Pflanzenbau | 14. Dezember 2017

Herbizideinsatz im Obstbau 2018

Von Dr. Sebastian Messerschmid
Wie geht es mit der Unkrautbekämpfung im Obstbau weiter? Diese Frage erörterten Arno Fried vom Landratsamt Karlsruhe auf dem Augustenberger Obstbautag und Dr. Christian Scheer vom Kompetenzzentrum Bodensee in Bavendorf auf einer Fachtagung der Firma Belchim.
Unkrautfreie Baumstreifen in einer Apfelanlage
Es gibt Zulassungsprobleme bei Herbiziden in Deutschland. Das ist bekannt. „In den meisten Fällen ist hierfür das Umweltbundesamt verantwortlich, das als Einvernehmensbehörde neue Zulassungen und Wiederzulassungen sehr effektiv behindern kann und das auch tut”, sagt Arno Fried vom Landratsamt Karlsruhe. „Deutschland nimmt in dieser Frage eine Sonderstellung ein, die sehr nachteilig für den deutschen Obstbau ist, insbesondere im Vergleich zur Zulassungspraxis in anderen EU-Ländern.”
Eine große Lücke hinterlasse der Wegfall des Herbizids Basta (Wirkstoff: Glufosinat), dessen Aufbrauchfrist am 30. Juni dieses Jahres abgelaufen ist. „Für das bisher in allen Obstbaukulturen zugelassene Präparat besteht somit seit dem 1. Juli 2017 ein Anwendungsverbot”, erläutert Fried. Insbesondere im Strauchbeerenanbau gebe es zurzeit kein zugelassenes Herbizid mit ähnlich breiter Wirkung. Anbauern von Erdbeeren fehle das Präparat insbesondere bei der Bekämpfung von Ausläufern.  Die Tabelle gibt einen Überblick über die verbliebenen Möglichkeiten.
Zahlreiche Beschränkungen
Bei einigen anderen im Obstbau zugelassenen Herbiziden laufe die Zulassung im kommenden Jahr aus. Fried ist sich nicht sicher, ob die chemische Industrie infolge der zu erwartenden Schwierigkeiten die Wiederzulassung betreibt. Der Fachmann beklagt auch viele Anwendungseinschränkungen, die die Übersicht und die Planung erschwerten. Beispiele für den Bereich Kernobst, das heißt Apfel, Birne, Quitte für das Jahr 2018:
  • U 46 M-Fluid (Wirkstoff: MCPA) könne nur von März bis September zum Einsatz kommen;
  • bei Vorox F (Flumioxazin, Zulassung bis zum 30. Juni 2018) sei die Wiederzulassung zwar beantragt, es sei aber, infolge potenzieller Reproduktionstoxizität, unsicher, ob sie komme;
  • Stomp Aqua (Pendimethalin) sei nur noch unter Einhaltung zahlreicher, teils schwierig zu erfüllender Auflagen einsetzbar; außerdem wirke es infolge der Bodenwirkung des Wirkstoffs am besten auf Böden, auf denen noch keine Unkräuter aufgelaufen seien. Das macht einen frühen Einsatz unabdingbar. Die Zulassungsverlängerung sei aufgrund der hohen Persistenz und Verflüchtigungsgefahr des Wirkstoffs nach dem Auslaufen der Zulassung Ende Juli 2018 nicht gesichert.
  • Spektrum (Dimethenamid-P) sei nicht im Pflanzjahr und – weil ebenfalls Bodenherbizid – möglichst nur auf unkrautfreiem Boden zu applizieren;
  • Chikara Duo (Flazasulfuron und Glyphosat) erst ab dem vierten Standjahr und nicht mehr mindestens ein Jahr vor der Rodung;
  • Kerb Flo (Propyzamid) nur während der Vegetationsruhe; außerdem beschränktes Wirkungsspektrum – in erster Linie Gräser, Vogelmiere und Ehrenpreis.
Außer Chikara Duo können die genannten Mittel laut Fried auch in Steinobst zum Einsatz kommen. Der Experte gibt zu bedenken, dass die Unkrautbekämpfung bei der Zwetschge etwas einfacher ist als beim Apfel, weil die Baumkronen mehr beschatten. Fried schlägt für 2018 bei der Unkrautbekämpfung im Baumobst die in der Tabelle beschriebene Strategie vor.
