Tierhaltung | 01. Dezember 2016

Soja: Regional und dezentral verarbeiten?

Von Christine Kaiser
In der Regel beziehen Tierhalter ihr Futter über Mischfutter- werke. Das in den Rationen enthaltene Soja stammt meist aus Übersee und ist gentechnisch verändert. Einzelhandel und Verbraucher beäugen das zunehmend kritisch. Wer dagegen Soja selbst anbaut, hat das Problem, dass Toastanlagen selten sind.
Bei der Toastanlage in Zeutern werden die Sojabohnen nicht nur getoastet, sondern auch entbittert.
Landwirte, die bewusst auf Regionalität setzen und ihr eigenes Soja anbauen, nehmen bisher mitunter weite Wege zur nächsten Toastanlage auf sich. Ein Praktikerseminar auf der Liebfrauenhöhe bei Rottenburg-Ergenzingen zeigte Möglichkeiten einer regionalen und dezentralen Verarbeitung und Veredelung beim derzeitigen Stand der Technik auf.
Veranstalter des Seminars in der vergangenen Woche war das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) in Kooperation mit dem Landwirtschaftsamt Tübingen. Christian Rupschus vom Soja-Netzwerk fasste in seiner Einleitung zuerst hemmende und fördernde Faktoren für den heimischen Sojaanbau und die  Verwertung zusammen: Neben Gentechnikfreiheit und der Nachfrage nach regionalen Produkten als Pluspunkte sah er in der in Baden-Württemberg in manchen Regionen fehlenden Wirtschaftlichkeit des Anbaus einen Nachteil. Auch fehlende Entölungstechnik sei eine Hürde: „Um die Sojabohnenanteile in den Rationen wesentlich zu erhöhen, ist zumindest eine Teilentölung nötig. In Baden-Württemberg gibt es derzeit nur eine kleinere stationäre Anlage – die von Alexander Thumm.” Rupschus hält deswegen eine Kombination aus vollfetten heimischen Sojabohnen und Soja gesicherter Herkunft wie zum Beispiel Donau-Soja oder Europa-Soja für machbar und sinnvoll.
Durchlauf von 100 kg pro Stunde
Landwirt Alexander Thumm hat seit einem Jahr eine eigene Toastanlage und verarbeitet Sojabohnen auch im Lohn.
Landwirt Alexander Thumm aus Affalterbach im Landkreis Ludwigsburg ist Schweinemäster und hat 600 Mastplätze. Für das eigene Futter baut er neben Getreide seit 2010 auch Soja an. Seine neue Toastanlage der Firma EST GmbH ist seit einem Jahr als Serientyp in Betrieb. Sie hat einen Durchlauf von 100 kg pro Stunde bzw. 800 t pro Jahr, eine Ölpresse ist nachgeschaltet. Die Investitionskosten beliefen sich für beide Anlagen auf 45000 Euro. „Mir hat es nicht gefallen, Soja von der Futtermittelindustrie oder aus Übersee kaufen zu müssen. Die Bauern sollten wieder unabhängiger werden!”, erläuterte er seine Vision.
Der Landwirt verarbeitet die Sojabohnen auch im Lohn: „Viele Betriebe in unserem Umkreis mussten immer sehr weit fahren, um das Soja toasten zu lassen.” Der Preis liegt für das Toasten  bei 6 Euro/dt  und  für das Ölpressen bei 6 bis 7 Euro. Seit die Toastanlage auf dem Hof besteht, beobachtet Thumm, dass umliegende Berufskollegen ebenfalls neu in den Sojaanbau einsteigen. Der Schweinemastbetrieb ist mittlerweile als futtermittelverarbeitender Betrieb registriert, weil Sojabohnen auch aufgekauft werden und Presskuchen für den Verkauf herstellt wird. Thumm verfüttert selbst Sojapresskuchen, allerdings zusammen mit Altbrot. Für eine alleinige Verfütterung von Presskuchen wäre der Fettgehalt in der Ration zu hoch.
Seit der Landwirt eigenes Soja in der Mast einsetzt, hat er auch die Vermarktung angepasst. Nun verkauft er fast alle Schweine an einen Metzger, der damit wirbt, dass die Tiere sowohl aus der Region stammen als auch mit regional erzeugtem Futter gemästet wurden. Thumm bekommt dafür einen Preisaufschlag von etwa acht Prozent. Viel Potenzial sieht der Schweinemäster außerdem im Biosegment: „Hier bekomme ich viele Anfragen, ich habe mich als bioverarbeitender Betrieb zertifizieren lassen. Biobetriebe benötigen kleine getoastete Chargen, die sie zurückbekommen wollen. Große Unternehmen könnten das nicht leisten!” Seiner Einschätzung nach ist für den Anlagenbetrieb viel technisches Know-how nötig. Thumm profitiert jedoch davon, dass er auch Landmaschinenmechaniker ist.
Entbitterung
Bernhard Ebert: Die Verarbeitung von Soja ist ein Balanceakt, weil eine zu hohe und lange Hitzeeinwirkung die Verdaulichkeit der Proteine reduzieren kann.
Technisches Know-how und Pioniergeist brachte auch der Geschäftsführer der Mühle Ebert Dielheim GmbH, Bernhard Ebert, vor einigen Jahren aus der Schweiz mit. Dort sammelte er Erfahrungen bei der Aufbereitung von kanadischem Biosoja für Babynahrung. Ebert konnte im Nachbarland die Entwicklung einer sogenannten Entbitterungsanlage bis hin zur Produktionsreife begleiten. Das Wissen über diese neueste Technik in der Sojaverarbeitung hat er nun auch in Deutschland umgesetzt: Seit März dieses Jahres läuft am Standort Zeutern eine derartige Anlage. „Für deutsche Verhältnisse ist das einmalig”, so Ebert während des Seminars. Rund eine Million Euro hat die Eigenentwicklung gekostet.
Doch worin besteht der Unterschied zur klassischen Toastung? „Wir reden von einer Entbitterung, weil wir nicht nur trockene Hitze auf Soja einwirken lassen. Es geht vielmehr darum, Bitterstoffe oder antinutritive Faktoren zu eliminieren oder inaktivieren”, so Ebert. Diese antinutritiven Stoffe haben bei der Verfütterung ungünstige Eigenschaften im Hinblick auf die Verdauung und den Stoffwechsel. Der Sojapflanze dienen sie hingegen zum Wachstum und zur Abwehr von Schädlingen. Bei der Toastung werden hitzelabile Bestandteile wie Proteaseinhibitoren oder Lektine zerstört, es gibt aber auch hitzestabile Substanzen wie Alkaloide, Saponine und Isoflavone. Letztere können nur durch Aufkochen und Auswaschen oder über Keimung und Fermentierung entfernt werden. Laut Ebert arbeitet seine Anlage im Vergleich zum Toastprozess in einem niedrigeren Temperaturbereich, also schonender: „Unser Prinzip ist ein Vollwertprinzip, es bleiben mehr Nährstoffe erhalten.”
Die moderne Entbitterungsanlage läuft rund um die Uhr und ist so kosteneffizient. Außerdem werden 30 Prozent weniger Energie als bei der Toastung benötigt. Als Leitmedium wird Wasser benutzt. Es soll die Wärme schneller in die Bohne transportieren. Eine Verdunstungskälte wie beim Toasten entsteht nicht. Ebert: „Bei der Toastung wird die Energie nicht effizient in die Sojabohnen eingetragen. In der Regel fehlt ein Medium.” Der Durchsatz der Anlage beträgt 2 t pro Stunde. Er könnte aber auf 5 t hochgeschraubt werden. Momentan werden pro Jahr zwischen 7000 und 8000 t verarbeitet. Die Vollbohne verlässt die Anlage mit etwa 16 Grad Celsius und kann dann gut gelagert werden. Aktuell liegen die Kosten für die Entbitterung bei 50 bis 60 Euro pro Tonne. „Wir gehen aber davon aus, dass es im Laufe der Zeit günstiger wird”, sagte Ebert. Für eine Verarbeitung der eigenen Ware bei Ebert sollte die Mindestmenge zwischen 15 und 20 t liegen.
 
