Betrieb und Wirtschaft | 29. Oktober 2014

Offenhaltung geht auch zu sechst

Von Christoph Ziechaus
Sechs Bauern halten unter einem Stalldach ihre Ochsen und damit die Wiesen und Weiden in einem stark bewaldeten Schwarzwaldtal offen – und das seit zehn Jahren.
Zufrieden mit der Zusammenarbeit (von links): Martin Groß, Thomas Haas verdeckt von Konrad Hauer, Thomas Harter, Thomas Schenk (Bürgermeister Schenkenzell), Werner Schmieder, Hans Klaiber, (LWA Rottweil), Martin Armbruster, Susanne Kopf (LEV Mittlerer Schwarzwald) und Georg Gruber.
Unter einen Hut würden die sechs Bauern der Berg- und Talwiesen GbR in Schenkenzell-Kaltbrunn gar nicht passen, aber ihre gut 60 Tiere stehen im gemeinsamen Offenfrontstall auf dem Dürrhof. Auf den Weiden der sechs Betriebe und einigen Pachtflächen halten die Ochsen in mehreren Gruppen den Sommer über das Gras kurz. Gut 75 Hektar Grünland, verstreut auf der gesamten Gemarkung, werden so  genutzt zur Mast von Ochsen, die nach 24 Monaten als  Suppenfleisch, Braten oder Steaks auf dem Tisch von Kunden aus der Region stehen. Vor  zehn Jahren war das nicht einmal das Ziel von Martin Groß vom Dürrhof und Georg Gruber vom Hanselishof. Sie wollten ihre Arbeitsbelastung durch Milchviehhaltung im Nebenerwerb reduzieren, aber auch das Grünland in den Steillagen weiter nutzen. Ähnlich ging es anderen Kollegen auf den kleinen Höfen in der Umgebung, und so gab es 2004 „die Initialzündung für eine Gemeinschaft”, erinnerte sich Martin Groß vergangene Woche bei einem Vor-Ort-Termin in Kaltbrunn aus Anlass des zehnjährigen Bestehens.
Zu der Bereitschaft der Bauern kamen glückliche Umstände mit dem „Modellprojekt Landschaftserhaltung Mittlerer Schwarzwald” und der damaligen Geschäftsführerin Mechthild Bercher, die mit der  Landwirtschaftsverwaltung in Rottweil Fördermöglichkeiten für die Baukosten von 150 000 Euro für einen neuen Stall eröffnete. Unbürokratisch widmete das RP Freiburg Mittel um und förderte den Offenfrontstall mit 103 000  Euro. Die Gemeinde Schenkenzell trat als Bauherr für den Stall in finanzielle Vorleistung. Der nicht durch Zuschüsse gedeckte Finanzierungsbetrag wird über eine Pachtdauer von 15 Jahren von der GbR gegenfinanziert. Danach bekommt die GbR von Seiten der Gemeinde die Möglichkeit, den Stall in ihr Eigentum zu übernehmen. Vor genau zehn Jahren war der Gesellschaftervertrag unterschrieben und ein Jahr später zogen die ersten Weideochsen in die Boxen im neuen Stall auf dem Dürrhof ein. 
40 Ochsen im Jahr
„Wir haben unser Ziel erreicht”, stellte Martin Groß nüchtern fest. Jeder habe Zeit für seine Arbeit im Haupterwerb, auf dem Hof oder im Wald und die Flächen werden offen gehalten. „Der ständige Zeitdruck ist weg, die Arbeit macht Spaß und wir kommen wirtschaftlich gut raus”, lobte der Geschäftsführer der Berg- und Talwiesen GbR die  Direktvermarktung durch Ulrika Gruber. Sie organisiert den Kälbereinkauf aus Schwarzwälder Mutterkuhhaltung von Limousinrindern und Limousin-Kreuzungen und sorgt dafür, dass in der Regel zweimal im Monat je zwei Ochsen im kleinen EU-Schlachthaus in Wolfach-Ippichen geschlachtet werden. Gut 40 Ochsen werden im Jahr geschlachtet und „bisher wurden alle selbst vermarktet”, freute sich Ulrika Gruber. Ein Metzger zerlegt die Hälften und stellt gemischte Fleischpakete mit Knochen ab etwa 15 Kilo zusammen, die „kundenfreundlich sortiert, verpackt und beschriftet” im Schlachthaus von den Kunden abgeholt werden. Dafür zahlen sie bis zu 9,50 Euro pro Kilo. Neben Privatkunden beziehen zwei Hotels in Schenkenzell und ein Vier-Sterne-Naturparkhotel Rinderhälften. Die Kunden schätzen die Fleischqualität und die Gastronomen weisen „Fleisch von Schenkenzeller Weideochsen” auf der Speisekarte aus. „Die Leute im Tal  unterstützen uns”, bekräftigte Martin Groß und setzte hinzu: „Wir würden alles genau wieder so machen  – nur der Stall sollte einen breiteren Futtertisch haben.” Der Stall auf seinem Hof ist sein Revier, die verschiedenen Weiden haben die Gesellschafter vor Ort im Auge, ebenso die Nutzung der Wiesen; Heumachen und Silieren sind Gemeinschaftsarbeit. Jeder Betrieb setzt seine eigenen Maschinen ein und notiert die Arbeitszeiten, die gegen die Betriebskosten verrechnet werden. Jedes Jahr wird mit der Buchführung von Irene Groß Bilanz gezogen und der Gewinn nach den eingebrachten Arbeits- und Maschinenkosten aufgeteilt. Einmal im Monat treffen sich die Beteiligten und organisieren die anfallenden Arbeiten. Auch die möglichen Hofnachfolger können sich diese in der zehnjährigen Praxis gefundene Arbeitsteilung in der Gemeinschaft vorstellen.
Ideen für die Offenhaltung
Der Landschaftsentwicklungsverband Mittlerer Schwarzwald wurde 2006 gegründet als Nachfolger des Landschaftserhaltungsverbands. Die Kommunen Aichhalden, Eschbronn, Hardt, Lauterbach, Schramberg, Schiltach, Schenkenzell und Wolfach wollen mit den 51 Mitgliedern kreisübergreifend die Offenhaltung sichern.
Geschäftsführerin Susanne Kopf vermittelt mit einem Flächenpool frei werdende Wiesen an Landwirte, bisher etwa 100 Hektar. Außerdem werden verbuschte Hänge in einer Erstpflege geöffnet und mit Ziegen, später mit Schafen oder Rindern beweidet. Solche Flächen werden mit flexiblen Zaunanlagen gesichert, die dauerhaft eine Beweidung ermöglichen sollen. Von den neuen Landes-Förderprogrammen erhofft man sich eine bessere Vergütung für die schwierige Arbeit der Landwirte.