Pflanzenbau | 30. Juli 2015

Schäden halten sich in sehr engen Grenzen

Von Gernot Raiser
Im Weinbau bereiten mutmaßliche Kulturschäden durch ein Botrytisfungizid Sorgen. Vor allem aus der Schweiz wird von deformierten Blättern und Beerenschäden sowie vom Verrieseln berichtet. In Südbaden sind nur wenige Rebflächen betroffen – das ergab eine aktuelle Umfrage der BBZ.
An geschädigten Weinstöcken wurden 30 bis 50 % der Blühkäppchen nicht abgeworfen.
Die Badische Bauern Zeitung hat einen Firmenvertreter sowie Weinbauberater in Südbaden befragt, wie sie die Lage einschätzen. Vor allem aus der Schweiz wird von Deformationen an Blättern und Störungen an den Gescheinen wie mangelhafter bis ausbleibender Ausbildung der Beeren und Verrieseln berichtet.  
Obwohl eindeutige Beweise hierfür immer noch fehlen und neutrale Fachleute sowie der Hersteller bis heute keine plausible Erklärung für den ursächlichen Zusammenhang gefunden haben, steht das Fungizid Luna Privilege der Bayer CropScience im dringenden Verdacht, für die Schäden verantwortlich zu sein. Es war 2014 auf bestimmten Flächen gegen Grauschimmel (Botrytis) gespritzt worden.
Dr. Torsten Griebel, BayerCropScience
Dr. Torsten Griebel, Beratungsmanager mit Schwerpunkt Weinbau der Bayer CropScience, stellt hierzu fest:
„Ein Bayer-Expertenteam arbeitet aktuell an der Ursachenforschung und führt chemische und biologische Untersuchungen mit dem Produkt durch. Ebenso werden zurzeit mögliche Wechselwirkungen mit anderen Faktoren, die den Wuchs der Reben beeinflussen könnten, untersucht.
Anhand der Pflanzenschutzaufzeichnungen der betroffenen Winzer werden ferner potenzielle Wechselwirkungen von Tankmischungen und Spritzfolgen geprüft. Das umfassende Untersuchungsprogramm beinhaltet zudem Feldversuche.
 Zur Unterstützung der Untersuchungen steht Bayer im Dialog mit externen Experten für den Weinbau. Abschließend möchte ich betonen, dass wir alles uns Mögliche unternehmen, um die Ursache schnellstmöglich aufzuklären. Wir werden die betroffenen Winzer bei Vorliegen neuer Erkenntnisse oder Informationen so schnell wie möglich kontaktieren.”
Bayer CropScience rät aus Vorsorgegründen von einer Anwendung des Präparates im Weinbau in der Saison 2015 ab. Nach Firmenangaben können Luna Experience und Luna Sensation wie gehabt angewendet werden. Das gelte auch für Luna Privilege  außerhalb des Weinbaus.
 
