Politik | 11. Mai 2017

Minister konkretisiert Frost-Hilfspaket

Von Brigitte Werner-Gnann
Bei einem Besuch auf dem Betrieb von Thomas Heilig in Ravensburg-Bavendorf hat sich Landwirtschaftsminister Peter Hauk ein Bild von den verheerenden Frostschäden gemacht. Dabei benannte er auch Eckpunkte, wie das Hilfsprogramm für betroffene Obst- und Weinbaubetriebe aussehen soll.
Die Kirschenernte fällt aus: Minister Peter Hauk (links) und LVEO-Präsident Franz Josef Müller (Zweiter von links) sowie Abgeordneter Martin Hahn (rechts) zeigten sich auf dem Betrieb von Thomas Heilig betroffen über das Ausmaß des Frostschadens in der Steinobstanlage.
„Es ist schon niederschmetternd. Am liebsten würde man die Augen verschließen”, fühlte der Minister nach der Besichtigung der Kirschenanlage mit Thomas Heilig. Nur ganz selten hängt noch eine Frucht zwischen den erfrorenen Blütenständen. Eine Ernte lohnt hier nicht mehr.
Nicht viel besser sieht es in den Apfelanlagen aus. Heilig schätzt die Schäden beim Kernobst auf 80 Prozent und mehr. Dabei habe er versucht, seinen Betrieb mit Hagelnetzen und Folienüberdachungen krisenfest zu machen. „Ich war mir sicher, dass uns nichts mehr passieren kann. Und nun dieser Frost mit einem bislang nicht gekannten Schadensausmaß”, zuckt der Obstbauer frustriert mit den Schultern.
Dieses Schadensausmaß werde viele Betriebe in Existenznot bringen, sollte es keine staatliche Hilfe geben, fürchtet Franz Josef Müller, Präsident des Landesverbandes Erwerbsobstbau (LVEO), auf dessen Initiative der Vor-Ort-Termin am Bodensee zustande kam. Bereits jetzt seien viele Betriebe durch die schlechte Erlöslage in den Vorjahren finanziell in Bedrängnis und nicht mehr in jedem Fall gewährten die Banken die nötigen Kredite.
Schaden dokumentieren
Doch das Land will helfen, wie Hauk in Bavendorf versicherte. Er kündigte ein Maßnahmenpaket für betroffene Obst- und Weinbaubetriebe an, über die ein Teil des Schadens ausgeglichen werden könne. Gleichzeitig sollen verschiedene Maßnahmen den Betrieben künftig eine bessere Risikovorsorge ermöglichen. Für die direkten finanziellen Hilfen, für die der Weg nach der Einstufung als Naturkatastrophe geebnet ist, nannte der Minister erste Eckpunkte. Danach sollen existenzgefährdete Betriebe bei Ertragsausfällen von mehr als 30 Prozent, getrennt für jede Kulturart, einen Ausgleich erhalten. Die Obergrenze liegt bei 50000 Euro pro Betrieb, die aber in Härtefällen mit entsprechenden Nachweisen noch überschritten werden kann. Basis für die Ermittlung des Ertragsausfalls ist der durchschnittliche Normalertrag der letzten drei Jahre.
„Der Staat kann allerdings erst helfen, wenn die Höhe des Schadens feststeht”, erklärte Hauk mit Verweis auf den Herbst. In seiner Pressemitteilung rät der Minister dabei zur Dokumentation der Schäden durch Fotos, Flurkarten und Bonituren.
Ein solches Hilfspaket gab es bereits bei den Frostschäden 2011. Damals zahlte das Land rund sieben Millionen Euro an betroffene Betriebe aus. Diese konnten damit ihren frostbedingten Erlösausfall zu 47 Prozent decken. „Diese Ziellinie aus dem Jahr 2011 wieder zu erreichen, wird ein großer Kraftakt”, erklärte der Minister angesichts des Schadensausmaßes, das drei- bis viermal höher sei als im damaligen Frostjahr. Gleichzeitig appellierte er an den Bund, mit einem weiteren Hilfsprogramm die betroffenen Betriebe zusätzlich zu unterstützen. Bislang allerdings ohne durchschlagenden Erfolg, wobei vor allem die nördlichen Bundesländer die erhoffte Solidarität bislang vermissen ließen.
Versicherungslösung nötig
Ferner sollen Landesbürgschaften die Liquidität der Betriebe sichern. Allerdings könne der Staat auch nicht der Rückversicherer der Nation sein, weshalb künftig bessere Rahmenbedingungen für die Eigenvorsorge geschaffen werden sollten. Hauk beteuerte, dass er sich beim Finanzminister für die Einführung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage einsetzen will. Für zwingend notwendig hält er  die Einführung einer Mehrgefahrenversicherung für Kern- und Steinobst, die aufgrund der hohen Prämien zumindest zum Einstieg staatlich bezuschusst werden müsse. Auf solche eine Lösung pocht auch LVEO-Vizepräsident Hartwig Roth. Es sei völlig unverständlich, dass zwar Erdbeeren, nicht aber Kirschen oder Äpfel gegen Frost versichert werden könnten. 17 andere EU-Staaten hätten solche Versicherungslösungen dagegen im Angebot und das mit Zuschüssen von 40 bis 60 Prozent zu den Versicherungsprämien.
Minister für „Kultur des Ermöglichens”
Darüber hinaus forderte Hauk eindringlich dazu auf, die Familienbetriebe nicht mit immer mehr Bürokratie zu überfrachten. Beispielsweise gelte dies auch für die Möglichkeit der Wasserversorgung für eine Beregnungsanlage. Gerade die Überkronenberegnung hatte sich am Bodensee aber als einzig wirksamer Schutz gegen die Frosttemperaturen erwiesen.  Er appellierte an die Behörden, für den Brunnenbau oder das Anlegen von Bewässerungsteichen und Zisternen „eine Kultur des Ermöglichens und nicht des Verhinderns” an den Tag zu legen. „Wer regionale Lebensmittel will, muss auch ermöglichen, dass sie hier erzeugt werden”, unterstrich der Minister.
Hauk erklärt Frost zur Chefsache
„Die Landwirtschaft geht professionell mit den Frostschäden um. Sorgen ja, Verzweiflung nein. Gemeinsam mit den Verbänden werden wir uns an die Arbeit machen. Am Ende sehe ich eine tragfähige Lösung, die allen Belangen bestmöglich Rechnung trägt”, betonte Landwirtschaftsminister Peter Hauk am 8. Mai gegenüber der Presse. Auch der Bund habe Bereitschaft signalisiert, den Bauern zur Seite zu stehen. „Die Äußerungen von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt stimmen mich zuversichtlich. Auch er hält eine Unterstützung für Landwirte mit schweren Frostschäden für möglich”, so Hauk.  „Die Bewältigung der Frostschäden habe ich zur Chefsache erklärt”, betonte der Minister.  In der Abteilung Landwirtschaft seines Ministeriums laufen Hauk zufolge die Fäden zusammen.  Die Fachleute dort  stünden in engem Kontakt zur Branche, zu den landeseigenen Forschungsanstalten, zu den anderen Ländern, zu Berlin und Brüssel. Diese „Task-Force” trage die Fakten zusammen und arbeite Lösungsvorschläge aus.