Pflanzenbau | 31. Juli 2014

Zwetschgentag bei Kiefer in Ortenberg

Von Klaus Nasilowski, Landratsamt Lörrach
Für die Fachwelt ist er längst eine Institution: Der alle zwei Jahre stattfindende Zwetschgeninformationstag hat sich zur wichtigsten Fachveranstaltung rund um das blaue Steinobst im deutschsprachigen Raum entwickelt.
Ergänzt wurden die Führungen durch eine umfangreiche Sortenschau.
Am 27. Juli hat die Baumschule Kiefer wieder mehrere tausend Besucher aus ganz Süddeutschland und der Schweiz auf das neue Baumschulgelände in Ortenberg gelockt. Neben der Baumschule selbst präsentierten sich das Landratsamt Ortenaukreis, der Obstgroßmarkt Mittelbaden, die Artevos Obstneuheitengruppe und 30 Firmen.
Einmalige Sortenvielfalt präsentiert
Mit Shuttlebussen und zu Fuß konnten die Besucher die Baumschulquartiere, Schaugärten und die Sortensichtungsanlagen „erfahren”. Über 450 verschiedene alte und neue Steinobstsorten waren hier zu sehen –  ein einmaliges Erlebnis. Ergänzt wurden die Führungen durch eine umfangreiche Sortenschau in der Halle der Baumschule.
Die außerordentliche Vielfalt des Sortimentes und die Einführung neuer Sorten sind seit langem die Besonderheit der Ortenberger Baumschule. Der erst vor kurzem verstorbene Firmengründer Josef Kiefer begann eine intensive Zusammenarbeit mit der Universität Hohenheim. Sie wird heute von Baumschul-Inhaber Erich Kiefer fortgeführt.
Für den Zwetschgenzüchter Dr. Walter Hartmann sichtet Kiefer bis heute zahllose  Züchtungsklone unter Praxisbedingungen im größten Zwetschgenanbaugebiet Deutschlands. Heute wird die Arbeit Hartmanns von Dr. Michael Neumüller am Bayerischen Obstbauzentrum Hallbergmoos in Zusammenarbeit mit der Universität Stuttgart-Hohenheim und der Technischen Universität München fortgeführt.
In dem 2 ha großen Versuchsgarten stehen Sorten und Zuchtklone beider Züchter im Vergleich zum Standardsortiment. Sowohl Hartmann als auch Neumüller waren als Fachreferenten auf dem Zwetschgeninformationstag zu hören.
Eine Besonderheit der Baumschule Kiefer ist der angegliederte Obstbaubetrieb. Auf 11 ha betreibt man dort Integrierten Obstbau, auf weiteren 1,2 ha kultiviert der Unternehmer Strauchbeerenobst und Exoten wie Kiwis oder Indianer-Bananen. Die Erfahrungen aus dem eigenen Obstbaubetrieb stärken die Sortenkompetenz und die Akzeptanz im Erwerbsobstbau, so die Firmenphilosophie der Kiefer Obstwelt.
Die Kundschaft von Kiefer setzt sich heute aus Erwerbsobstbauern mit dem Schwerpunkt Steinobst, Gartenbesitzern und Wiederverkäufern zusammen. Eine Besonderheit im badischen Obstbau ist die Vielzahl der Nebenerwerbsbetriebe, die kleine Flächen bewirtschaften und geringe Baumzahlen nachfragen. Diese Kundengruppe benötigt teilweise besondere Sortimente, ausgerichtet auf Direktvermarktung, Brennerei oder Streuobstbau.
Scharkaresistente Steinobstunterlage
chael Neumüller, Bayerisches Obstzentrum Hallbergmoos, die erste praxisreife scharkaresistente Steinobstunterlage.  Die Krankheit befällt Zwetschgen, Pflaumen, Mirabellen und Aprikosen. Die Viruskrankheit wird durch Blattläuse, vegetative Vermehrung und Veredelung übertragen. In Baden-Württemberg ist sie mittlerweile stark verbreitet und hat hier bereits zum Verlust einst gefragter Sorten wie Hauszwetsche oder Fellenberg geführt. Bei starkem Befall leiden auch die heute fast ausschließlich angebauten scharkatoleranten Sorten immer mehr unter der Virose.
Ein Meilenstein der Züchtung war die erste erfolgreiche, scharkaresistente Sorte Jojo von Dr. Walter Hartmann. Die Resistenz beruht aur einer sogenannten Hypersensitivität. Das heißt: Die vom Virus befallenen Zellen sterben sofort ab, so dass sich das Virus in der Pflanze nicht ausbreiten kann. Als weitere scharkaresistente Sorten aus dieser Züchtung folgten Freya und Jofela.
Um die Verbreitung des Scharka-Virus durch die Unterlagen zu verhindern, führten Michael Neumüller und Felicitas Dittrich die Resistenzzüchtung der Universität Hohenheim weiter und erweiterten sie auf Prunus-Unterlagen. Vor allem resistente Eierpflaumen (Prunus myrobalana) und Schlehen (Prunus spinosa) wurden mit Kultursorten gekreuzt. Die Ergebnisse sind die mittel- bis starkwachsende Docera-Serie und die schwachwachsende Dospina-Serie.
Nach jahrelangen Praxistests in verschiedenen Regionen hat die Docera 6 als erste scharkaresistente Unterlage Praxisreife erlangt. Sie wird zurzeit in ei-
ner holländischen Unterlagen-Baumschule vermehrt. Die deutschen Obstbaumschulen Kiefer, Ganter, Gräb und andere veredeln bereits Zwetschgen in größeren Stückzahlen auf Docera 6. Sie  hat – so Neumüller – die Wuchsstärke der heute üblichen Wangenheim-Unterlagen. Sie ist für die Veredelung von Pflaumen, Zwetschgen, Myrobalanen, Mirabellen und Aprikosen geeignet. Eine Anfälligkeit gegen das Bakterium Pseudomonas wurde bislang nicht festgestellt.
Grundsätzlich können alle nicht-scharkaresistenten Sorten auf Docera 6 veredelt werden. Neumüller empfiehlt diese Kombination aber nur für Gebiete, die von der Scharka-Krankheit nicht stark betroffen sind. In Scharka-Gebieten sollten lieber weiterhin nicht-resistente Sorten auf nicht-resistenten Unterlagen gepflanzt werden. Sharkaresistente Sorten wie Jojo oder Jofela sollten in diesen Gebieten hingegen nur noch auf Docera 6 veredelt angezogen und verwendet werden.
Neue Zwetschgen von Dr. Hartmann
Immer noch gelangen neue Zwetschgen-, Pflaumen- und Mirabellensorten aus der Züchtung von Dr. Walter Hartmann in die obstbauliche Praxis. Die neuen Zwetschgensorten Juna, Azura, Hanka, Haroma und Jofela  sind in der Fachwelt bereits bekannt und bei Kiefer und anderen Baumschulen zu haben.
Juna gilt als früheste aromatische Zwetschge mit Backqualität und reift mit der Frühsorte Hermann. Die mittelgroße Hanka zählt zu den mittelfrühen Sorten und hat sich bereits als Qualitätssorte der badischen Obstmärkte etabliert.
„Schön und zuckersüß” beschreibt Artevos die neue Sorte Azura. Sie reift mittelspät und ist sowohl als Tafel- als auch als Back- und Brennfrucht geeignet. Mit der robusten Spätsorte Haroma gibt es eine scharkatolerante Antwort auf die aromatische Hauszwetsche in Süddeutschland.
 Jofela ist wie Jojo resistent gegen die Scharkakrankheit. Die länglichen Früchte sind süß, aromatisch, stabil und reifen ebenfalls spät. Diese neuen Sorten werden bei Artevos genau beschrieben und sind in guten Baumschulen bereits erhältlich. Lediglich die Pflanzung von Hanka ist den Anlieferern der badischen Großmärkte vorbehalten und zurzeit nicht frei zugänglich.
Weitere Sorten aus der Züchtung von Dr. Hartmann und Dr. Neumüller werden in Zukunft auf den Markt kommen. Darunter sind die sehr großfrüchtige, scharkaresistente Joganta, die mittelspät reifende Jolina und die großfrüchtige, aber auch qualitativ hochwertige Mirabelle Miroma. Mit Emmi startet man einen neuen Versuch, eine gelbe Zwetschge auf dem Obstmarkt zu etablieren.
Aus der Fusion der Artus-Gruppe mit der Obstneuheiten Gesellschaft Gevo ist die Artevos hervorgegangen. Gesellschafter sind eine Gruppe innovativer Baumschulen, darunter die badischen Baumschulen Kiefer, Ganter, Kimmig, Jäger und Schneider sowie die Gesellschaft zur Förderung des badischen Gartenbaues.
Die Gruppe hält die Vermehrungsrechte von vielen Neuzüchtungen aller Obstarten. Sie macht die neuen Sorten auf Messen, Veranstaltungen und durch Publikationen bekannt. Eine Übersicht ist unter www.artevos.de einsehbar.
100 Jahre Obstvermarktung Ortenberg
Von links: Zwetschgenkönigin Alina Schubricht, Andrea Ganter vom Landratsamt Ortenaukreis, Baumschulinhaber Erich und Karin Kiefer.
Mit nostalgischen Objekten, Bildern und Kurzvorträgen wurde auf dem Zwetschgeninformationstag an die Geschichte der Steinobstregion gedacht. Die OGM-Anbauberater Susanne Früh und Markus Litterst informierten zum Zwetschgenanbau. Bereits im Jahr 1914 hatte die mittelbadische Gemeinde Ortenberg den Obstmarkt Ortenberg ins Leben gerufen. Zunächst wurde das Obst auf dem Marktplatz an Händler, Verarbeiter und Privatleute verkauft, später in einer zu diesem Zweck gebauten Markhalle. Seit 1946 wurde der Absatz professionalisiert und überregional ausgerichtet. Die  Obst- und Gemüse-Absatzgenossenschaft Ortenberg wurde für die Region gegründet. Diese fusionierte im Jahr 1996 mit den Märkten Oberkirch, Bühl und Achern zum heutigen Obstgroßmarkt Mittelbaden eG. Von Lahr über das Kinzigtal bis Durbach produzieren heute rund 140 Anlieferer durchschnittlich 1300 Tonnen Obst im Jahr für den OGM.
Die Bühler Zwetschgenkönigin Alina Schubring und die gesamten Belegschaften von Kiefer und dem Obstmarkt präsentierten sich ganz in Zwetschgenblau. Damit warben sie nicht nur für die blauen Früchte an sich, sondern auch für die Marke Zwetty. Unter dieser Premium- Marke werden im Einzelhandel großfrüchtige und vollreife Zwetschgen in guter Qualität angeboten.