Tierhaltung | 14. Juni 2017

USA: Schlauchlüftung auch für Warteräume

Von Benedikt Rodens, Rückweiler
Warteräume gehören in puncto Hitzestress zu den sensibelsten Bereichen eines Milchviehbetriebes. Hier wird in den USA derzeit verstärkt die aus den Kälberställen bekannte Schlauchlüftung eingebaut.
Um die Kühe in Vorwartehöfen abzukühlen, nutzen amerikanische Milchviehhalter bislang vornehmlich in Reihe geschaltete Ventilatoren, oft zusätzlich in Verbindung mit  Wasserduschen.  Neuerdings kommen als Alternative aber auch Lüftungsschläuche zur Verwendung, die zunächst für den Einsatz in Kälberställen entwickelt wurden.  
Ventilatoren reichen oft nicht aus
Bei der Double S Dairy wurden die Lüftungsschläuche längs über den Wartebereich verlegt.
„Unser Warteraum war einfach ein Alptraum”, erinnert sich Butch Guenther, Herdenmanager der Double S Dairy nahe Markesan, Wisconsin. „Genau im vorderen Bereich hin zum Melkstand, dort wo die Kühe am engsten beieinanderstehen, hatten wir beidseitig neben dem Warteraum Räumlichkeiten wie Büro und Melktechnikräume. Eine natürliche Seitenlüftung war unmöglich. Gerade an heißen Tagen war dieser Bereich kaum abzukühlen. Natürlich hatten wir gerade dort mehrere Ventilatoren in Reihe geschaltet, doch irgendwie schien das keine Lösung zu sein. Die Luft wurde nur umgewälzt und die Kühe litten augenscheinlich unter Hitzestress”, berichtet er weiter.
Professor Dr. Ken Nordlund von der Universität Wisconsin-Madison kennt diese Situation. „Vorwartehöfe gehören zu den Bereichen eines Milchviehbetriebes, wo der Stresspegel von Kühen ansteigt. Sie stehen dort dicht an dicht gedrängt, das alleine lässt das Stressniveau gerade rangniederer Tiere anschwellen. Wenn die Kühe dann auch noch in einer Hitzeglocke stehen, verschlimmert sich die Situation zusehends”, so der Milchviehexperte. Traditionell versucht man daher, die Kühe mit in Reihe geschalteten Ventilatoren in Kombination mit Wasserduschen zu kühlen. „Das gelingt in der Regel auch ganz gut. Doch dieses System hat seine Tücken. Gerade bei unzureichender Seitenlüftung durchwirbeln die Ventilatoren nur vorhandene Luftmassen, die Luftfeuchtigkeit erhöht sich  zusehends und die Kühe geraten unter Hitzestress. Hierbei muss man immer wieder erwähnen, dass nicht nur hohe Temperaturen, sondern auch hohe Luftfeuchtigkeiten Hitzestresssymptome hervorrufen. Beides in Kombination wirkt sich demnach noch viel schlimmer aus.
 Doch es gibt noch weitere Probleme. Nur direkt unterhalb der Ventilatoren hat man ausreichende Luftgeschwindigkeiten zu verzeichnen. Bei Kühen in etwa drei bis vier Metern Entfernung kommt schon nicht mehr ausreichend Luft an. Zudem hat man zwischen zwei nebeneinander installierten Ventilatoren oft Windschattenbereiche, dort kommt quasi gar keine Luftbewegung an”, so Ken Nordlund.
Einen Lösungsansatz fand er in Belüftungsschläuchen, die eigentlich für  Kälberställe entwickelt wurden. Die Theorie: An der Außenwand angebrachte Ventilatoren saugen Frischluft an, die Schläuche transportieren diese dann  in den Warteraum. Dabei entstehen keine Windschattenbereiche, die Luft kommt in ausreichender Menge und  Geschwindigkeit bei den Kühen  an, zudem ist sie  nicht mit Feuchtigkeit aus dem Stall aufgeladen. Die Hitzestressgefahr verringert sich erheblich, die Kühe warten sichtlich entspannter auf den Melkvorgang (siehe PDF).
 „Diese Beobachtung kann ich nur bestätigen; seit der Installation der Luftschläuche hat sich das Klima in unserem wirklich nicht idealen Vorwarteraum erheblich verbessert”, fügt Butch Guenther hinzu. Doch in der Praxis war die Umrüstung auf der Double S Dairy nicht so einfach umzusetzen. „Im Falle einer Warteraumlüftung mittels Schläuchen mussten wir ganz neue Ansätze wählen. Zwar benutzen wir hier das gleiche Programm wie bei der Kälberstall-Schlauchberechnung, aber hier enden bereits die Gemeinsamkeiten. Streben wir im Kälberstall mindestens vier Luftwechselraten je Stunde an, so unterhalten wir uns im Warteraum über 70 bis 90 Wechselraten je Stunde, also etwa einen Luftwechsel je Minute! Wollen wir auf Kälberniveau maximal 0,3 Meter pro Sekunde an Luftbewegung, so brauchen wir im Warteraum auf Kuhniveau (1,50 Meter Höhe) etwa 2 Meter pro Sekunde! Um diese hohen Luftmengen zu transportieren, benötigen wir großvolumige Schläuche mit relativ großen Austrittslöchern und leistungsstarke Ventilatoren, damit den Schläuchen nicht auf halbem Wege die Puste ausgeht. Wir können mit solchen Schläuchen keineswegs die Strecken überwinden, wie es in Kälberställen der Fall ist. Daher empfehlen wir, die Schläuche möglichst quer über dem Warteraum anzubringen. Die so erforderlichen Schlauchlängen von etwa 12 bis  15 Meter zu überwinden ist kein Problem”, erklärt Ken Nordlund die Details.
