Pflanzenbau | 21. Dezember 2017

Schweizer holen das CO2 wieder aus der Luft

Von Daniela Becker
Ein Schweizer Start-up hat die weltweit erste kommerzielle Rückgewinnungsanlage für Kohlendioxid entwickelt. Die Anlage scheidet CO2 aus der Umgebungsluft ab und liefert das klimaschädliche Gas an ein nahegelegenes Gewächshaus, um dort das Pflanzenwachstum zu fördern.
In Hinwil sind drei Schiffscontainer mit 18 CO2-Kollektoren installiert.
Mit der gleichen Technologie werden in Island dauerhaft Klimagase geologisch gespeichert. Im Kampf gegen den Klimawandel könnte dies ein Fortschritt sein. In der Atmosphäre befindet sich durch die Verbrennung fossiler Kraftstoffe zuviel CO2. Die Weltgemeinschaft hat sich 2015 mit dem Pariser Abkommen darauf verständigt, die durchschnittliche globale Erwärmung bei 1,5 °C zu halten. Dazu muss der Ausstoß der Kohlendioxid-Emissionen sofort deutlich reduziert werden.
Christoph Gebald und Jan Wurzbacher, ehemalige Studenten der Eidgenössischen Technische Hochschule (ETH), haben sich vor rund neun Jahren daran gemacht, daraus ein Geschäftsmodell zu entwickeln. Ihre Idee: CO2 aus der Umgebungsluft zu filtern und damit das Pflanzenwachstum in Gewächshäusern zu verbessern. Anfang Juni 2017 konnten die beiden Ingenieure die Früchte ihrer langjährigen Forschungsarbeit ernten. Im schweizerischen Hinwil wurde die erste Direct-Air-Capture-Anlage (DAC) ihres Unternehmens Climework eingeweiht.
Die Ingenieure Christoph Gebald und Jan Wurzbacher
Herzstück der Technologie ist ein neuer Filter, der nach Angaben des Unternehmens aus porösen Granulaten besteht, die mit Aminen modifiziert wurden, um das Gas aus der Umgebungsluft zu binden. In Hinwil sind drei Schiffscontainer mit insgesamt 18 CO2-Kollektoren installiert, ein weiterer mit Steuerungs- und Überwachungstechnik bestückt. In jedem der 18 übereinander gestapelten Module befinden sich Ventilatoren, die Luft ansaugen. Wie ein Schwamm nimmt der Filter CO2- Moleküle auf, bis er gesättigt ist. Anschließend wird das Gas bei einer Temperatur von etwa 100 °C gelöst und hochrein mit Wasser freigesetzt. Rund 900 Tonnen Kohlendioxid soll die Pilotanlage auf diese Weise pro Jahr aus der Umgebungsluft abscheiden. Die Energie, die für diesen Prozess nötig ist, stammt zum allergrößten Teil aus der Abwärme der Müllverbrennungsanlage, auf deren Dach der Abscheider installiert wurde. Über eine Rohrleitung wird das gewonnene CO2 in eine 400 Meter entfernte Gärtnerei geleitet, um dort das Pflanzenwachstum von Tomaten, Gurken und Salaten zu steigern. Der Ernteertrag lasse sich auf diese Weise um bis zu 20 Prozent steigern, berichten die Tüftler.
Noch arbeitet die DAC-Anlage nicht wirtschaftlich. Climeworks beziffert die Kosten in dieser ersten Pilotanlage mit 600 Dollar pro Tonne Kohlendioxid, was deutlich über heutigen Marktpreisen liegt. Die Alternative für die Gärtnerei wäre, das Wachstumsgas – aus fossilen Energieträgern gewonnen – per Lkw herantransportieren zu lassen. Sie zahlt den Erfindern den marktüblichen Preis plus einen kleinen „Nachhaltigkeits-Aufschlag”, der Rest wird durch eine Förderung des Schweizer Bundesamts für Energie (BFE) finanziert.
Die Gründer erwarten deutliche Verbesserungen.  „Wir rechnen damit, die Kosten in den nächsten drei Jahren um den Faktor drei bis vier senken zu können”, sagt Christoph Gebald.
Das Klimaproblem wird allerdings nicht ausschließlich in den Treibhäusern dieser Welt gelöst werden können. Nach Ansicht vieler Experten sind zudem „negative Emissionen” notwendig –  also das Entziehen von CO2 aus der Atmosphäre und seine dauerhafte Speicherung.
Demoprojekt
Blick vom Gewächshaus zum Werk. Über Rohre wird das gewonnene CO2 in eine 400 Meter entfernte Gärtnerei geleitet, um dort das Pflanzenwachstum von Tomaten, Gurken und Salaten zu steigern.
Ein Demonstrationsprojekt zu dieser Art Geoengineering hat Climeworks gemeinsam mit dem Energieversorger Reykjavik Energy gestartet. Dazu wurde auf dem Gelände eines Geothermie-Kraftwerks ein DAC-Modul installiert. Es filtert CO2 aus der Umgebungsluft, das in Wasser gebunden über 700 Meter in den Untergrund gepumpt wird. Dort im Basaltboden kann das sprudelnde Gemisch aufgrund hohen Drucks und hoher Temperaturen nicht entweichen. Stattdessen reagiert es mit dem Basalt. „In weniger als zwei Jahren wandelt sich das CO2 zu festen Mineralien”, sagt Projektleiterin Edda Sif Aradóttir von Reykjavik Energy. Während der Testphase des sogenannten CarbFix-Projekts soll unter anderem untersucht werden, wie das DAC auf die Wetterverhältnisse im Südwesten Islands reagiert. Bewährt sich der Filter, sei das Konzept unproblematisch skalierbar und in vielen anderen Regionen mit ähnlichen Gesteinsformationen wiederholbar.