Steffen Renz, Weinbauberater im Landkreis Emmendingen
Steffen Renz, Weinbauberater im Landkreis Emmendingen (Vorbergzone, Breisgau von Herbolzheim bis Glottertal, nördlicher Kaiserstuhl, also der äußere Rand des Kaiserstuhls – Gemeinden Sasbach, Endingen, Bahlingen), fasst zusammen: 
„Mit Luna Privilege hatten wir vor diesem Jahr keine Probleme. Wir können uns nicht richtig erklären, wie eine Applikation im Jahr 2014 überhaupt zu Schäden im Jahr 2015 führen konnte. Es ist nicht einfach, da einen ursächlichen Zusammenhang zu finden. Normalerweise reagieren Weinstöcke sensibel auf Fehlanwendungen und zeigen nach ein bis zwei Wochen entsprechende Schadbilder. Dass ein Mittel offensichtlich so stark in die Pflanzenphysiologie eingreift, dass erst die Blüten des Folgejahres ansprechen, hatten wir noch nie.
Wo es zu schweren Schäden kam, wurden rund 30 bis 50 % der Blühkäppchen nicht abgeworfen und die darunter befindlichen Beeren sind nicht weitergewachsen. Gescheine, die mehr der Sonne ausgesetzt waren und dadurch in der Entwicklung vorne lagen, hat es mehr getroffen als solche, die mehr beschattet waren.  
Betroffen sind nach meiner Kenntnis vor allem private Weingüter und Erzeuger von Tafeltrauben. Anders ist die Lage bei Weinerzeugergenossenschaften, die meist keine Abschlussbehandlung mit Botrytiziden mehr empfehlen. Das hat vermutlich vielen Winzern Schäden durch Luna Privilege erspart. Wieviel Hektar in meinem Beratungsgebiet betroffen sind, kann ich aber nicht genau sagen, da die Bearbeitung der Fälle direkt in den Händen der Firma Bayer CropScience liegt.
Fest steht, dass es deutliche Sortenunterschiede gibt. Betroffen waren eher nicht-heimische Sorten wie Cabernet Sauvignon oder Sauvignon Blanc sowie Merlot oder Kreuzungen wie Cabernet Cubin aus Weinsberg; demgegenüber haben Burgunder und Riesling weniger empfindlich reagiert.”
Dr. Renè Fuchs, Weinbauinstitut Freiburg
Dr. René Fuchs, beim Weinbauinstitut Freiburg zuständig für Pflanzenschutz und Phytopathologie, äußert sich wie folgt: „Obwohl wir in unserem Rebschutzhinweis dazu aufgerufen hatten, uns mögliche Schäden durch Luna Privilege zu melden, haben wir leider nur wenige Rückmeldungen bekommen. Wir wissen nicht, wie hoch die Dunkelziffer ist. Aus Berichten einzelner Winzer geht hervor, dass sie durchaus Schäden haben. Einer berichtete beispielsweise von bis zu 60 % Ausfällen. Es ist aber schwer für mich abzuschätzen, wie hoch der Schaden in ganz Baden ist. Auch aus Rheinland-Pfalz gibt es vergleichsweise wenige Rückmeldungen. Ein weitreichenderes Problem scheint es allerdings an der Mosel zu sein.
Eine große Rolle scheint zu spielen, in welchen Mengen und wie das Mittel 2014 appliziert worden ist: Wurde nur die Traubenzone oder die gesamte Laubwand benetzt? Relevant scheint auch das Wetter zu sein: Wie schnell ist die Spritzbrühe abgetrocknet? Wir gehen davon aus, dass es über die Blätter aufgenommen und dann in den Stamm eingelagert worden ist. Ansonsten kann man sich eigentlich nicht erklären, wie ein Wirkstoff, den man im vergangenen Jahr gespritzt hat, in diesem Jahr Einfluss auf die Traubenentwicklung haben könnte.
Letztlich sind aber auch diese Überlegungen nur Spekulation. Man weiß bis jetzt auch nicht genau, ob es an einer Verunreinigung des Mittels oder möglicherweise am Wirkstoff selbst liegt. Sicher ist nur, dass es vor der Saison 2015 keinerlei Reklamationen gab.”
Egon Zuberer, Weinbauberater beim Landwirtschaftsamt Breisgau-Hochschwarzwald
Egon Zuberer, Weinbauberater beim Landwirtschaftsamt Breisgau-Hochschwarzwald, berichtet: „Luna Privilege ist in den rund drei Jahren, die es am Markt ist, noch nie auffällig geworden. Nach unseren Beobachtungen spielt es offensichtlich eine Rolle, ob die Abschlussbehandlung die volle Laubwand traf oder nur auf die Traubenzone beschränkt blieb. Wenn nur auf die Traubenzone appliziert worden war, waren die Schäden meist gering und nur einzelne Weinstöcke betroffen. Aber immer wenn die volle Laubwand gespritzt worden war, reagierten manche Sorten sehr empfindlich, vor allem Gutedel, Sauvignon Blanc und Cabernet-Sorten. Burgunder scheint deutlich weniger empfindlich zu sein.
Ernsthafte Schäden sind mir nur wenige gemeldet worden, das ist beruhigend. In meinem Beratungsgebiet ist es vielleicht ein halbes von rund 1700 Hektar. Die meisten Winzer spritzen auch nur einmal vor Traubenschluss gegen Botrytis. Da gibt es keinerlei Probleme. Und viele, die sicherheitshalber zweimal applizieren, beschränken die zweite Behandlung vorschriftsmäßig auf die Traubenzone.”