man nun bestehende Programme auf,
führe sie zusammen und ergänze sie, erklärte Hauk.
Als positives
Beispiel verwies er auf das seit 2010 bei ForstBW laufende Alt- und
Totholzkonzept, das sich auf den Artenreichtum sehr positiv auswirke und
bundesweit als erfolgreichstes Konzept gelte. Als neuestes Programm zur
Erhaltung der Artenvielfalt erwähnte er das Programm „Lücken für die
Küken” für das Auerhuhn.
„Wir haben in der Vergangenheit auch auf
Kosten der Natur und unserer natürlichen Lebensgrundlagen
gewirtschaftet”, gab Umweltminister Franz Untersteller zu bedenken und
führte weiter aus: „Angefangen beim Insektensterben zeigt der drohende
Verlust der Artenvielfalt bei Tieren und Pflanzen, dass wir das dringend
ändern müssen.” Er bekräftigte, dass es im dicht besiedelten
Baden-Württemberg von entscheidender Bedeutung sei, geschützte
Lebensräume für Tiere und Pflanzen zu schaffen, zu erhalten und wo
möglich zu vernetzen. Wichtige Bausteine im Verantwortungsbereich seines
Ministeriums seien der Erhalt und die Entwicklung von
Natura-2000-Gebieten, Extensivierungsmaßnahmen in der Kulturlandschaft
zur Schaffung von Lebensräumen für bedrohte Arten, der Moorschutz, der
Biotopverbund sowie die Optimierung von Naturschutzgebieten.
Das
Verkehrsministerium will durch sogenanntes Straßenbegleitgrün die
Artenvielfalt erhöhen. Dazu sollen bestimmte Pflanzenmischungen ausgesät
und die Flächen nur zweimal im Jahr gemäht werden.
Aufteilung der Mittel
Von den 30 Millionen Gesamtfinanzvolumen des Sonderprogramms
entfallen jeweils 13,5 Millionen auf das MLR und das Umweltministerium
und rund drei Millionen auf das Verkehrsministerium. Alle Maßnahmen des
Sonderprogramms werden durch ein Monitoring mit einem Volumen von rund
sechs Millionen Euro begleitet, das unter anderem die Erfassung der
Menge und Art der vorkommenden Insekten, aber auch eine landesweite
Fledermauserhebung vorsehe.In einer ersten Stellungnahme warnten
Andreas Glück und Friedrich Bullinger von der FDP-Landtagsfraktion vor
„blindem Aktionismus” und „grün-schwarzer Klientelpolitik”. Selbst
Umweltminister Untersteller habe in einer Landtagsanfrage wörtlich
eingeräumt: „Für das Land Baden-Württemberg liegen keine langfristigen,
systematisch erhobenen Daten vor, die eine Aussage zur Entwicklung der
Insektenarten und Fluginsekten-Biomasse zulassen.” Dagegen begrüßte
Bullinger die geplante Aufstockung des Agrarumweltförderprogramms FAKT
im Grundsatz und sagte: „Es ist unstrittig, dass wir in
Baden-Württemberg den Trend zu ausgeräumten Landschaften stoppen müssen,
wie wir ihn aus Ost- und Norddeutschland kennen. Die Artenvielfalt
braucht strukturreiche Kulturlandschaften mit Hecken, Feldrainen,
Tümpeln und Blühwiesen.” Ein falsches Signal an die Landwirte und
ehrenamtlichen Landschaftspfleger sei es jedoch, wenn Grün-Schwarz im
Doppelhaushalt 2018/2019 einen zusätzlichen zweistelligen
Millionenbetrag für den Aufkauf von Flächen und die Pflege von Biotopen
einstelle.
Die Umweltverbände NABU, BUND und LVN lobten die
Landesregierung, forderten aber klare Ziel für die Reduktion von
Pflanzenschutzmitteln.