Forscher setzen auf NIRS
Dominik Hoffmann arbeitet an einem Forschungsprojekt, das die Optimierung der Sojaaufbereitung mittels Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) untersucht.
Einen Ausblick in die Zukunft aus wissenschaftlicher Sicht bot Dominik Hoffmann. Der wissenschaftliche Mitarbeiter an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft arbeitet derzeit an einem Forschungsprojekt, das die Optimierung der Sojaaufbereitung mittels Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) untersucht. Hintergrund für das Forschungsvorhaben sind  Untersuchungsergebnisse, die eine nicht ausreichende Aufbereitungsintensität offenbaren: Bei einem Drittel der  Proben, die aus den gängigsten dezentralen Anlagen in Bayern stammten, war die Trypsininhibitoraktivität (TIA-Wert) zu hoch. Trypsininhibitoren sind die wichtigsten antinutritiven Substanzen in Sojabohnen, die es bei der Aufbereitung zu beseitigen gilt. Bei zwei Dritteln lag zudem die Eiweißlöslichkeit in Kalilauge (KOH-Wert) über dem derzeit anvisierten Kompromissbereich von 73 bis 85 Prozent.
„Wir haben also Nachbesserungsbedarf. Irgendwie muss die Aufbereitungsqualität überwacht werden können. Ein Ansatz dafür ist NIRS”, so Hoffmann. Die Nahinfrarotspektroskopie  ermittelt über einen Sensor das reflektierte Licht von Rohbohnen oder Sojakuchen.  Die Forscher wollen so unter anderem  folgende Parameter, die für die Aufbereitungsqualität wichtig sind, herausfinden: Wasser-, Rohprotein- und Ölgehalt sowie TIA- und KOH-Wert. „Wir sind gespannt, ob das so funktionieren wird”, so Hoffmann. Ziel sei, künftig einen derartigen Sensor in dezentrale Aufbereitungsanlagen einzubauen. Der Sensor könnte dann einen laufenden Verarbeitungsprozess überwachen und dafür sorgen, dass die Grenzwerte zuverlässig eingehalten werden. Hoffmann: „Der Landwirt sollte schnell messen können, ob die Charge schon fertig ist oder ob sie noch länger aufbereitet werden muss.”