Politik | 28. März 2018

„Pestizidbericht” verärgert Bauern und Minister

Von AgE
Der vom Naturschutzbund (NABU) Baden-Württemberg vorgelegte „Pestizidbericht” ist in der Politik und beim landwirtschaftlichen Berufsstand auf scharfe Kritik gestoßen. Der NABU fordert in seinem Bericht bis 2025 eine Halbierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes.
Bauern gehen verantwortungsvoll mit Pflanzenschutzmitteln um und sichern damit Erträge und Qualität der Feldfrüchte, betonen beide Bauernverbände im Land als Reaktion auf den „Pestizidbericht” des NABU Baden-Württemberg.
Landwirtschaftsminister Peter Hauk zeigte sich verwundert. Der Minister sei sehr verärgert darüber, dass der Blick hier wieder nur einseitig auf die Landwirtschaft gerichtet werde, erklärte Pressesprecherin Isabel Kling am 23. März. Seine erste, sehr emotionale Aussage habe der Minister zurückgezogen. Hauk hatte unmittelbar nach der Vorstellung des NABU-„Pestizidberichtes” am 22. März erklärt, dass es den Verbraucher nichts angehe, wieviel Herbizide, Fungizide oder Insektizide die Landwirte einsetzten.
BLHV und LBV reagieren
Laut Kling hält der Minister aber an seiner Ansicht fest, dass es für den Bürger viel wichtiger ist, zu wissen, wieviel Pflanzenschutzmittelrückstände die Nahrungsmittel aufweisen und wieviel von den Wirkstoffen sich in der Umwelt finden lässt. Das werde Jahr für Jahr penibel kontrolliert. Der Minister hatte auch betont, dass Pflanzenschutzmittel „nicht aus Jux und Tollerei” eingesetzt würden, sondern um die Kulturpflanzen zu schützen und Erträge zu sichern. Er hat eine Stellungnahme des Julius-Kühn-Instituts (JKI) zu dem Bericht angefordert. Der Landesbauernverband in Baden-Württemberg (LBV) wies darauf hin, dass ein Netz von landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland schon seit Jahren Daten zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln liefere. Diese Daten würden von unabhängigen Experten der Behörden ausgewertet. „Das Ergebnis: Die Ackerbauern setzten die Pflanzenschutzmittel verantwortungsbewusst nach jeweiliger Befallssituation vor Ort angemessen ein”, unterstrich der LBV.
Der BLHV betonte, mögliche Strategien für die Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln sollte das Land in enger Zusammenarbeit mit seinen dafür zuständigen Fachbehörden entwickeln, und die dafür notwendige Datengrundlage müsse von unabhängigen Instituten erhoben werden.
BLHV-Präsident Werner Räpple stellte zudem fest, dass eine Ableitung von Bundeszahlen, wie im NABU-Bericht, nicht geeignet sei, um Trends im Land zu bewerten. Der LBV betonte, dass die Landwirte nach dem Prinzip „so viel wie nötig und so wenig wie möglich” arbeiteten. „Unsere Bauern stehen einer weiteren Optimierung des Pflanzenschutzes offen gegenüber”, betonte der Landesbauernverband. Große Chancen sähen die Landwirte beispielsweise in der sensorgesteuerten Ausbringung, mit der ein noch umweltschonenderer Pflanzenschutz möglich werden könne.
Der Landesbauernverband unterstrich, dass mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im konventionellen und ökologischen Landbau die Ackerbauern Erträge und Qualität der Feldfrüchte absicherten und damit für hochqualitative Lebensmittel sorgten.
„Ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln müssten im Durchschnitt über alle Ackerbaukulturen Ertragseinbußen von rund 50 Prozent hingenommen werden”, gab der LBV zu bedenken. Diese am Markt fehlenden Mengen würden dann anderenorts unter weit niedrigeren Umweltstandards als hierzulande produziert.
„Schlimmstenfalls würde die Rodung von Waldflächen oder die Bewirtschaftung von Steppen die Treibhausgasemissionen des Ackerbaus weltweit steigern. Solche Konsequenzen müssen bei der Diskussion über Reduktionspotenziale von Pflanzenschutzmitteln hierzulande endlich stärker Berücksichtigung finden”, so der LBV.
NABU bezieht sich auf JKI
Wie der NABU Baden-Württemberg in seinem „Pestizidbericht” ausführt, werden im Jahr rund 2300 Tonnen Pflanzenschutzmittel im Weizen-, Gerste-, Mais-, Raps-, Zuckerrüben-, Kartoffel-, Wein- und Apfelanbau in Baden-Württemberg eingesetzt. Zusammen seien dies etwa 80 Prozent der Acker- und Dauerkulturflächen im Land, erklärte der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle. Im Südwesten würden etwa neun Prozent der bundesweit eingesetzten Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft ausgebracht; angesichts des Flächenanteils dürften es jedoch nur sechs Prozent sein.
NABU-Landwirtschaftsreferent Jochen Goedecke verwies darauf, dass viele Flächen mehrfach im Jahr mit Pflanzenschutzmitteln behandelt würden. Bei einem Schnitt von fast zehn Anwendungen jährlich summiere sich die behandelte Fläche bei den untersuchten Anbaukulturen auf insgesamt sechs Millionen Hektar.
Laut Verband basiert der „Pestizidbericht” auf Erhebungen des JKI. Gezeigt werde, wie häufig welche Kulturpflanze mit welcher Wirkstoffgruppe behandelt werde, und dies werde in Relation zur Gesamtfläche des Landes gesetzt.
Auf Kritik stieß der „NABU-„Pestizidbericht” auch bei der AFD-Landtagsfraktion. Laut deren Agrarsprecher Udo Stein sollte die Politik „zuerst vollen Einsatz gegen das weitere Bauernsterben” anstatt gegen das Insektensterben zeigen.