Land und Leute | 17. Dezember 2015

Weihnachten fängt schon früher an

Von Sylvia Pabst
Nur noch wenige Tage bis Heiligabend. Weihnachten steht vor der Tür, für viele ein Fest der Familie. Doch manche sehen den Feiertagen mit gemischten Gefühlen entgegen. Nicht immer verläuft das Miteinander so harmonisch wie gehofft.
Gelungene Absprachen führen zu einem entspannten Fest.
Es kann so schön sein an Weihnachten. Endlich trifft sich die Familie, treffen sich Großeltern, Eltern, Kinder, Schwiegerkinder, Enkelinnen und Enkel mal wieder. Gemeinsam geht es in die Kirche. Das Essen ist lecker, ein paar Familienmitglieder packen ihre Instrumente aus und musizieren für die anderen, alle zusammen stimmen Weihnachtslieder an, es wird erzählt, was das Jahr über so war, die gerade Erwachsenen berichten von ihrem jüngsten Auslandsaufenthalt, ein Grüppchen widmet sich dem Kartenspiel, die Stimmung ist prima. Wunderbar. In vielen Familien ist das wirklich so, ob es die Mehrheit oder eine Minderheit ist, lässt sich nicht sicher sagen.
Sicher ist aber, dass für manche Menschen Weihnachten schlicht Stress und Ärger bedeutet. Schon im Vorfeld hat der eine oder die andere Magengrummeln, weil wie  in den Vorjahren der Familienfrieden an den Feiertagen in Gefahr ist. Dem Schwiegersohn sind die festgelegten Rituale bei den Eltern seiner Frau ein Graus, bei der älteren Schwester und ihrem Mann kriselt es eh ständig, die Enkelin, deren Berufswahl dem Großvater nicht passt, hat keine Lust auf weitere Nörgeleien und die ständigen Anklagen der Geschwister gegenüber dem Bruder, er kümmere sich zu wenig um die Eltern, nerven einfach nur. Wenn dann noch Grundsatzdiskussionen aufkommen oder Sticheleien bei schwelenden Problemen erfolgen, kann die Stimmung ganz schnell umschlagen – vorbei die Harmonie. Fest der Liebe – Fehlanzeige!

 Doch was lässt sich tun, damit dieses Jahr Weihnachten friedvoll verläuft? „Einen Non-plus-Ultra-Rat haben wir nicht, dann wären wir ja auch überflüssig”, sagt Helmut Ellensohn, Leiter der Telefonseelsorge Freiburg. Und doch versucht er jetzt im Vorfeld der Feiertage Hilfestellungen zu geben. Zwar sind es  nur noch wenige Tage bis zum Fest, doch die können durchaus genutzt werden: „Es ist wichtig, sich im Vorfeld abzusprechen, Grenzen abzustecken und sich zu überlegen, was für einen persönlich machbar ist”, sagt er. Manchmal helfe es, wenn die Familie eben nur begrenzt Zeit miteinander verbringt, statt sich über Tage gegenseitig zu nerven. Ganz wichtig sei es, sich der eigenen Erwartungen bewusst zu werden. „Dafür muss man bereit sein, über sich selbst realistisch nachzudenken”, betont Ellensohn. Erst, wenn man weiß, was man an den Feiertagen will und was einen eher stört, kann man dies auch gegenüber den anderen formulieren und gemeinsam Kompromisse finden. Vielleicht wird vereinbart, ein Thema, das immer wieder für Verstimmung sorgt, am Fest einfach mal ruhen zu lassen. Vielleicht wird dann Weihnachten mal anders, vielleicht auch kürzer und dadurch vielleicht auch friedvoller. Weihnachten muss nicht so sein wie immer, vielleicht lassen sich ewig festgefahrene Rollen und traditionelle Abläufe einfach mal verändern.
Das Idealbild von Weihnachten als Fest der Nächstenliebe, unendlicher Harmonie und Glückseligkeit versucht Ellensohn mit einem Vergleich zurechtzurücken: „Die Weihnachtsbotschaft macht deutlich: Jesu Geburt fand auch nicht in einem perfekten 5-Sterne-Hotel statt, sondern in einem Stall. Das waren keine Idealbedingungen”, gibt er zu bedenken. „Das Leben ist eben nicht immer ideal, deswegen müssen wir schauen, was geht und wer in welcher Weise was dazu beitragen kann.”  In diesem Sinne fängt Weihnachten also schon früher an. Wer diese Überlegungen scheut, läuft Gefahr, sich und anderen das Fest zu vermasseln: „Wie ein Engel an Weihnachten jubilieren, gleichzeitig aber die Faust in der Tasche zu haben, das funktioniert einfach nicht”, ist sich der Seelsorger sicher.