Butch Guenther, Herdenmanager der Double S Dairy mit circa 1000 Kühen: „Die Frischluft aus den Lüftungsschläuchen hat den Kuhkomfort in unserem Wartebereich erheblich verbessert.”
Doch im Falle der Double S Dairy war dies nicht möglich,  denn Büros, Sozialräume und Melktechnikbereiche verhinderten die Idealanordnung. Nach langem Grübeln fand man folgende Lösung: Vier Lüftungsschläuche wurden längsseitig auf einer Länge von etwa 25 Metern über dem Warteraum installiert. Im ersten Drittel der Schläuche wurden keine Löcher ausgestanzt, da hier durch die offene Wandgestaltung noch eine seitliche Lüftung erfolgt. In diesem Bereich dient der Schlauch lediglich  als Transportmittel für die Luftmengen, die im seitlich umbauten Bereich benötigt werden. Etwa in einer Entfernung von acht Metern  zu den Ventilatoren beginnen die dreireihigen Luftöffnungen im Schlauch, die nun bis zu den Schlauchenden ausgestanzt sind.
 „Das war genau die Lösung, die wir uns erhofft hatten. Wir bringen nun frische Außenluft in großen Mengen gezielt in unseren Problembereich. Eine Lösung, die uns und unsere Kühe sehr zufriedenstellt. Zudem sparen wir Kosten. Heute laufen insgesamt vier Ventilatoren, hätten wir den Versuch gestartet, den Warteraum allein mit Ventilatoren zu belüften, wären erheblich mehr Ventilatoren installiert worden”, so der engagierte Herdenmanager.
Kein Gerangel mehr um die besten Plätze
Bei der Mystic Valley Dairy sind fünf Luftschläuche im vorderen Bereich des Warteraumes angebracht.
Auch bei Mitch Breunig auf  der Mystic Valley Dairy nahe  Sauk  City,  Wisconsin blasen seit geraumer Zeit Luftschläuche Frischluft in den Warteraum. „Ich konnte feststellen, dass meine Warteraumventilatoren nicht in ausreichender Zahl vorhanden waren. Es war zu beobachten, dass ranghöhere Kühe sich die Stellen in unmittelbarer Nähe zu den Ventilatoren aussuchten, die restlichen Kühe mussten sich mit den Windschattenbereichen begnügen. Das wollte ich ändern, ich stand vor der Entscheidung, den Warteraum mit deutlich mehr Ventilatoren zu bestücken, also mit zusätzlichen Ventilatoren in den einzelnen Reihen und mit zusätzlichen Reihen bei geringerem Abstand zu den Reihen. Doch nach der Kontaktaufnahme mit der Universität Madison diskutierten wir, ob nicht auch die Schlauchlüftung für mich eine Lösung darstellen könnte”, erzählt der Unternehmer.
Mystic Valley Dairy: Die Lüfter, die die Frischluft in die Schläuche saugen, sind unterm Dachvorsprung installiert. Die Bereiche zwischen ihnen wurden geschlossen, damit keine Luft aus dem Warteraum angesaugt wird.
 Gesagt, getan; es wurden fünf Schlauchreihen im vorderen  Bereich des Warteraumes installiert. Mitch Breunig weiter: „Dort gab es die größten Probleme, daher konzentrierte ich mich auf diesen Bereich. Da ich auch nicht wusste, ob es funktioniert, habe ich zunächst auf die Schläuche im hinteren Bereich verzichtet. Doch es funktioniert, und ich überlege gerade, auch im hinteren Bereich des Warteraumes die Schläuche einzubauen, dort brauche ich ja nicht mehr so viele Schlauchreihen.”
 Doch auch hier galt es, einige Probleme zu überwinden. Ken Nordlund: „Hier war zwar die ideale Anordnung der Ventilatoren in seitlicher Position möglich, doch das Treibegatter bereitete uns Probleme. Um den Wirkungsgrad der Schläuche voll auszuschöpfen, wollen wir sie so niedrig wie möglich über den Köpfen der Kühe befestigen. Wird der Abstand zu den Kühen bedingt durch die Treibegatterkonstruktion zu weit, verlieren wir an Effektivität. Das war bei der Mystic Valley Dairy der Fall, also musste die Trägerkonstruktion des Treibegatters geändert werden, damit wir die Schläuche direkt oberhalb  des Treibegatters anbringen konnten”, so der Experte. „Der Aufwand hat sich gelohnt. Wir erreichen nun jede Ecke des Warteraums mit Frischluft, es gibt kein Gerangel mehr um die besten Plätze”, resümiert Mitch Breunig.