Land und Leute | 04. Februar 2016

Milchmarkt und FFH-Flächen sorgen für Frust

Von Heinrich von Kobylinski
Die Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft für Höhenlandwirtschaft (AfH) vergangene Woche in Fischerbach war ein Spiegelbild der agrarpolitischen Situation, in der die Sorge um den Milchmarkt zunehmend an Raum gewinnt. Daneben spielte das Thema FFH-Flächen eine wichtige Rolle.
Der scheidende AfH-Vorsitzende Karl Rombach verwies  auf die Preissituation am Milchmarkt und warnte vor den Folgen einer weiteren betrieblichen Ausdünnung. Er verglich die Lage mit dem Schweinesektor. Nach Ansicht  von Rombach,  der auch CDU-Landtagsabgeordneter ist,  habe die Öffentlichkeit den wertvollen Einfluss der Milcherzeugung auf die Kulturlandschaft erkannt –  wirkliche Ansätze zur Stabilisierung dieser Grünlandnutzungsart  gebe es aber  nur wenige. Dafür  viele Anregungen zur Förderung von Naturschutz und Tierschutz.
Die AfH besichtigte auch die Milchviehhaltungs-Kooperation von Hubert Buchholz (links) und Johannes Schmider (zweiter von links) in Mühlenbach. Weiter im Bild der neue AfH-Vorsitzende Oswald Tröndle (zweiter von rechts) und der scheidende Vorsitzende Karl Rombach.

Auch Wolfgang  Reimer sieht die Milchwirtschaft in einer schwierigen Lage: „Wir werden bei der Milch einen Strukturbruch bekommen”, prophezeite der Ministerialdirektor im Stuttgarter Landwirtschaftsministerium. Er  sprach von einem  Auseinanderklaffen bei der Entwicklung der  Betriebe:  Während Baden-Württemberg 3000 Betriebe mit weniger als 20 Kühen und nur 2500 mit mehr als 50 Kühen habe, sei es in Norddeutschland fast normal, wenn Erzeuger von 80 auf 200  oder von 150 auf 300 Kühe erweitern.
 Nach Reimers Eindruck will die EU-Kommission die Drittlandsexporte ausweiten, ebenso wie man auch im Bundeslandwirtschaftsministerium auf den  freien Markt setze. In Süddeutschland lobte er die Gestaltungskraft einiger Molkereien, denen es gelungen sei, die Marktchancen im Biobereich für sich zu nutzen. Die weitere Aufnahmekapazität in diesem Segment aber schätzt Reimer  nicht als so umfangreich ein,  wie sie eigentlich nötig wäre. 
Weniger Milch
Aus Reimers Sicht muss die  Milchproduktion aktuell reduziert werden. Für denkbar hält er Vereinbarungen zwischen Erzeugern und ihrer  Molkerei, bei denen feste Mengen und Preise vereinbart werden, gemeinsam mit einer ergänzenden Regelung, die sich auf alle  Mengen bezieht, die darüber liegen, und hierbei einen flexiblen Preis erlauben.  
Auch BLHV-Präsident Werner Räpple sprach von „beginnenden Diskussionen” über mehr Flexibilität bei der Lieferbeziehung zur Molkerei. Der Winzer aus Oberrotweil erinnerte an den Weinsektor, wo man einen „Deckel drauf macht”, wenn es zu Überangeboten kommt.
Reimer benutzte den Ausdruck „freiwillig”  auch, als es um die Anbindehaltung ging, und warnte davor, dass der Lebensmitteleinzelhandel  eigene Standards setzen könnte, indem er Milch aus Anbindehaltung nicht mehr akzeptiert. Trotz der Marktlage appellierte Reimer, gegebenenfalls in den Stallbau zu investieren. Das AFP-Programm biete dafür einen Zuschuss von 20%. Mit dem Standard „tiergerecht” gibt es  30%.
Nicht zur Rubrik „freiwillig” gehört dagegen das Weidetagebuch: Laut Reimer dient es der Verwaltung als Nachweis, dass sich die Kühe tatsächlich auf der Weide befinden. Deswegen müsse es tagesaktuell geführt werden. Das werde   stichprobenartig überprüft, zumal es für Milchkühe  eine Weideprämie gibt. 
  In Frankreich wurden große, zusammenhängende Gebiete als FFH-Flächen ausgewiesen, auf denen ein „potenzielles Vorkommen” von wertvollen Pflanzengesellschaften angenommen wird. Eine Kartierung fand dort bisher noch nicht statt. Die darin einbezogenen Landwirte erfüllen die Auflagen des Naturschutzes auf freiwilliger Basis.
 Laut  Hubert God, BLHV-Referent für Umwelt und Natur,  liegt die Verantwortlichkeit für den ökologischen Zustand der Gebiete beim Staat. Damit besteht ein erheblicher Kontrast gegenüber der FFH-Umsetzung in Deutschland, wo die Einzelparzellen mit ihrem ökologischen Bestand längst kartiert  wurden und wo die Verantwortlichkeit für die Erhaltung des ökologischen Zustandes und seiner Qualität  beim Bewirtschafter liegt.
 Das wird spätestens bei der Nachkartierung ein Thema, die regelmäßig nach zwölf Jahren vorgenommen wird und bei der die Daten über den  Aufwuchs
 in einen ökologischen  Quali-
tätsvergleich mit der vorangegangenen Kartierung kommen. Für Baden-Württemberg hat das naturschutzrechtliche Verschlechterungsverbot eine besondere Bedeutung: Laut
God kann daraus für den betroffenen Landwirt ein sogenannter Rückholungszwang entwickelt werden. 
"Weiterleitung war ein Fehler"
Viele Erstkartierungen wurden  2003 vorgenommen. Es war ein Trockenjahr mit besonderen Aufwuchsbedingungen. Unabhängig davon lautete die Nachricht der Naturschutzverwaltung an die Landwirte: „Weiterwirtschaften wie bisher.” Das führte zu Missverständnissen, wie Reimer sagt. Er klagte in Fischerbach über einen steigenden Viehbesatz und vorgezogene Mähtermine.
 Andererseits haben die nach Brüssel gemeldeten FFH-Flächen durch ihre Kartierung einen ökologischen Bestandsschutz erhalten. Durch die  häufig  aufgetretenen Veränderungen droht der Landesverwaltung laut Reimer ein Vertragsverletzungsverfahren der EU. In Fischerbach  räumte Reimer ein, dass die Weiterleitung der kartierten Flächendaten nach Brüssel ein Fehler war – der  von der Vorgängerregierung zu verantworten sei.
Tröndle neuer AfH-Vorsitzender
Zum neuen Vorsitzenden der AfH wurde in Fischerbach Oswald Tröndle aus Höchenschwand gewählt, nachdem Karl Rombach nicht mehr kandidierte. Die weiteren Vorstandsmitglieder sind:  1. Stellvertretender Vorsitzender Eckhard Schmieder aus Fischerbach; 2. Stellvertretender Vorsitzender Bernhard Bolkart aus Schonach; Federführendes Vorstandsmitglied Dr. Martin Armbruster aus Freiburg; weiter sind im Vorstand: Bernhard Kohmann  (Hausach), Nikolaus König (Breitnau), Martin Pfefferle (Aitern), Gerd Schönbett (Bürgermeister der Gemeinde Kleines Wiesental) und Clemens Speicher  (Ibach).