Pflanzenbau | 06. April 2017

Wachstumsregler nicht auf gut Glück spritzen

Von Dr. Friedrich Merz, Regierungspräsidium Stuttgart
Die Getreidebestände zeigen sich nach dem Winter sehr unterschiedlich. Bei geringer Pflanzendichte ist zu prüfen, ob der frühe Einsatz eines CCC-Mittels erforderlich ist. In dichten, gut entwickelten Beständen sind im Stadium Schossen Trinexapac-Mittel oder Medax Top die erste Wahl.
Wachstumsregler helfen, Lagergetreide zu vermeiden.
Die Standfestigkeit des Getreides wird hauptsächlich durch die Länge und Dicke seines Halmes beeinflusst. Die Wachstumsregler greifen folgendermaßen in die Entwicklungsprozesse der Getreidepflanze ein.
Steckbrief der Mittel
  • Die CCC-Mittel (Chlormequat) hemmen früh die für das Längenwachstum verantwortlichen Pflanzenhormone (Gibberelline) und verkürzen dadurch hauptsächlich die Halmlänge. Sie verstärken aber auch die Halmwand. Das Wachstum des Haupttriebes wird gehemmt und das der Nebentriebe gefördert. Dadurch sehen mit CCC-Mitteln behandelte Bestände einheitlich aus. Für eine gute Wirkung brauchen diese Mittel bei Sonnenschein Mindesttemperaturen von 6 bis 8 °C, bei bedecktem Himmel von 10 °C.
  • Die Trinexapac-Mittel Calma, Countdown, Moddus, Moddus Start, Moxa, Flexa und Moxa 250 hemmen die Pflanzenhormone später. Sie verkürzen die Abschnitte zwischen den Knoten, die sich gerade im Wachstum befinden. Zudem verstärken sie die Wand des Getreidehalmes. Sie wirken gleichmäßig auf Haupt- und Nebentriebe. Behandelte Bestände sind ungleichmäßig und sehen fast wie unbehandelte aus. Für eine gute Wirkung sind sonniges Wetter und Temperaturen von mindestens 12 °C erforderlich.
  • Moddus Start bietet sich vor allem für den frühen Einsatz bis Ende der Bestockung als Alternative zu CCC-Mitteln an, insbesondere in dichten Weizenbeständen. Eine Förderung der Seitentriebbildung würde sich unter diesen Umständen negativ auf den Ertrag auswirken.
  • Das Mittel Medax Top enthält zwei Wirkstoffe. Mepiquat-Chlorid wirkt ähnlich wie das Chlormequat früh auf die Pflanzenhormone, verkürzt die Länge und verstärkt die Wand des Halmes. Der Haupttrieb wird gehemmt und die Nebentriebe gefördert. Die Ansprüche an die Witterung sind mit denen von CCC-Mitteln vergleichbar. Der zweite Wirkstoff, Prohexadion-Calcium, hat eine ähnliche Wirkungsweise wie der Wirkstoff Trinexapac. Er hemmt später, verkürzt die Länge und verstärkt die Wand der Halme. Er wirkt gleichmäßig auf Haupt- und Nebentriebe. Er benötigt Mindesttemperaturen von 12 °C für eine gute Wirkung.
  • In Prodax, einem neuen Mittel von BASF, sind die Wirkstoffe Prohexadion-Calcium und Trinexapac kombiniert. Die Wirkstoffe verkürzen über einen längeren Zeitraum den Halm und erhöhen auch die Dicke der Halmwand. Das Mittel hat in Winter- und Sommergetreide ein breites Anwendungsfenster.
  • Die Ethephon-Mittel Camposan Extra, Cerone 660 und Orlicht wirken über das Pflanzenhormon Ethylen. Es verkürzt die Halmlänge. Die Halmwand wird nicht beeinflusst. Es reduziert auch das bei der Gerste gefürchtete Ährenknicken. Von allen Wachstumsreglern hat es die höchsten Temperaturansprüche von mindestens 14 °C und benötigt wüchsiges Wetter für eine sichere Wirkung. Orlicht ist nur in Wintergerste mit maximal 1 l/ha in 200 bis 400 l Wasser/ha zugelassen.
  • Das Mittel Bogota Ge enthält die Wirkstoffe Chlormequat und Ethephon. Die Kombination der beiden Wirkstoffe verkürzt und verfestigt den Halm.
Aufwandmenge präzise ermitteln
Für die Bemessung des erforderlichen Aufwandes von Wachstumsreglern müssen viele Faktoren berücksichtigt werden.
Keine Anwendung oder eine Anwendung mit geringerer Aufwandmenge ist empfehlenswert
auf leichten Böden,
bei spätem Aussaattermin,
bei einer standfesten Sorte,
bei einem späten Vegetationsbeginn,
bei trockenem Wetter (unsichere Wasserversorgung),
bei niedriger Stickstoffversorgung,
bei geringer Bestandesdichte,
bei hohen Temperaturen und hoher Sonneneinstrahlung und
bei allgemein geringer Lagergefahr.