Beerenobst
Verunkrautete Johannisbeeranlage
Herbizidversuche bei Erdbeeren hat Fried mit seinem Team auf dem Erdbeerversuchsfeld bei Forst und auf einer Erdbeeranbaufläche eines Praxisbetriebs durchgeführt. Im Fokus stand dabei vornehmlich die Bekämpfung von Ausläuferpflanzen. Basta und Reglone zeigten dabei gegen Ausläufer die beste Wirkung. Beide Mittel stehen der Praxis aber nicht mehr zur Verfügung. Wirklich gut gegen Ausfallgetreide sowie andere Ungräser und Unkräuter wirkte nur Basta, die Tankmischung aus Quickdown, Toil und Fusilade Max dagegen nur mittelmäßig. „Die Präparate und ‚Versuchsmittel‘ auf Säurebasis, Naturen Bio Unkrautfrei, Surig Essig-Essenz und Zerkol-Essigreiniger, wirkten sehr schnell, zeigten jedoch keine ausreichende Dauerwirkung. Mittelkosten von 320 bis 1250 Euro/ha lassen zudem an deren Wirtschaftlichkeit zweifeln”, ergänzt Fried. Besonders angespannt sei die Herbizidsituation aber im Strauchbeerenbereich: Hier gebe es große Lücken, die man bislang durch einen Basta-Einsatz habe schließen können. Gerade bei Strauchbeeren – also Stachelbeeren, Johannisbeeren, Himbeeren, Brombeeren und Heidelbeeren – funktionierten thermische und mechanische Verfahren zur Unkrautkontrolle besonders unbefriedigend, so dass diese bei Strauchbeeren kaum eine Alternative darstellten. 
Echte Alternativen fehlen
Fried sieht aber auch grundsätzliche Nachteile nichtchemischer Methoden, die für alle Obstkulturen gelten. Denn es könne bei mechanischen Verfahren zu Stamm- oder Wurzelverletzungen kommen, und durch zum Teil geringere Fahrgeschwindigkeit oder Flächenleistung steige der Zeitaufwand für den Obsterzeuger. Außerdem müsse man zumeist eine Restverunkrautung am Stamm von Hand entfernen, und zusätzliche Anschaffungskosten von etwa 4000 bis 30000 Euro sowie ein höherer Energie- und/oder Wartungsaufwand kämen auf den Obsterzeuger zu. Letztendlich befürchtet der Experte durch den Chemieersatz eine zunehmende Erosionsgefahr in Steillagen und – durch das Schaffen eines frischen Saatbetts bei Bodenbewegungen – ein verstärktes Auflaufen von Unkräutern.
Das Pelargonsäure-Präparat Beloukha hat bereits in diesem Jahr eine Notfallzulassung zur Abtötung von Wurzelschossern bei Kernobst nach Artikel 53 der EU-Verordnung 1107/2009 erhalten. Die Herstellerfirma erwartet eine baldige reguläre Zulassung. Dr. Christian Scheer und seine Mitarbeiter vom Kompetenzzentrum Obstbau in Bavendorf haben das Produkt ausgiebig getestet.
Unbedingt zu beachten ist nach seiner Erfahrung die Anwendungskonzentration von acht Prozent. Eine von ihm getestete Mittelkonzentration von 4,5 Prozent führte nämlich zu unbefriedigenden Resultaten. Scheer macht deutlich, dass eine Anwendung von Beloukha nur im Hochsommer sinnvoll sei. Im Oktober sei es bereits zu kalt für diesen Zweck. Während das Mittel bei richtiger Anwendung für das Abtöten von Wurzelschossern geeignet ist, ist es nach Scheers dreijährigen Versuchserfahrungen zu schwach, um ohne Tankmischpartner als Blattherbizid zur Unkrautkontrolle appliziert zu werden. In Kombination mit den Bodenherbiziden Katana oder Vorox F ergab sich jedoch ein guter Bekämpfungserfolg.
Scheer weist darauf hin, dass Vertretern von Umweltverbänden oft nicht klar sei, weshalb überhaupt eine Unkrautregulierung im Obstbau erforderlich sei. Daher hat er als Argumentationshilfe für den Obsterzeuger die drei wichtigsten Punkte zusammengefasst:
  • Wachstumsförderung junger Bäume durch das Entfernen von einkeim- und zweikeimblättrigen Unkräutern als Nährstoff-, Wasser- und Lichtkonkurrenz in den Baumstreifen;
  • indirekter Schutz der Stämme und Unterlagen vor Rindenpilzen und Bakterien durch Verbessern des Bestandesklimas;
  • vorbeugender Schutz vor Mäusen, denn das Fehlen einer Krautschicht erleichtere Greifvögeln das Beutemachen.