Politik | 21. September 2017

Kostenbelastung für Bauern in Zahlen

Von AgE
Auf mehr als 5,2 Milliarden Euro pro Jahr beziffert eine wissenschaftliche Studie die Kosten, die der deutschen Landwirtschaft durch europäische und nationale Auflagen im Umwelt-, Klima- und Tierschutz entstehen.
Verschiedene Rahmenbedingungen und Auflagen für die Betriebe verzerren den Wettbewerb zwischen den einzelnen Ländern, sei es innerhalb der EU oder im Vergleich zu Drittländern.
Vorgelegt wurde die Studie vom Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftspolitik an der Ruhr-Universität Bochum, Prof. Helmut Karl, sowie Dr. Steffen Noleppa vom Forschungsinstitut HFFA Research. Auftraggeber ist der Deutsche Bauernverband (DBV).
„Die deutschen Landwirte stehen ohne Wenn und Aber zu den hohen nationalen und europäischen Standards für Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung”, betonte DBV-Präsident Joachim Rukwied vergangene Woche bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Der Berufsstand sei auch ausdrücklich bereit, weiter voranzuschreiten.
Nicht allein über den Markt
Allerdings führten diese Standards im Vergleich zu anderen Erzeugungsregionen zu höheren Kosten in der Landwirtschaft, die die Landwirte nicht allein über den Markt kompensieren könnten. Für Rukwied zählt die Einhaltung der Standards zu den öffentlichen Leistungen des Sektors Landwirtschaft, „die einen Wert haben müssen”. Durch die zusätzlichen Kosten entstehe den Landwirten ein erheblicher Wettbewerbsnachteil, der in der politischen Diskussion um die EU-Agrarzahlungen berücksichtigt werden müsse.
Rukwied befürchtet zahlreiche Betriebsaufgaben und einen deutlichen Strukturwandel, wenn die Landwirte allein gelassen würden. Dann gebe es aber keinen mehr, der die gewünschten öffentlichen Leistungen bereitstellen könnte, gab der Bauernpräsident zu bedenken.
Die Wissenschaftler analysierten die Mehrkosten und Mindererlöse durch europäische und deutsche Umweltstandards sowie zusätzliche Auflagen in den Bereichen Gewässerschutz, Düngung, Pflanzenschutz, Tierhaltung, Cross Compliance, Greening sowie Emissionsschutz (siehe Tabelle). Der dabei ermittelte Gesamtwert von 5,2 Milliarden Euro bedeutet rund 315 Euro an Mehrkosten pro Hektar oder jährlich fast 28 000 Euro für einen durchschnittlichen Haupterwerbsbetrieb.  
NABU will ausweichen
Den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und den Naturschutzbund Deutschland (NABU) überzeugen die Zahlen und Argumentation nicht. Die „simple Einhaltung” von Gesetzen könne nicht als Rechtfertigung für weitere Subventionen gelten, hieß es zur Begründung. Diese Kritik wies wiederum der Bauernverband mit Nachdruck zurück. Der stellvertretende DBV-Generalsekretär Udo Hemmerling betonte gegenüber dem Nachrichtendienst Agra-Europe, dass der NABU einer Debatte um die Kosten der europäischen Standards in der Landwirtschaft ausweichen wolle.
Der Naturschutzbund sollte akzeptieren, dass die deutschen Landwirte die erheblichen Kosten dafür in international offenen Märkten nicht allein tragen könnten. Den Ergebnissen der Studie zufolge müssen die landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland zusätzliche Kosten von mehr als 3,0 Milliarden Euro im Jahr für Standards und Auflagen schultern, beispielsweise im Zuge der neuen Düngeverordnung, die es für Landwirte in Wettbewerbsländern außerhalb der EU überhaupt nicht gibt.
Darüber hinaus entstünden den deutschen Landwirten Mehrbelastungen in Höhe von rund 2,2 Milliarden Euro für Standards und Auflagen wie das Nitratmanagement oder Tiergesundheits- und Tierwohlaspekte, die in Nicht-EU-Wettbewerbsländern in der Regel schwächer formuliert seien beziehungsweise zu geringeren Kosten erfüllt werden könnten.
Forschungsbedarf
Noleppa räumte allerdings ein, dass die Datengrundlage für diesen Bereich nicht sehr reichhaltig gewesen sei. Hier wären anschließende Studien wünschenswert. Weiteren Forschungsbedarf sehen die Wissenschaftler im Hinblick auf eine noch genauere Erfassung der tatsächlichen Kosten zu einzelnen, bereits berücksichtigten Standards und Auflagen, wie auch die Erfassung von Kosten weiterer Standards und Auflagen, die sich dieser Analyse noch entzogen. Nicht einbezogen wurden beispielsweise Arbeiten zur Offenhaltung der Landschaft, die gezielte Landschaftspflege und auch die Beweidung.
Für NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller ist die Studie indes ein „zweifelhafter” Versuch des Bauernverbandes, das „System der milliardenschweren Pauschalsubventionierung zu verteidigen”. Ähnlich äußerte sich auch der BUND-Leiter Agrarpolitik, Christian Rehmer. Seinen Worten zufolge ist die Studie „eine konstruierte Legitimation für fünf Milliarden Euro Flächenprämien”.
Rehmer bezeichnete es als bemerkenswert, dass der in der Studie berechnete Mehraufwand für die deutsche Landwirtschaft genauso hoch wie die jährlichen Direktzahlungen sei. Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Anton Hofreiter, sprach von einer „Umweltschutz-Feindlichkeit”, die nichts anderes als Klientelpolitik für Großbauern sei.