Politik | 09. März 2017

„Hier fehlt normaler Menschenverstand”

Von Walter Eberenz
Eine sehr kämpferische Landesversammlung erlebten die rund 450 Gäste des BLHV am Freitag voriger Woche in Bonndorf: Dafür sorgten die Rede des 1. BLHV-Vizepräsidenten Franz Käppeler und die Diskussionsbeiträge der BLHV-Mitglieder. Landwirtschaftsminister Peter Hauk war bei einigen Punkten in der Defensive, bei anderen war er voll auf der Seite der Bauern.
BLHV-Vizepräsident Franz Käppeler hielt die Grundsatzrede.
Gäbe es das Reizthema Prämienauszahlung nicht, wären in Bonndorf deutlich weniger  Dissonanzen zwischen Berufsstand und Minister aufgetreten und Hauk hätte es etwas ruhiger gehabt. So bekam der Minister  in Bonndorf jedoch  aus erster Hand mit auf den Nachhauseweg, dass es die vom Land verursachten Schwierigkeiten mit der Auszahlung der EU-Prämien nicht auch noch gebraucht hätte: Die Bauern kämpfen gerade ohnehin mit den Folgen schlechter Preise bei vielen ihrer Erzeugnisse, mit öffentlichen und politischen Angriffen auf ihre Arbeit und ihr Selbstverständnis und mit  unaufhörlich weiter steigenden Produktionsbehinderungen und bürokratischen Anforderungen, die bei vielen nur noch Kopfschütteln auslösen.
Engagiert und emotional
Das machte der 1. BLHV-Vizepräsident Franz Käppeler in seiner engagierten und emotionalen Rede klar und das bekam der Minister auch von Landwirten im Saal zu hören, die sich bei der Aussprache zu Wort meldeten und ihrem Ärger freien Lauf ließen. Franz Käppeler vertrat in Bonndorf Präsident Werner Räpple, der auf einer lange zuvor geplanten Fachreise in Übersee weilte (weitere Erläuterungen dazu  siehe BBZ 8, Seite 8). Die Forderung nach dem Einsatz von „normalem, gesundem Menschenverstand” statt bürokratischer  Regelungen, die nicht oder kaum in die Praxis umsetzbar sind, zog sich wie ein „roter Faden” durch Käppelers Rede.  So gab er ihr auch die Überschrift „Freude am Beruf – zwischen freien Märkten, unsachlicher Meinungsmache und bürokratischer Gängelei”. Käppeler ließ kurz das Jahr 2016 Revue passieren und sprach von „Marktpreisen noch mieser als das Wetter”, von „Girokonten mit Schwindsucht”. Als er die Einführung der grafischen Antragstellung als „misslungenen und blamablen Verwaltungsakt” titulierte, gab es Beifall. 
So ein Jahr nicht noch einmal
Erneut brandete dieser auf, als Käppeler gegenüber Landwirtschaftsminister Peter Hauk kundtat, „dass wir so ein Jahr nicht noch einmal brauchen” und von ihm forderte, „dass sich an dem Verwaltungswahnsinn etwas ändert”. So werde Landbewirtschaftung in Ar gemessen und nicht in Quadratmetern. Das sollte auch für den Gemeinsamen Antrag gelten, forderte  Käppeler. Er zählte noch weitere Knackpunkte auf, die aus bäuerlicher Sicht unverständlich sind. „Wir müssen die Bürokratie für die Verwaltung und für die Bauern händelbar und sinnig machen. Hier brauchen wir normalen Menschenverstand”, betonte der Vizepräsident des BLHV.Im weiteren Verlauf der Rede sprach Käppeler die berufsständischen Sichtweisen und Forderungen zur Beratung an sowie  zum Ökopunktesystem, zur „Schweizer Landnahme”, zur Tierhaltung in benachteiligten Gebieten und Steillagen, zu Tierwohlanforderungen, zur Düngeverordnung, zum Greening, zum Agrardiesel-Antrag, zu Luchs, Wolf und Biber, zum Pumpspeicherwerk Atdorf, zu PFC und schließlich zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP). Hier forderte Käppeler den Erhalt der Ersten Säule und eine erweiterte Besserstellung der ersten Hektare bis in den Bereich von 100 bis 150 Hektar. „Der Ost-Soli ist auch hier nicht mehr notwendig. Die Zeit ist reif. Die öffentliche Meinung steht hinter unseren südbadischen Strukturen. Machen Sie Druck in Berlin”, gab Käppeler Landwirtschaftsminister Hauk mit ins Gepäck.
Für Degression und Kappung
Peter Hauk gab Käppeler in diesem Punkt komplett Recht. „Ich bin mit Leidenschaft dafür, dass wir eine Degression und Kappung bekommen. Es kann nicht sein, dass der tausendste Hektar das Gleiche bekommt”, betonte er in seiner Rede gegenüber den versammelten Bäuerinnen und Bauern. Auch beim Thema Prämienauszahlung stimmte Hauk dem BLHV-Vizepräsidenten zu, dass dies „ein höchst unrühmliches Kapitel der Verwaltungsgeschichte” sei. Hauk übernahm dafür die politische Verantwortung ab seiner Amtszeit. Der Grundstein für die Misere sei jedoch schon vor seiner Zeit als Minister gelegt worden. Für 2017 gab sich Hauk  optimistisch und noch etwas vorsichtig zugleich: „Es müsste eigentlich einigermaßen rund laufen – ich hoffe es.” Hauk bedauerte, dass vor Jahresende 2016 erst rund 70 Prozent der Landwirte ihr Geld gehabt hätten und auch jetzt die landesweite Auszahlungsquote erst bei 92 Prozent liege.
"Das muss anders werden und das wird anders”, versicherte er gegenüber BLHV-Vizepräsident Franz Käppeler. Abschlagszahlungen an Landwirte erteilte der Minister allerdings eine Absage und begründete dies mit dem Anlastungsrisiko für das Land, das bis zum Bankrott des Landeshaushalts führen könne. Minister Hauk bedankte sich übrigens ausdrücklich bei den Mitarbeitern der Landwirtschaftsämter für ihren Einsatz. Wie Franz Käppeler griff auch Hauk in seiner Rede ein breites Themenspektrum auf; vom Düngerecht bis zur „Schweizer Landnahme”. In vielen Punkten war hier kein Dissens zu bäuerlichen Vorstellungen und Positionen zu erkennen. Hauk revidierte sogar seine ursprüngliche Willkommenshaltung gegenüber dem Wolf, mit dem Argument, dass man auch ihm zugestehen sollte, dazuzulernen. „Der Wolf kann als Rudeljäger die Weidehaltung im Schwarzwald kaputtmachen”, betonte der Minister. Vergleichsweise unproblematisch sei dagegen der Luchs. Der BLHV übergab Hauk auf  der Versammlung eine Resolution mit zentralen berufsständischen Positionen und Forderungen.