Pflanzenbau | 31. Juli 2014

Krautminderung unverzichtbar für Qualität

Von Hans-Jürgen Meßmer, LTZ Augustenberg, Außenstelle Donaueschingen
Der viele Regen fördert die Kraut- und Knollenfäule. Neben dem Fungizidschutz ist eine fachgerechte Krautminderung wichtig, um den Braunfäulebefall der Kartoffeln zu verhindern. Es gibt mechanische, chemische und thermische Verfahren. Wichtig ist, das Kraut zum richtigen Termin abzutöten.
Mechanische Krautregulierung/Krautschlagen.
Die Bestände sind, je nach örtlichen Gegebenheiten, sehr unterschiedlich entwickelt. Deshalb kann keine allgemein gültige Behandlungsempfehlung gegeben werden.
Dennoch ist für die Kartoffelerzeuger der Termin der Krautabtötung der alles entscheidende, um qualitativ hochwertige Marktware zu ernten und dem Endverbraucher Knollen mit guter Lagerfähigkeit zu liefern.Das LTZ Augustenberg hat praktische Tipps zur Krautminderung zusammengestellt.
Jeder Kartoffelerzeuger sollte aktiv den Entwicklungsstand seiner Bestände überwachen, um den besten Zeitpunkt für die Krautabtötung zu finden. Die Feststellung der Knollen- und Reifeentwicklung  erfordert die Durchführung eigener Kontrollen.
Die Höhe des Stärkegehalts und eine Kochprobe bei Speisekartoffeln liefern wichtige Hinweise, wann die aktive Krautabreifemaßnahme erfolgen muss. Bei der Proberodung sollten mindestens zehn repräsentative Stauden geerntet und hinsichtlich der nachfolgend aufgeführten Parameter ausgewertet werden:
  • Ertrag und Größensortierung
  • Stärkegehalt und Kocheigenschaft (Kochtest)
  • Äußere und innere Qualität, zum Beispiel Zwiewuchs und Durchwuchs, Wachstumsrisse, Hohlherzigkeit, Befall mit Nass- und Braunfäule, YNTN-Ringnekrosen und andere.

Der Reifezustand lässt sich im Vorfeld einfach durch das Schneiden der Knollen überprüfen. Ist ein weißer Rand sichtbar, sollte die Abreifebehandlung noch etwas hinausgezögert werden. Auch das Aneinanderreiben zweier Kartoffelhälften gibt einen ersten Hinweis auf den Stärkegehalt. Bildet sich deutlich Schaum auf den Kartoffelhälften, so ist in der Regel eine ausreichende Reife für die Durchführung der Abreifesteuerung erreicht.
Eine sichere Aussage über die Reife der jeweiligen Sorten ergibt sich jedoch nur über die Ermittlung des Stärkegehalts. In der Regel wird die Abreifemaßnahme durchgeführt, wenn etwa 80 % des sortenspezifischen Stärkegehalts der Knollen erreicht sind. Die meisten Sorten sind bereits ab 12 % Stärkegehalt lagerfähig.
Der Stärkegehalt kann entweder mit einer Stärkewaage oder mit Hilfe eines selbst hergestellten Salzbades ermittelt werden. Der Vorteil des selbst hergestellten Salzbades liegt darin, dass die Stärkeverteilung innerhalb der Stauden besser kontrolliert und ausgewertet werden kann. Siehe Tabelle. Beispiel (Quelle: Europlant Pflanzenzucht GmbH): Um eine 10-Liter-Kochsalzlösung bei einer Wassertemperatur von 15 °C auf ein Unterwassergewicht von 330 g = 12,0 % Stärke einzustellen, werden 1052 g Kochsalz benötigt.
Bevor die Knollen in das Salzbad geschüttet werden, müssen sie gründlich gewaschen werden. Anhaftende Erde verfälscht das Untersuchungsergebnis. In dieser Lösung sinken Knollen, die mehr als 12,0 % Stärke enthalten, zu Boden. Andere, unreifere schwimmen oben und werden auch als „Schwimmer” bezeichnet.
Durch die Krautregulierung wird in der Knolle Stärke abgebaut. Der Verlust ist unterschiedlich stark und unter anderem sehr von der Sorte abhängig. Deshalb muss der Stärkegehalt, besonders bei grenzwertigen Gewichten und anschließenden Niederschlägen, mittels Unterwassergewicht unmittelbar vor der Krautregulierung erneut gemessen werden.
Für eine sachgerechte Abtötung des Krautes sollte man verschiedene Parameter im Auge behalten. Während und nach dem Eingriff spielen Bodenfeuchte, Sortenempfindlichkeit und Witterung eine große Rolle.

