Tierhaltung | 25. Juni 2015

Wenn das Sommerekzem die Schafe plagt ...

Von Dr. Holger Axt, Schafherdengesundheitsdienst der TSK Baden-Württemberg
In den letzten Jahren häufen sich Berichte über hochgradige entzündliche Hautveränderungen bei Schafen, die vor allem im Bereich des Kopfes, mitunter auch an anderen wenig bewollten Körperregionen wie Euter, Bauch oder Schwanzwurzel auftreten. Inzwischen hat man die Ursache ermittelt.
Grundsätzlich kommen für derartige Krankheitsbilder viele verschiedene Ursachen in Betracht, in der Medizin spricht man von „Differentialdiagnosen”. Es muss zum Beispiel  an  Infektionskrankheiten gedacht werden, an Milbenbefall oder an eine Sensibilisierung gegen Sonnenlicht, die etwa durch Aufnahme von Johanniskraut oder Leberschäden  (Vergiftungen, Stoffwechselbelastungen, Arzneimittel) bedingt sein kann.
Allergische Reaktion auf stechende Insekten
Leichte Form des Sommerekzems, Besserung nach Aufstallung
In mehreren veterinärmedizinischen Untersuchungseinrichtungen wurde der Krankheit nun auf den Grund gegangen. Es wurden Blutproben, Hautgeschabsel und Tupferproben untersucht  und die Umstände des Auftretens der Erkrankung dokumentiert.
So hat sich durch Ausschluss der verschiedenen Differentialdiagnosen gezeigt, dass die bei weitem häufigste Ursache der Hautentzündungen eine allergische Reaktion auf stechende Insekten wie Gnitzen oder Kribelmücken ist. Eine Reihe von Tatsachen stützt diese Annahme:
  • Die Entzündungserscheinungen treten praktisch ausschließlich an schwach bewollten oder nackten Hautpartien auf, wo Insekten stechen können.
  • Die Erkrankungen treten überwiegend im Spätsommer und Herbst auf, also der Zeit des stärksten Insektenvorkommens.
  • In Feuchtgebieten oder in der Nähe von Wasserläufen und stehenden Gewässern, wo Insekten ihre Brutstätten haben, kommt die Krankheit  wesentlich öfter vor als in windigen Tälern oder Höhenlagen, wo es deutlich weniger Insekten gibt.  
  • Sehr oft findet man bei betroffenen Schafen eine Erhöhung eosinophiler Granulozyten im Blut und den entzündeten Hautbereichen. Diese Zellen sind eine Fraktion der weißen Blutkörperchen, deren Zunahme sich vor allem bei Kontakt mit Parasiten und allergischen Reaktionen zeigt.
  • In Beständen, die besonders stark von der durch stechende Insekten übertragenen  Blauzungenkrankheit betroffen waren, tritt auch das Sommerekzem vermehrt auf.
  • Nach Aufstallung klingen die Symptome meist langsam ab.
Die Krankheit bleibt praktisch immer auf einzelne Tiere der Herde beschränkt, ältere Schafe scheinen öfter als Jungschafe vom Sommerekzem betroffen zu sein, was man sich mit dem wiederholten Allergenkontakt über die Jahre erklärt.
Es beginnt mit einem starken Juckreiz
Hochgradige, exsudative Form des Sommerekzems mit bakterieller Sekundärinfektion und Störungen des Allgemeinbefindens
Die Erkrankung beginnt mit starkem Juckreiz und einer Hautrötung, entzündliche Gewebeflüssigkeit tritt aus und trocknet ein, was zu Krustenbildung führt. Der Juckreiz veranlasst die Tiere, sich zu kratzen und zu scheuern, woduch tiefere Hautverletzungen entstehen können, die sich nicht selten bakteriell infizieren. Durch die Allergenbelastung und infizierte Hautentzündungen kann es in komplizierten  Fällen zu Allgemeinsymptomen wie Fressunlust, Apathie und Depression kommen.
Die einzige ursächliche Behandlungsmöglichkeit besteht in der Reduktion des Mückenbefalls, was am besten durch das Aufstallen der betroffenen Tiere  erreicht wird. Mückenabwehrende Aufgussarzneimittel führen zwar zu einer Reduktion des Befalls, reichen aber meist bei stark allergischen Schafen zur Prophylaxe nicht aus. Abdeckende Salben (z. B. Zink-Lebertran) können – dick aufgetragen – an betroffenen Körperregionen Linderung verschaffen. Zur symptomatischen Behandlung eignet sich am besten die Injektion von Kortikosteroiden, auch nichtsteroidale Entzündungshemmer wirken. Bei infizierten Wunden kann auch eine zusätzliche antibiotische Behandlung angezeigt sein.    
Anfällige Tiere von der Zucht ausschließen
Das Sommerekzem ist beim Pferd mit sehr ähnlichem Krankheitsbild schon lange bekannt, auch hier sind Stechmücken die Ursache. Beim Pferd gilt als gesichert, dass erkrankte Tiere die Allergie an ihre Nachkommen durch Vererbung weitergeben können. Auch beim Schaf ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die Krankheitsanfälligkeit vererbt, weshalb betroffene Schafe von der Zucht ausgeschlossen werden sollten.