Waldwirtschaft | 07. Januar 2016

Naturschutz im Wald am Beispiel des Hinterzartener Moores

Von Gernot Raiser
Wie im Wald Bewirtschaftung und Ziele des Naturschutzes unter einen Hut gebracht werden können, war Thema einer Pressefahrt Mitte Dezember 2015. Vorgestellt wurden Maßnahmen zur Wiedervernässung des Hinterzartener Moores sowie das Konzept für den Waldnaturschutz von ForstBW.
Der Biologe und Moorkundler Dr. Pascal von Sengbusch erläutert die besonderen Leistungen eines Hochmoores. Die enorme Fähigkeit zur Wasserspeicherung erlaubt es den Torfmoosen, mehrere Meter über den Wasserstand des Geländes hinauszuwachsen. Dabei werden der Luft beachtliche Mengen Kohlendioxid entzogen.
Vor Ort erläuterte Dr. Pascal von Sengbusch die wichtigsten Fakten zu Hochmooren im Allgemeinen und zum Hinterzartener Moor im Speziellen. Er ist für die Begutachtung des Moorzustandes sowie für die Planung und Umsetzung von Renaturierungsmaßnahmen zuständig. Von Sengbusch betreibt ein Büro für ökologische Gutachten und Moorkunde in Kandern und ist mit der Seite www.moorkunde.de im Internet vertreten.
Wie der Biologe erläuterte, ist das Hinterzartener Moor beim Rückzug des Feldberggletschers entstanden. Dieser begann am Ende der bisher letzten Eiszeit, vor rund 20000 Jahren, abzuschmelzen und hinterließ Wälle von Gesteinsschutt (Moränen), zwischen denen das Wasser nur zögerlich ablaufen konnte.  In diesen staunassen Gebieten siedelten sich wasserliebende Pflanzenarten wie Schilf, Wollgras und schließlich Torfmoose an.
Leistungen des Torfmooses
Äußerlich unscheinbar und doch eine ökologische Perle im Hochschwarzwald: das Hinterzartener Moor. Im Bild zu sehen ist der Randbereich, in dem Heidelbeeren und Bäume um Lebensraum kämpfen.
Letztere können das 20- bis 30fache ihres Eigengewichtes an Wasser speichern. „Torfmoos nimmt beim Wachsen das Wasser gewissermaßen von der Bodenoberfläche bis zu acht Meter in die Höhe mit”, erläutert Sengbusch.  Es schafft und erhält also selbst die Bedingungen für sein Überleben und Wachsen: stehende Feuchtigkeit. Wenn ein Hochmoor in die Höhe wächst, entsteht gleichzeitig Torf. Dabei handelt es sich um abgestorbene Pflanzenreste, vor allem Torfmoos. Dass sie nicht – wie sonst überall üblich – abgebaut, also mineralisiert werden, hat mehrere Gründe. Sein extrem geringer Gehalt an mineralischen Nährstoffen macht Torf für Mikroorganismen als Nährsubstrat sehr unattraktiv. Vor allem Stickstoff ist praktisch nicht vorhanden. Außerdem steht im Moor praktisch alles unter Wasser. Das und die dadurch erzeugte Sauerstoffarmut konservieren im Moor jegliche organische Substanz jahrhundertelang. Vor allem Zellulose und Holz, aber auch Tier- oder Menschenkörper. Ein Übriges tut der hohe Gehalt an Huminsäuren, die den pH-Wert kaum über 3,3 ansteigen lassen. Hochmoore können mehrere tausend Jahre alt werden. Das Hinterzartener Moor besteht nach Auskunft des Experten aus rund 1,5 Millionen Kubikmeter Torf mit rund 120000 Tonnen Trockensubstanz. Das sind 10 % seiner gesamten Moormasse, die restlichen 90 % sind Wasser.
Globale Bedeutung
„Weltweit haben Moore ein Drittel des terrestrischen Kohlenstoffs gebunden”, machte von Sengbusch die ökologische Bedeutung des Moorschutzes deutlich. Neben Erdöl, Erdgas und Kohle sind sie also eine bedeutende Senke für das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2). Wachsende Hochmoore können, einerseits, etwa 1,2 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar und Jahr aus der Luft binden. Andererseits geben sie zehn bis 15 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar und Jahr in die Atmosphäre ab, sobald sie entwässert und damit zerstört werden. Daraus ergibt sich die besondere Bedeutung des Schutzes von Mooren und ihres Torfes für das Klima. Solche intakten Feuchtareale gibt es vor allem noch auf der nördlichen Hemisphäre, beispielsweise in Sibirien und dem Baltikum.
Die meisten Moore sind heute entwässert
Blick in die Vergangenheit des Hinterzartener Moores. Rund 500  Jahre haben die Moose gebraucht, um knapp 50 cm Torf hervorzubringen.
„Im Schwarzwald sind in den vergangenen 100 Jahren leider die meisten Moore entwässert worden”, beklagt von Sengbusch. Auch im Hinterzartener Moor hat man rund 70 Gräben angelegt, um das Wasser abzuleiten. Man wollte den Torf abbauen, wozu es dann aber doch nicht kam. Dennoch ist der Wasserstand heute so niedrig, dass das Feuchtbiotop ökologisch auf der Kippe steht. So hat der Wald vom Rand her schon große Teile der ursprünglichen Moorfläche erobert: Gehölze und Bäume wie die Fichte wandern immer weiter hinein. Das belegen Luftbilder seit 1945.
Dass der niedrige Wasserstand im Hinterzartener Hochmoor inzwischen dessen Bestand gefährdet, hat auch das vergangene Jahr gezeigt. In dem trockenen und heißen Sommer 2015 sind die Torfmoose auf der Hälfte der verbliebenen Moorfläche ausgetrocknet und abgestorben. „Wenn wir jetzt nichts tun, dann ist das ganze Hinterzartener Moor in rund 30 Jahren zu einem Moorwald geworden”, mahnt der Biologe. Deshalb versuche man, den Verlandungsprozess umzudrehen, damit das Torfmoos und damit das Moor insgesamt wieder wachsen kann. Dafür kommen Spendengelder der Daimler AG zum Einsatz, die 920000 Euro für Maßnahmen zur Renaturierung eines Moores bei Isny sowie des Hinterzartener Moores zur Verfügung gestellt hatte. In einem ersten Schritt hat man die Entwässerungsgräben im Rahmen der Renaturierung mit Holzbohlen blockiert, um das Niederschlagswasser im Moor zurückzuhalten.
Außerdem muss die Entwicklung des Waldes in den Randbezirken des Moores vom Menschen gesteuert werden. Die Renaturierung muss schrittweise erfolgen. Zum Beispiel dürfen nicht einfach alle Bäume gefällt werden, weil Hitze und Trockenheit das Moos schädigen. Vielmehr werden gezielt einzelne Fichten entnommen, um der seltenen Spirke (Moorkiefer) und den Pflanzen am Boden, vor allem dem Torfmoos, wieder Licht und Luft zu verschaffen.
Alle diese Maßnahmen stehen beispielhaft für die Realisierung des Zieles Nummer fünf der „Gesamtkonzeption Waldnaturschutz ForstBW”, das ausdrücklich die Wiederherstellung und Sicherung  nasser Standorte im Wald als Ziel setzt. Einzelheiten erläuterte bei der Pressefahrt Forstpräsident Meinrad Joos vom Regierungspräsidium Freiburg.
Er konkretisierte die Konzeption mit folgenden Fakten:
  1. Ziel ist es, den schleichenden Verlust der biologischen Vielfalt bis 2020 zu stoppen und eine positive Entwicklung bis 2050 einzuleiten.
  2. Der Anteil nichtheimischer Baumarten, vor allem Douglasie und Roteiche, soll 20 Prozent nicht übersteigen.
  3. Zu den Lichtbaumarten, die 15 %  der Wälder bis 2020 bestocken sollen, zählen vor allem Eiche, aber auch Kirsche, Elsbeere, Erle und Schwarzpappel sowie Lärche und Kiefer als Nadelbaumarten.
  4. Bis Ende 2015 waren rund fünf Prozent des Staatswaldes in Baden-Württemberg aus der Nutzung genommen.
  5. Das Eschentriebsterben breitet sich rasant aus, wie Meinrad Joos berichtete.
  6. Die Konzeption zum Waldnaturschutz ist nur für Flächen des Staatswaldes verbindlich, in Baden-Württemberg ist das knapp ein Viertel der Forstfläche.
Die Umsetzung der Konzeption für den Waldnaturschutz kostet bis 2020 rund eine Million Euro, die aus den Erträgen des Landesbetriebes ForstBW finanziert werden. Mehr Infos zum Waldnaturschutz sind zu finden unter www.forstbw.de > schützen & bewahren > Waldnaturschutz.

