Bei einem Besuch auf dem Betrieb von Thomas Heilig in Ravensburg-Bavendorf hat sich Landwirtschaftsminister Peter Hauk ein Bild von den verheerenden Frostschäden gemacht. Dabei benannte er auch Eckpunkte, wie das Hilfsprogramm für betroffene Obst- und Weinbaubetriebe aussehen soll.
Die Kirschenernte fällt aus: Minister Peter Hauk (links) und LVEO-Präsident Franz Josef Müller (Zweiter von links) sowie Abgeordneter Martin Hahn (rechts) zeigten sich auf dem Betrieb von Thomas Heilig betroffen über das Ausmaß des Frostschadens in der Steinobstanlage.
„Es ist schon niederschmetternd. Am liebsten würde man die Augen verschließen”, fühlte der Minister nach der Besichtigung der Kirschenanlage mit Thomas Heilig. Nur ganz selten hängt noch eine Frucht zwischen den erfrorenen Blütenständen. Eine Ernte lohnt hier nicht mehr.
Nicht viel besser sieht es in den Apfelanlagen aus. Heilig schätzt die Schäden beim Kernobst auf 80 Prozent und mehr. Dabei habe er versucht, seinen Betrieb mit Hagelnetzen und Folienüberdachungen krisenfest zu machen. „Ich war mir sicher, dass uns nichts mehr passieren kann. Und nun dieser Frost mit einem bislang nicht gekannten Schadensausmaß”, zuckt der Obstbauer frustriert mit den Schultern.
Dieses Schadensausmaß werde viele Betriebe in Existenznot bringen, sollte es keine staatliche Hilfe geben, fürchtet Franz Josef Müller, Präsident des Landesverbandes Erwerbsobstbau (LVEO), auf dessen Initiative der Vor-Ort-Termin am Bodensee zustande kam. Bereits jetzt seien viele Betriebe durch die schlechte Erlöslage in den Vorjahren finanziell in Bedrängnis und nicht mehr in jedem Fall gewährten die Banken die nötigen Kredite.
Schaden dokumentieren
Doch das Land will helfen, wie Hauk in Bavendorf
versicherte. Er kündigte ein Maßnahmenpaket für betroffene Obst- und
Weinbaubetriebe an, über die ein Teil des Schadens ausgeglichen werden
könne. Gleichzeitig sollen verschiedene Maßnahmen den Betrieben künftig
eine bessere Risikovorsorge ermöglichen. Für die direkten finanziellen
Hilfen, für die der Weg nach der Einstufung als Naturkatastrophe geebnet
ist, nannte der Minister erste Eckpunkte. Danach sollen
existenzgefährdete Betriebe bei Ertragsausfällen von mehr als
30 Prozent, getrennt für jede Kulturart, einen Ausgleich erhalten. Die
Obergrenze liegt bei 50000 Euro pro Betrieb, die aber in Härtefällen mit
entsprechenden Nachweisen noch überschritten werden kann. Basis für die
Ermittlung des Ertragsausfalls ist der durchschnittliche Normalertrag
der letzten drei Jahre.
„Der Staat kann allerdings erst helfen, wenn die Höhe des Schadens
feststeht”, erklärte Hauk mit Verweis auf den Herbst. In seiner
Pressemitteilung rät der Minister dabei zur Dokumentation der Schäden
durch Fotos, Flurkarten und Bonituren.
Ein solches Hilfspaket gab es bereits bei den Frostschäden 2011. Damals
zahlte das Land rund sieben Millionen Euro an betroffene Betriebe aus.
Diese konnten damit ihren frostbedingten Erlösausfall zu 47 Prozent
decken. „Diese Ziellinie aus dem Jahr 2011 wieder zu erreichen, wird ein
großer Kraftakt”, erklärte der Minister angesichts des
Schadensausmaßes, das drei- bis viermal höher sei als im damaligen
Frostjahr. Gleichzeitig appellierte er an den Bund, mit einem weiteren
Hilfsprogramm die betroffenen Betriebe zusätzlich zu unterstützen.
Bislang allerdings ohne durchschlagenden Erfolg, wobei vor allem die
nördlichen Bundesländer die erhoffte Solidarität bislang vermissen
ließen.
Versicherungslösung nötig
Ferner sollen Landesbürgschaften die
Liquidität der Betriebe sichern. Allerdings könne der Staat auch nicht
der Rückversicherer der Nation sein, weshalb künftig bessere
Rahmenbedingungen für die Eigenvorsorge geschaffen werden sollten. Hauk
beteuerte, dass er sich beim Finanzminister für die Einführung einer
steuerfreien Risikoausgleichsrücklage einsetzen will. Für zwingend
notwendig hält er die Einführung einer Mehrgefahrenversicherung für
Kern- und Steinobst, die aufgrund der hohen Prämien zumindest zum
Einstieg staatlich bezuschusst werden müsse. Auf solche eine Lösung
pocht auch LVEO-Vizepräsident Hartwig Roth. Es sei völlig
unverständlich, dass zwar Erdbeeren, nicht aber Kirschen oder Äpfel
gegen Frost versichert werden könnten. 17 andere EU-Staaten hätten
solche Versicherungslösungen dagegen im Angebot und das mit Zuschüssen
von 40 bis 60 Prozent zu den Versicherungsprämien.
Minister für „Kultur des Ermöglichens”
Darüber hinaus forderte Hauk eindringlich dazu auf,
die Familienbetriebe nicht mit immer mehr Bürokratie zu überfrachten.
Beispielsweise gelte dies auch für die Möglichkeit der Wasserversorgung
für eine Beregnungsanlage. Gerade die Überkronenberegnung hatte sich am
Bodensee aber als einzig wirksamer Schutz gegen die Frosttemperaturen
erwiesen. Er appellierte an die Behörden, für den Brunnenbau oder das
Anlegen von Bewässerungsteichen und Zisternen „eine Kultur des
Ermöglichens und nicht des Verhinderns” an den Tag zu legen. „Wer
regionale Lebensmittel will, muss auch ermöglichen, dass sie hier
erzeugt werden”, unterstrich der Minister.
Hauk erklärt Frost zur Chefsache
„Die Landwirtschaft geht professionell mit den Frostschäden um. Sorgen ja, Verzweiflung nein. Gemeinsam mit den Verbänden werden wir uns an die Arbeit machen. Am Ende sehe ich eine tragfähige Lösung, die allen Belangen bestmöglich Rechnung trägt”, betonte Landwirtschaftsminister Peter Hauk am 8. Mai gegenüber der Presse. Auch der Bund habe Bereitschaft signalisiert, den Bauern zur Seite zu stehen. „Die Äußerungen von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt stimmen mich zuversichtlich. Auch er hält eine Unterstützung für Landwirte mit schweren Frostschäden für möglich”, so Hauk. „Die Bewältigung der Frostschäden habe ich zur Chefsache erklärt”, betonte der Minister. In der Abteilung Landwirtschaft seines Ministeriums laufen Hauk zufolge die Fäden zusammen. Die Fachleute dort stünden in engem Kontakt zur Branche, zu den landeseigenen Forschungsanstalten, zu den anderen Ländern, zu Berlin und Brüssel. Diese „Task-Force” trage die Fakten zusammen und arbeite Lösungsvorschläge aus.