Politik | 23. November 2017

30 Millionen Euro zur Stärkung der biologischen Vielfalt

Von Daniel Haupt
Die Landesregierung legt ein „Sonderprogramm zur Stärkung der biologischen Vielfalt” auf. Dafür plant das Land ein Finanzvolumen von rund 30 Millionen Euro und zusätzlich sechs Millionen Euro für begleitende Monitoringmaßnahmen in den Jahren 2018 und 2019 ein.
In das Programm sind das Ministerium für Ländlichen Raum (MLR), das Umweltministerium und das Verkehrsministerium eingebunden.
Bei der Vorstellung des Sonderprogramms am Dienstag  im Stuttgarter Landtag betonte Ministerpräsident Winfried Kretschmann, dass Baden-Württemberg  besondere Verantwortung zum Erhalt und zur Förderung der Artenvielfalt übernehme. „Wir brauchen die biologische Vielfalt als Lebens-grundlage, sie ist Basis für fruchtbare Böden, für unsere Ernährung, den Wasserhaushalt und das Klima”, meinte Kretschmann. Das Programm sei die Antwort auf das Insektensterben und gebe die Möglichkeit, schnell und zielgerichtet zu agieren, so der Ministerpräsident.
Mehr Blühstreifen, weniger Spritzmittel
Landwirtschaftsminister Peter Hauk ging auf die konkreten Inhalte des Sonderprogramms ein. Zum Beispiel solle die Förderung wertvoller Streuobstbestände gestärkt und eine Förderung für Imker etabliert werden. Weitere Maßnahmen sind die  Ausweitung und Verbesserung von Blühstreifen für blütenbesuchende Insekten sowie eine Strategie zur Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Ebenso gehörten der Ausbau der Biodiversitätsberatung für land- und forstwirtschaftliche Betriebe und ein Projekt „Blühender Naturpark” gemeinsam mit den Kommunen in den sieben Naturparken des Landes dazu.
„Kulturlandschaften sind nicht unberührte Landschaften, sondern tief verwurzelt mit einer nachhaltigen Land- und Forstwirtschaft, was sich auch positiv auf die Vielseitigkeit unserer Landschaft auswirkt”, stellte der Minister heraus. Dabei nehme die Unterstützung der heimischen Land- und Forstwirtschaft eine Schlüsselposition ein. Baden-Württemberg habe seit rund 40 Jahren Erfahrung mit Agrarumweltprogrammen, die von den Bauern gut angenommen würden. Mit dem Sonderprogramm greife man nun bestehende Programme auf, führe sie zusammen und ergänze sie, erklärte Hauk.
Als positives Beispiel verwies er auf das seit 2010 bei ForstBW laufende Alt- und Totholzkonzept, das sich auf den Artenreichtum sehr positiv auswirke und bundesweit als erfolgreichstes Konzept gelte. Als neuestes Programm zur Erhaltung der Artenvielfalt erwähnte er das Programm „Lücken für die Küken” für das Auerhuhn.
„Wir haben in der Vergangenheit auch auf Kosten der Natur und unserer natürlichen Lebensgrundlagen gewirtschaftet”, gab Umweltminister Franz Untersteller zu bedenken und führte weiter aus: „Angefangen beim Insektensterben zeigt der drohende Verlust der Artenvielfalt bei Tieren und Pflanzen, dass wir das dringend ändern müssen.” Er bekräftigte, dass es im dicht besiedelten Baden-Württemberg von entscheidender Bedeutung sei, geschützte Lebensräume für Tiere und Pflanzen zu schaffen, zu erhalten und wo möglich zu vernetzen. Wichtige Bausteine im Verantwortungsbereich seines Ministeriums seien der Erhalt und die Entwicklung von Natura-2000-Gebieten, Extensivierungsmaßnahmen in der Kulturlandschaft zur Schaffung von Lebensräumen für bedrohte Arten, der Moorschutz, der Biotopverbund sowie die Optimierung von Naturschutzgebieten. 
Das Verkehrsministerium will durch sogenanntes Straßenbegleitgrün die Artenvielfalt erhöhen. Dazu sollen bestimmte Pflanzenmischungen ausgesät und die Flächen nur zweimal im Jahr gemäht werden.
Aufteilung der Mittel
Von den 30 Millionen Gesamtfinanzvolumen des  Sonderprogramms entfallen jeweils 13,5 Millionen auf das MLR und das Umweltministerium und rund drei Millionen auf das Verkehrsministerium. Alle Maßnahmen des Sonderprogramms werden durch ein Monitoring mit einem Volumen von rund sechs Millionen Euro begleitet, das unter anderem die Erfassung der Menge und Art der vorkommenden Insekten, aber auch eine landesweite Fledermauserhebung vorsehe.In einer ersten Stellungnahme warnten Andreas Glück und Friedrich Bullinger von der FDP-Landtagsfraktion vor „blindem Aktionismus” und „grün-schwarzer Klientelpolitik”. Selbst Umweltminister Untersteller habe in einer Landtagsanfrage wörtlich eingeräumt: „Für das Land Baden-Württemberg liegen keine langfristigen, systematisch erhobenen Daten vor, die eine Aussage zur Entwicklung der Insektenarten und Fluginsekten-Biomasse zulassen.” Dagegen begrüßte Bullinger die geplante Aufstockung des Agrarumweltförderprogramms FAKT im Grundsatz und sagte: „Es ist unstrittig, dass wir in Baden-Württemberg den Trend zu ausgeräumten Landschaften stoppen müssen, wie wir ihn aus Ost- und Norddeutschland kennen. Die Artenvielfalt braucht strukturreiche Kulturlandschaften mit Hecken, Feldrainen, Tümpeln und Blühwiesen.” Ein falsches Signal an die Landwirte und ehrenamtlichen Landschaftspfleger sei es jedoch, wenn Grün-Schwarz im Doppelhaushalt 2018/2019 einen zusätzlichen zweistelligen Millionenbetrag für den Aufkauf von Flächen und die Pflege von Biotopen einstelle.
Die Umweltverbände NABU, BUND und LVN lobten  die Landesregierung, forderten aber klare Ziel für die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln.