Pflanzenbau | 22. Februar 2018

Winterraps: 140 kg N/ha sind meistens genug

Von Dr. Sebastian Messerschmid
Stickstoffdüngung und Verticillium als bisher wenig erforschte Pilzkrankheit waren Raps-Themen, die auf einer Veranstaltung des Rapool-Rings im nordbadisch-fränkischen Tauberbischofsheim-Distelhausen im Vordergrund standen.
Die Anzahl der Körner pro Schote beeinflusst den Rapsertrag wesentlich.
„Der Stickstoffdünger ist der größte Ausgabeposten im Düngebereich. Daher ist es schon im Interesse des Landwirts, nicht zu viel davon zu auszubringen.” Das sagte Dr. Andreas Stahl vom Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Gießener Justus-Liebig-Universität. Als weitere Argumente für eine zurückhaltende N-Düngung führt der Experte eine Verminderung des Nitrateintrags in Gewässer und gasförmiger Stickoxid- und Ammoniakverluste ins Feld. Es gelte das schon lange bekannte Gesetz des abnehmenden Grenzertrags: Mit zunehmenden Düngergaben wird der zusätzliche Ertragsanstieg je Nährstoffeinheit immer kleiner. Eine ausreichende Stickstoffdüngung sei aber grundsätzlich notwendig, weil
  • das Element ein essenzieller Baustein von Proteinen sei,
  • unter dem gegebenen wirtschaftlichen Druck hohe Erträge erzielt werden müssten,
  • die Nachfrage nach Agrarrohstoffen entsprechend große Mengen erforderlich macht und
  • der durch das Erntegut abgeführte Stickstoff dem Boden zurückgegeben werden müsse.
Effizienz entscheidet
Es spricht also alles dafür, Kulturpflanzen zwar einerseits ausreichend mit Stickstoff – und anderen Nährstoffen – zu versorgen, andererseits aber eine Überdüngung zu vermeiden. Erstrebenswert sei also eine möglichst effiziente N-Zufuhr. Stahl definiert die N-Effizienz als Quotienten von Kornertrag und gedüngter Stickstoffmenge. Der Gießener Fachmann hat eine Trendwende bei der N-Düngung seit den 80er-Jahren ausgemacht. Bis damals ermöglichte in Deutschland ein vergleichsweise hoher Input höhere Erträge über alle Produktionsverfahren und Kulturen hinweg als heute.
Seitdem sind die Erträge zwar weiter angestiegen; die Stickstoffdüngung ist aber seit rund 25 Jahren gesunken. Etwa ab 1988/1989 konnte die Effizienz also beträchtlich angehoben werden. Um den Einfluss des Züchtungsfortschritts auf dieses Phänomen abschätzen zu können, legten Mitarbeiter des
Gießener Instituts Versuche mit Rapssorten mit Düngungsniveaus von 120 und 220 kg/ha an. Die Nmin-Werte wurden in der Berechnung berücksichtigt. Zusammengefasst ergab sich Folgendes:
  • Neuere Rapssorten ermöglichen bei gleichem Düngungsniveau höhere Ernten als ältere,
  • mit Hybriden erzielt man höhere Erträge als mit Liniensorten und
  • häufig unterscheiden sich die Erträge aus den unterschiedlich hohen N-Düngungs-Stufen nur wenig.
Bei anderen Versuchen stellte sich heraus, dass das Ertragsmaximum nicht selten bereits bei 140 kg N/ha erreicht war.
Außerdem ermittelten Gießener Forscher, dass der Kornertrag besonders stark abhängt von der Anzahl der Körner pro Schote. In diesem Punkt sind neuere Sorten älteren überlegen, unabhängig davon, ob es sich um Hybriden oder Liniensorten handelt. „Das Tausendkorngewicht ist dagegen in den vergangenen 25 Jahren nahezu gleich geblieben”, resümiert Stahl.