Anwendungen von Wachstumsreglern mit höherer Aufwandmenge sind angezeigt auf
schweren Böden,
bei frühem Aussaattermin,
in einer weniger standfesten Sorte,
bei frühem Vegetationsbeginn,
bei hoher Stickstoffversorgung (Gülledüngung),
bei hoher Bestandesdichte,
bei niedrigen Temperaturen und schwacher Sonneneinstrahlung sowie
bei einer hohen Lagergefahr durch Witterungsereignisse, wie beispielsweise Starkregen.

Die Anwendungsgebiete und die empfohlenen Aufwandmengen der verschiedenen Wachstumsregler sind im Merkblatt „Integrierter Pflanzenschutz 2017” in Tabelle 10 auf Seite 18 aufgelistet. Es war in der BBZ-Ausgabe 1-2017 beigeheftet, liegt in Landwirtschaftsämtern aus und kann im Internet heruntergeladen werden unter www.ltz-
bw.de > Service > Schriftenreihen > Integrierter Pflanzenschutz > Ackerbau und Grünland. 
Früh ist nie verkehrt
Grundsätzlich sollte bei der Anwendung von Wachstumsreglern beachtet werden, dass eine gute Standfestigkeit erreicht wird, wenn im unteren Teil des Halmes die Abschnitte zwischen den Knoten verkürzt werden. Dies wird durch einen möglichst frühzeitigen Einsatz der entsprechenden Mittel erreicht. Ein verspäteter Einsatz bewirkt eine Verkürzung im oberen Teil des Halmes mit der nicht erwünschten Folge, dass die Ähren nur wenig über das Fahnenblatt hinausragen. Unter solchen Bedingungen trocknen sie schlechter ab und werden anfälliger für Krankheitsbefall.
CCC-Mittel kürzen im Vergleich zur Kontrolle die Halme am geringsten ein. Eine Kombination mit Moddus wirkt da schon besser. Diese beiden Komponenten sind beispielsweise auch im Stabilan-Comfort-Pack erhältlich. Die stärksten Kürzungen erzielen Medax Top + Turbo. In Tankmischungen mit Azolfungiziden kann die Aufwandmenge reduziert werden. Dies gilt auch für Behandlungen der Wintergerste.
In Sommergetreide ist nur bei sehr hoher Lagerneigung eine Behandlung mit Wachstumsreglern zu empfehlen. Höhere Lagergefahr besteht in Hafer. In dieser Getreideart können zum Beispiel CCC-Mittel, Moddus, Countdown, Flexa, Moxa 250 oder Medax Top während des Schossens gespritzt werden.
Vorsicht ist geboten bei Tankmischungen von Wachstumsreglern mit Azolfungiziden oder Herbiziden, wie beispielsweise Wuchsstoffen. Dazu sind die Empfehlungen der Herstellerfirmen in der Gebrauchsanleitung zu beachten.
Mit Medax Top behandeltes Stroh darf nicht für Kultursubstrate, unter anderem im Gartenbau, verwendet werden – Auflage VV835. 
Zusammenfassung
Beim Einsatz von Wachstumsreglern sind Fingerspitzengefühl und langjährige Erfahrung mit der Getreideart am jeweiligen Standort gefragt. In Winterroggen ist meist eine Maßnahme erforderlich. In der Reihe folgen Wintergerste und Triticale. Die meisten Winterweizensorten sind sehr standfest und haben den geringsten Bedarf.
Es sollten nur die Mittelmengen eingesetzt werden, die unbedingt erforderlich sind. Besonders in Trockenjahren, und 2017 hat sich bisher als solches gezeigt, müssen Wachstumsregler mit großer Vorsicht eingesetzt werden. In feuchten Jahren ist ihre Anwendung mit weniger nachteiligen Auswirkungen verbunden. Wachstumsregler nicht bei Nachtfrostgefahr ausbringen.
Vorsicht ist insbesondere bei Tankmischungen mit Azolfungiziden geboten. In diesen Tankmischungen sollten die sorten- und standortspezifischen Aufwandmengen der Wachstumsregler, auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, verringert werden. Insbesondere zu Tankmischungen, aber auch insgesamt zum Einsatz von Wachstumsreglern sind die Hinweise und örtlichen Empfehlungen der Hersteller zu beachten.