Chemisch und mechanisch
Grundsätzlich gilt: Je weiter die Abreife vorangeschritten ist, desto weniger risikobehaftet sind einphasige Sikkation oder einphasiges Krautschlagen.
Bewährt hat sich in vielen Fällen eine zwei- oder mehrphasige chemische Krautregulierung.
Bewährt hat sich in vielen Fällen eine zwei- oder mehrphasige chemische Krautregulierung. Hierbei wird die Applikation gesplittet und/oder es werden verschiedene Wirkstoffe kombiniert. Dies  reduziert die Gefahr von Gefäßbündelverbräunungen und Nabelendnekrosen, vor allem bei einem grenzwertigen Stärkegehalt.
Sikkationsmittel zur chemischen Krautabtötung sollten vor allem nicht bei Trockenstress der Pflanzen oder bei starker Hitze appliziert werden. Je trockener der Boden und je höher die Temperaturen, umso höher ist das Risiko. Es sollte daher möglichst in den frühen Morgenstunden gespritzt werden, damit die Pflanzen ihren Wasserhaushalt regenerieren können.
Bei offenen Lentizellen (weiße Pünktchen = Atmungsöffnungen) sollten das Kraut nicht abgetötet werden.
Auch  nach deutlichen Niederschlägen sollte mit der Krautregulierung einige Tage gewartet werden, damit sich die Pflanzen wieder regenerieren können. Besonders in grünen Beständen auf vernässten Schlägen sind die Lentizellen häufig offen. Man sollte jedoch bei offenen Lentizellen (Atmungsöffnungen) die Krautabreifemaßnahme nicht durchführen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich die Lentizellen nicht mehr schließen und anschließend verkorken. Das Erntegut wird dadurch unansehnlich.
Die mechanische Krautregulierung sollte ebenfalls mehrstufig durchgeführt werden, wobei das Kraut nicht auf einmal, sondern in mehreren Durchgängen abgeschlagen wird. 
Bei einer zu frühen Krautminderung können sich Schadsymptome, wie zum Beispiel  dunkelbraun verfärbte Warzen, die dem Schwammschorf ähneln, auf der Knollenschale ausbreiten.
Erkenntnisse aus eigenen Versuchen
Losschaligkeit – links unbehandelte Kontrollvariante, rechts gezielte Krautregulierung.
Mehrere  Jahre der Versuchs- und Praxiserfahrungen am Standort Donaueschingen des Landwirtschaftlichen Technologiezentrums (LTZ) lassen folgende Erkenntnis zu:
  • Die Gefahr des Wiederaustriebes ist bei einer frühen Krautregulierung, vor allem bei ausschließlichem Krautschlagen und nachfolgendem Regen, deutlich erhöht. Ein Wiederaustrieb führt zu einer ungleichmäßigen Abreife der Knollen. Bei der Ernte nehmen Beschädigungen zu und dadurch kommt es zu höheren Lagerungsverlusten. Das größte Folgeproblem wieder austreibender Pflanzen  ist aber, dass diese Pflanzen bevorzugt von Blattläusen beflogen werden. Dadurch kommt es leicht zu Spätinfektionen mit Viren, denn das junge Gewebe der neuen Triebe leitet Viren besonders gut ab.
    Unter Umständen kann ein Wiederaustrieb auch zu Spätinfektionen mit der Krautfäule führen – und das hat im Lager erhebliche Qualitätsprobleme mit Braunfäule zur Folge.
    Deshalb müssen krautregulierte Bestände regelmäßig kontrolliert und  neu gebildete Triebe sofort mit einem Sikkationsmittel abgebrannt werden.
  • Die Aufwandmengen der unterschiedlichen Mittel müssen dem Abreifegrad der Kartoffeln angepasst werden.
  • Die chemischen Mittel wirken unterschiedlich schnell.
  • Eine frühe Krautminderung funktioniert nur nach mäßiger Stickstoffversorgung und entsprechendem Wachstumsstand.
  • Der Stärkegehalt kann deutlich beeinflusst werden. Eine chemische Krautminderung zum ES 75 reduziert den Stärkegehalt im Vergleich zur natürlichen Abreife durchschnittlich um 2,0 %. Zum ES 81 sind es durchschnittlich 1,5 %.
  • Die chemische Krautbeseitigung zum ES 75 reduziert den Ertrag im Vergleich zur natürlichen Abreife um durchschnittlich 23 %. Zum ES 81 sind es durchschnittlich 12 %.
  • Eine frühe und komplette Krautregulierung zum ES 79 durch mechanisches Krautschlagen führt zu einer durchschnittlichen Ertragsreduzierung von 12 %.
  • Um die im Qualitätskartoffelanbau geforderte Schalenfestigkeit zu erzielen, müssen die Kartoffeln nach der Behandlung je nach Sorte rund zwei bis vier  Wochen im Boden nachreifen. Schalenfeste Ware muss sofort gerodet werden. Bei zu später Rodung werden Silberschorf und Rhizoctonia solani einschließlich der dry-core-Symptome gefördert. Zu beachten ist allerdings, dass der Anteil an Lagerdruckstellen bei zu früher Ernte ansteigt. Bei zu später Ernte ist auf Fraßschäden durch Drahtwürmer und Schnecken zu achten.
Versuche zum thermischen Krauttöten
Die thermische Krautregulierung in Kartoffeln wird in Donaueschingen untersucht.
Für eine besonders frühe Krautbeseitigung bietet sich, vor allem im ökologischen Kartoffelanbau, die Kombination von mechanischer und thermischer Krautregulierung an. Die LTZ-Außenstelle Donaueschingen wird ab diesem Jahr in Zusammenarbeit mit Bioland das thermische Verfahren in einem Exaktversuch überprüfen. Dabei werden die Pflanzenzellen durch Wärmeeinwirkung zerstört, so dass es zu einem Absterben und Austrocknen des Kartoffelkrautes kommt. Die Möglichkeit zur Besichtigung des Versuchs sowie der Proberodung von ökologischen und konventionellen Sorten am Versuchsstandort Donaueschingen besteht am  16. September. An diesem Tag wird auch das thermische Verfahren anhand eines Praxiseinsatzes näher vorgestellt.