In vielen Fällen lässt sich somit nach den von Stahl vorgestellten Ergebnissen die N-Düngung auf Praxisschlägen reduzieren, ohne dass es zu Ertragseinbußen kommen muss. „Ein weiterer Effekt einer herabgesetzten N-Düngung ist der erheblich höhere Ölgehalt solcher Rapssamen”, gab Stahl zu bedenken. „Starten Sie aber bitte keine Hauruckaktion bei der Reduktion der Stickstoffdüngung bei Raps. Eine derartige Maßnahme sollte nur schrittweise erfolgen.” Auf Nachfrage eines Zuhörers erläuterte der Referent, dass man die Düngungsversuche nicht ausschließlich auf guten Böden durchgeführt habe. „Die Qualität der Versuchsstandorte schwankte zwischen 40 und 80 Bodenpunkten”, sagte er. 
Neues zu Verticillium
Verticillium ist eine Pilzkrankheit des Rapses, die erst sechs bis acht Wochen vor dessen Abreife sichtbar wird. Und zwar durch leicht gestreifte Stängel, wie Professor Andreas von Tiedemann von der Universität Göttingen betont. Er hat daher für die noch heute meist als „Rapswelke” bezeichnete Krankheit den Begriff „Stängelsteifigkeit” geprägt. „Zwar werden die Rapswurzeln besiedelt”, erklärte von Tiedemann, „aber die Pflanze wehrt sich, indem sie die Wände des Wurzelxylems verstärkt, sodass der Pilz zunächst nicht ,ausbrechen‘  kann.” Eine durch den Pilz verursachte Welke trete in der Regel nicht auf. „Daher ist der alte Verticillium-Name ,Rapswelke‘ falsch.” Die Stängelstreifigkeit verursache zwar unter Versuchsbedingungen unter Umständen signifikante Ertragsverluste von bis zu 15 Prozent. Aber in Praxisschlägen messbare Ertragseinbußen entstünden erst, wenn mindestens 60 Prozent des Bestandes befallen seien, so von Tiedemann. Die Arbeitsgruppe des Experten hat herausgefunden, dass sich der Pilz im Freiland erst nach der Blüte stärker in der Pflanze ausbreitet. „In Gewächshausversuchen ist das anders”, berichtete er. „Das hängt mit den dort auch in kühleren Jahreszeiten warmen Bodentemperaturen zusammen. Deshalb führen warme Winter auch im Freiland zu einem stärkeren Verticillium-Befall.” Außerdem seien Frühsaaten stärker gefährdet, und die Kohlfliege spiele als Wegbereiter der Krankheit durch den Wurzelfraß der Larven eine gewisse Rolle.
Besonders interessant ist die Erkenntnis von Tiedemanns, dass die bisher in dieser Hinsicht als völlig unproblematisch angesehene Zwischenfrucht Phacelia eine gewisse Rolle für die Verbreitung von Verticillium zu spielen scheint. „Es ist denkbar, dass Phacelia eine ,Überhälterpflanze‘ ist, das heißt ein Reservoir für diese Krankheit darstellt”, erläuterte er. Auch Ackersenf oder Ölrettich sind Vermehrungswirte für Verticillium. Als Kreuzblütler haben diese Zwischenfrüchte aber in Rapsfruchtfolgen ohnehin nichts zu suchen.
Fungizide sind gegen Verticillium praktisch wirkungslos. „Theoretisch haben sie zwar eine recht gute Wirkung; aber weil sie nicht ausreichend ins Xylem transportiert werden, ist der Bekämpfungserfolg unzureichend”, weiß der Experte. Gegen den Pilz ist der Anbau resistenter Sorten das Mittel der Wahl. „Bei der Stängelstreifigkeit beruht die Resistenz auf mehreren Genen”, betont von Tiedemann. „Daher ist sie nicht so leicht zu durchbrechen wie etwa bei der Kohlhernie.” Auch bei resistenten Rapspflanzen gehe der Pilz in die Wurzel. Bei ihnen werde aber über die gesamte Vegetationsperiode die Ausbreitung in den Spross verhindert. Eine gute Nachricht zum Schluss: Im Freiland ist der Pilz durch das Saatgut nicht übertragbar. Auch bei Pflanzen mit hohem Befall hat man den Erreger aus dem Rapssamen nicht isolieren können.