Pflanzenbau | 12. April 2017

Jeder muss seine eigene Schnapsidee finden

Von Heinrich von Kobylinski
Bei den Obst- und Kleinbrennern dreht sich derzeit alles um das Auslaufen des Branntweinmonopols und um die Zeit danach, die 2018 beginnen wird. Klar ist, dass der Übergang noch mehr Marktanpassung erfordert als bisher und auch Beratung notwendig macht.
Dr. Thomas Senn (Mitte) vom Institut für Lebensmittelwissenschaft wurde in den Ruhestand verabschiedet. Links: Ulrich Müller, Vorsit- zender des Verbandes Badischer Klein- und Obstbrenner. Rechts: Joachim Hauck, Ministerialdirigent am MLR in Stuttgart.
In Gengenbach fand hierüber am 1. April ein Symposium statt, das vom Landwirtschaftsministerium ausgerichtet wurde, gemeinsam mit den baden-württembergischen Verbänden der Klein- und Obstbrenner.
„Mir ist um den Sektor nicht bange”, versicherte Joachim Hauck vom Stuttgarter Landwirtschaftsministerium (MLR) in seiner Eröffnungsrede vor den über 160 Anwesenden. Die Selbstvermarktung des Alkohols hat schon jetzt einen Anteil von 50 Prozent erreicht, deutlich mehr als noch vor zehn Jahren. Der Ministerialdirigent war deshalb zuversichtlich, dass die Branche ihren Weg zur vollständigen Eigenvermarktung erfolgreich beschreiten wird.
Im weiteren Verlauf der Veranstaltung wurde aber deutlich, dass der bäuerliche Schnapsverkauf Konzepte braucht, die gründlich durchdacht sind, wenn er sich rechnen soll. Dafür sind auch Schulung und Beratung erforderlich.
Die Veranstaltung wurde deshalb auch genutzt, um in der Person von Braumeister Jürgen Friz eine zusätzliche Beratungskraft vorzustellen, die ab sofort in Weinsberg bei der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt (LVWO) das Kompetenzteam Brennerei verstärken wird. Die neu eingerichtete Stelle wird vom MLR und den Verbänden bezahlt. Sie ist aber befristet bis zum 31. März 2020. 
Export wegen Steuern fast unmöglich
Die Veranstaltung endete mit einer Besichtigung der repräsentativen Brenn- und Verkaufsräume bei Franz Wild in Gengenbach-Strohbach.
LVWO-Institutsleiter Dr. Dieter Blankenhorn findet vor allem die Qualitätsverbesserung bei Spirituosen wichtig, zumal damit seiner Ansicht nach dann auch die Steigerung der Wertschöpfung leichter fällt. Er machte in Gengenbach darauf aufmerksam, dass die bisherige, für Abfindungsbrenner und Stoffbesitzer reduzierte Alkoholbesteuerung weiter fortbestehen wird, ebenso die festgelegten Ausbeutesätze. Dies bedeutet allerdings eine Vermarktungsbarriere für den Export ins Ausland. Er wird auch künftig nicht ohne Weiteres möglich sein. In der EU gibt es zwar einen gemeinsamen Markt, aber kein gemeinsames Steuersystem. Das gilt auch für den Alkohol. In Schweden ist die Branntweinsteuer sehr hoch, in Deutschland vergleichsweise niedrig. Das kann in potenziellen Exportländern deutscher Spirituosen Wettbewerbsverzerrungen verursachen, weshalb umfangreiche Zoll- und Steuerhürden bestehen.
Unabhängig davon ermutigte Blankenhorn die Kleinbrenner zu kreativer Suche nach neuen Geschmacksprofilen und Erzeugnissen bei genauer Beobachtung aktueller Konsumentenwünsche. Er fügte hinzu, dass es für den wirtschaftlichen Erfolg keine Patentrezepte gebe. Jeder Brenner brauche ein individuelles Verkaufskonzept, das auf seine Verhältnisse ausgerichtet sei. So sei die Verkaufssituation in einer Tourismusregion anders als in einer Gegend mit viel Industrie; und überall dort, wo viele Kleinbrenner ansässig sind, sollte man gemeinschaftliches Brennen und/oder Vermarkten in Erwägung ziehen, mahnte der Fachmann.
Berater sind Mangelware
Georg Bätz von der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim gab mit seinen zwei Jahren Erfahrung beim Spezialdienst für bayerische Kleinbrenner zu bedenken, dass die Arbeit von dem dortigen dreiköpfigen Team kaum zu bewältigen ist. Hilfreich sei die intensive Vernetzung mit anderen Institutionen, beispielsweise mit den LWG-Abteilungen für Landespflege, für Gartenbau, für Weinbau und für Analytik sowie mit Kleinbrennerverbänden.
Der Arbeitsschwerpunkt der Bayern ist die Produkt- und Sortimentsberatung in Kombination mit Betriebswirtschaft und der Qualitätsschulung. Hinzu kommen Fortbildungskurse, beispielsweise in Sensorik, und Verkostungswettbewerbe. Sobald es um eine neue Brennereieinrichtung oder um die Investition in neue Verkaufsräume geht, schließt sich die Bauberatung an. Am Beispiel von Franziska Bischof, Brennerin aus Wartmannsroth in Unterfranken, machte Georg Bätz deutlich, dass für den Bau von ansprechenden, repräsentativen Räumlichkeiten Investitionen von 300.000 Euro und mehr anfallen können, vor allem, wenn sie auf große (Bus-)Gesellschaften ausgelegt sind.
Von Amaretto bis Tequila
Lorenz Humbel, Inhaber einer Schweizer Spezialitätenbrennerei, berichtete von seiner über zwanzigjährigen Erfahrung am freien Markt. Seine Ideen haben ihm ungewöhnliche Absatzkanäle eröffnet: Er experimentierte beispielsweise mit verschiedensten Kirschensorten. Heute verarbeitet er davon 300 Tonnen im Jahr. Sie liefern den Rohstoff für rund ein Drittel seiner gesamten Spirituosenmenge.
Sein breites Sortiment umfasst alles von Amaretto über Tequila bis hin zu Zwetschgenwasser. Der Aktivist im Slow-Food-Fachkreis ist ständig um Kundenkontakte bemüht, sowohl auf Fachmessen als auch in eigenen Workshops, wo es beispielsweise Kirschtorten oder Schinken, der in Kirschwasser getaucht wurde, gibt. Gastronomen erklärt er, wie Obstschnäpse anspruchsvolle Menüs veredeln.
Dabei will der versierte Vermarkter nicht nur geschmacklich punkten, sondern einen emotionalen Bezug zu Frucht, Bodenständigkeit, Heimat und zur schönen Landschaft herstellen. Das öffnete ihm schließlich die Türen zu Schweizer Bars, wo seine Bio-Kirschwässer derart reges Interesse gefunden haben, dass ihm jetzt die Rohstoffbeschaffung mehr Sorgen bereitet als der Absatz. Die Bioschiene hat an seinem Gesamtumsatz einen Anteil von 40 Prozent erreicht.