Naturschutzkonzept für den Staatswald
Forstpräsident Meinrad Joos vom Regierungspräsidium Freiburg erklärt das Naturschutzkonzept im Staatswald.
Das Land Baden-Württemberg hat Ende 2014 eine Gesamtkonzeption für den Naturschutz im Wald aufgestellt. Darin verpflichtet sich ForstBW als Bewirtschafter der Staatswälder in Baden-Württemberg, den Wald in seiner Gesamtheit und in all seinen verschiedenen Entwicklungsphasen zu schützen. Zehn ökologische Zie-
le sind in der „Gesamtkonzeption Waldnaturschutz ForstBW” dokumentiert. Sechs wichtige davon sind:
  • Die Flächenanteile der regionaltypischen, naturnahen Waldgesellschaften sind erhalten. Der Anteil standortheimischer Baumarten beträgt mindestens 80 Prozent der Gesamtfläche.
  • Lichtbaumarten sind mit einem Anteil von mindestens 15 Prozent an der Baumartenzusammensetzung beteiligt mit mindestens zehn Prozent Laubbäumen. Dazu werden vielfältige, geeignete Waldbauverfahren angewandt und Störungsflächen genutzt.
  • Lichte, seltene, naturnahe Waldgesellschaften („lichte Waldbiotope”) auf schwachwüchsigen  Sonderstandorten (sauer, trocken, flachgründig) sind erhalten.
  • Naturschutzfachlich bedeutsame, historische Waldnutzungsformen, insbesondere Eichenmittelwälder, sind erhalten und werden gegebenenfalls gefördert.
  • Die Biotopqualität von Mooren und Auen sowie weiterer nasser Standorte im Wald ist gesichert oder wiederhergestellt.
  • Durch Ausweisung von 24500 Hektar dauerhaft nutzungsfreier Waldfläche (Bannwald) ist ein Beitrag zu Prozessschutz, Artenschutz und Biotopvernetzung realisiert. Zusammen mit der geplanten Ausweisung von Kernzonenflächen in Großschutzgebieten erhöht sich die nutzungsfreie Waldfläche auf 33000 ha oder zehn Prozent der Staatswaldfläche.