Für ein neues agrarpolitisches Selbstverständnis seiner Partei hat der zuständige Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Wilhelm Priesmeier, geworben. „Für uns ist moderne Agrarpolitik Politik für den ländlichen Raum”, sagte Priesmeier in einem Gespräch mit dem Presse- und Informationsdienst Agra-Europe.
Die SPD sieht den Schwerpunkt der Agrarpolitik nicht mehr im landwirtschaftlichen Sektor, sondern in den Wirtschafts- und Lebensbedingungen der Menschen, die auf dem Land leben.
Der Schwerpunkt liege nicht mehr auf dem landwirtschaftlichen Sektor, sondern auf den Wirtschafts- und Lebensbedingungen der Menschen, die auf dem Lande leben. Dies habe Konsequenzen für die Politikgestaltung und betreffe die Weiterentwicklung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) ebenso wie einen schrittweisen Abbau der Direktzahlungen im Rahmen der EU-Agrarpolitik nach 2020. „Direktzahlungen bieten keine Lösung für Probleme auf dem Lande”, betonte Priesmeier.
Er kündigte an, seine Fraktion werde sich nicht mit halbherzigen Lösungen bei der Neugestaltung der Hofabgabeklausel in der Alterssicherung der Landwirte zufriedengeben. Zufrieden äußerte sich Priesmeiers Stellvertreter in der Fraktion, der ostfriesische Abgeordnete Johann Saathoff, über die Zusammenarbeit innerhalb der Koalition. Beide Seiten hätten sich in den vergangenen Monaten in der Agrarpolitik angenähert.
Bei Grünland Ziel erreicht
Sowohl Priesmeier als auch Saathoff erinnerten an die
schwierigen Verhandlungen ihrer Fraktion mit der CDU/CSU beim Greening.
Mit dem absoluten Umwandlungs- und Umbruchverbot für Dauergrünland in
Fauna-Flora-Habitat-Gebieten (FFH-Gebieten) und dem einzelbetrieblichen
Autorisierungssystem in den übrigen Regionen habe die SPD ihr Ziel eines
weitgehenden Grünlandschutzes erreicht, unterstrich Priesmeier. Im
Gegenzug habe man bei den ökologischen Vorrangflächen Zugeständnisse
machen müssen. Saathoff sprach im Zusammenhang mit der Sicherung der
Daseinsvorsorge in ländlichen Gebieten und der Teilhabe der dort
lebenden Menschen am gesellschaftlichen Fortschritt von
„sozialdemokratischen Grundanliegen”. Das werde man künftig stärker als
in der Vergangenheit „nach außen und innen” kommunizieren. Für den
ehemaligen hauptamtlichen Bürgermeister der niedersächsischen Gemeinde
Krummhörn kommt den Kommunen eine Schlüsselrolle für die Entwicklung
ländlicher Räume zu. Dazu gehöre nicht zuletzt die Möglichkeit, sich
wirtschaftlich zu betätigen, etwa als Betreiber von Windkraftanlagen.
Förderung konzentrieren
Die sektorübergreifende Sichtweise seiner Partei auf die
Agrarpolitik bedeutet laut Priesmeier nicht, „dass wir die
Landwirtschaft vernachlässigen”. Die SPD betrachte sie aber viel stärker
unter dem Aspekt, „welche Rolle sie zur Entwicklung ländlicher Räume
spielt und welchen Beitrag zur Wertschöpfung sie leistet”. Die Förderung
müsse künftig stärker auf bedürftige Regionen konzentriert werden.
Seine Fraktion werde versuchen, die Gemeinschaftsaufgabe (GAK) „so weit
zu öffnen, wie es möglich ist”, kündigte Priesmeier an. Zumindest wolle
man erreichen, dass künftig die Fördermöglichkeiten des Europäischen
Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER)
vollständig genutzt werden können. Keinen Zweifel ließ der
niedersächsische Abgeordnete daran, dass die Weiterentwicklung der GAK
für seine Fraktion eine hohe politische Priorität habe.
Hohe Erwartungen setzt Priesmeier in das für 2015 angekündigte neue
Bundesprogramm ländliche Entwicklung. Priesmeier: „Das kann eine
Blaupause für eine künftige Gemeinschaftsaufgabe ländliche Entwicklung
werden.” Die Große Koalition biete die einmalige Chance für eine
Neujustierung der Gemeinschaftsaufgabe. Der SPD-Agrarsprecher geht davon
aus, dass sich die Länder dem nicht verweigern werden.
„Tierschutz-TÜV wird kommen”
Bedeutung misst Priesmeier der Einführung eines
bundeseinheitlichen Prüf- und Zulassungsverfahrens für
Tierhaltungssysteme bei: „Der Tierschutz-TÜV wird kommen.” Kein Weg
führt dem gelernten Tierarzt zufolge zudem an einer Größendiskussion
vorbei. Nicht akzeptabel seien aus seiner Sicht Tierhaltungsanlagen in
einer Dimension von mehreren zehntausend Plätzen, „wie wir sie bislang
nicht kannten”. Ziel der Koalition sei vereinbarungsgemäß eine
flächengebundene Tierhaltung. Gewerbliche Großanlagen stünden damit
nicht in Einklang.
Beschlusslage zur Grünen Gentechnik
Für einstweilen abgeschlossen hält der SPD-Abgeordnete
die grundsätzliche Diskussion seiner Partei über die Grüne Gentechnik:
„Wir haben eine eindeutige Beschlusslage und lehnen den Einsatz der
Grünen Gentechnik ab.” Die SPD trage damit den Vorbehalten einer großen
Mehrheit der Bevölkerung Rechnung.
Für Rente mit Abschlag ohne Hofabgabe
Als weiteres wichtiges Thema seiner Fraktion bezeichnete der Agrarsprecher die Neugestaltung der Hofabgabeklausel in der Alterssicherung der Landwirte (AdL). Nicht hinnehmen will der SPD-Politiker eine Verschiebung der Thematik unter Hinweis auf die ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer. Die bislang bekanntgewordenen Überlegungen des Bundeslandwirtschaftsministeriums gehen Priesmeier nicht weit genug. „Das ist nicht annähernd das, was wir uns vorstellen”, betonte der Sozialdemokrat. Ältere Landwirte, die ihren Betrieb über das 65. Lebensjahr hinaus weiterführen wollen, müssten dies künftig tun können. Dafür müsse ihnen eine Rente mit Abschlag gewährt werden.