Politik | 30. November 2017

Glyphosat bekommt weitere fünf Jahre

Von AgE
Die Zulassung von Glyphosat wird um fünf Jahre verlängert. Entscheidend war das Stimmverhalten der Bundesrepublik. Deutschland hat von seiner bisherigen Enthaltung in dieser Frage Abstand genommen.
Das Gerangel um den Wirkstoff Glyphosat hat auf europäischer Ebene ein vorläufiges Ende gefunden.
Die EU-Mitgliedstaaten haben den Entwurf der Europäischen Kommission am Montag  im Berufungsausschuss des Ständigen Ausschusses für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) mit absoluter Mehrheit gebilligt.
Neben Deutschland haben sich 17 weitere EU-Staaten für die Wiederzulassung des Herbizidwirkstoffs ausgesprochen, darunter Spanien, Polen, Großbritannien, Dänemark und Rumänien. Dagegen stimmten neun Länder; unter ihnen befanden sich Frankreich, Italien und Österreich. Portugal hat sich zuletzt als einziges Land enthalten.
Hendricks sauer auf Schmidt
Eine Sprecherin der Kommission erklärte, dass die Behörde nun die Wiederzulassung von Glyphosat vor dem 15. Dezember vornehmen werde. Der zuständige EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis begrüßte das Votum der Mitgliedstaaten zu seinem Zulassungsentwurf.„Die lange Diskussion über die Zulassungsverlängerung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat wurde auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse fachlich entschieden”, betonte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt nach der Entscheidung.
Nicht einverstanden ist Bundesumweltministerin Barbara Hendricks mit der deutschen Zustimmung zur Wiederzulassung von Glyphosat. Bei den vorherigen Abstimmungen zur Glyphosat-Zulassung hatte sich Berlin auf Druck des Bundesumweltministeriums jeweils enthalten. Wie die SPD-Politikerin berichtete, hat sie Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt vor Beginn der  Abstimmung der Mitgliedstaaten „eindeutig” erklärt, dass sie mit einer Verlängerung der Zulassung von Glyphosat weiterhin nicht einverstanden sei.
„Es war daher klar, dass Deutschland sich auch in der Sitzung des Berufungsausschusses enthalten musste”, so Hendricks. Trotz der unterschiedlichen Auffassung habe der Vertreter des Bundeslandwirtschaftsministeriums in Brüssel eine andere Weisung erhalten, als zwischen beiden Ressorts abgestimmt gewesen sei. Mittlerweile haben sich die Differenzen zwischen Schmidt und Hendricks zu einem Grundsatzstreit zwischen Union und SPD ausgeweitet.
Kritik aus der Opposition
Kritik am positiven Votum kam auch von der agrarpolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Kirsten Tackmann. „Die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung um fünf Jahre ist unverantwortlich; sie stellt ein enormes gesundheitliches und ökologisches Risiko dar”, sagte Tackmann. Aus Sicht des Agrarsprechers der Grünen im Europaparlament, Martin Häusling, hat Europa die Entscheidung zugunsten von Glyphosat dem desolaten Zustand der Regierungsbildung in Deutschland zu verdanken. Das Verhalten des Bundeslandwirtschaftsministers bezeichnete er als „instinktlos und skandalös”.
„Die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung ist ein überfälliger und folgerichtiger Schritt, den die unabhängige und fachlich-wissenschaftliche Risikobewertung vorgezeichnet hat”: So kommentierte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), die  Entscheidung des EU-Berufungsausschusses. Die Begrenzung der Zulassung auf fünf Jahre sei jedoch nur eine Minimallösung.
Damit würden die Diskussionen um diesen Wirkstoff lediglich aufgeschoben. „Der zwingenden Notwendigkeit, die zukünftigen Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln auf wissenschaftliche Grundlagen und Risikobewertungen zu stellen, muss sich die Politik aber über den Fall Glyphosat hinaus stellen”, erklärte Rukwied.
Verantwortungsvoller Einsatz
Der DBV unterstrich, dass die deutschen und europäischen Landwirte Pflanzenschutzmittel verantwortungsvoll und mit nachgewiesener Sachkunde, möglichst effektiv und sparsam einsetzten. Auf die auf wissenschaftlichen Prüfungen basierenden Zulassungsverfahren müssten sich die Landwirte im Hinblick auf Wirksamkeit, gesundheitliche Unbedenklichkeit und Erhaltung der Biodiversität verlassen können.
Für ein effektives Resistenzmanagement sei eine breite Wirkstoffpalette erforderlich, so der DBV. Der Wirkstoff Glyphosat ermögliche darüber hinaus bodenschonende, pfluglose Anbauverfahren, die den Humusaufbau stärker fördern und die CO2-Bilanz im Ackerbau verbessern.
Merkel rügt Schmidt
Die Zustimmung von Bundesagrarminister Christian Schmidt für eine  Zulassungsverlängerung von Glyphosat sorgt in Berlin weiter für politischen Wirbel.
Die Entscheidung habe gegen die Geschäftsordnung der Bundesregierung verstoßen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag gegenüber Pressevertretern in Berlin. Das habe nicht der Weisungslage entsprochen, wie sie von der Bundesregierung ausgearbeitet worden sei.
Die Geschäftsordnung sieht vor, dass sich Deutschland bei Abstimmungen in Brüssel enthält, wenn zwischen den zuständigen Ressorts keine einvernehmliche Position erreicht werden kann. Das war bei Glyphosat der Fall, nachdem Umweltministerin Barbara Hendricks eigenen Angaben zufolge gegenüber ihrem Amtskollegen Schmidt vor der entscheidenden Sitzung ihre ablehnende Haltung gegenüber einer Verlängerung bekräftigt hatte. Die SPD-Politikerin hatte das Verhalten Schmidts scharf kritisiert und eine Reaktion der Kanzlerin gefordert.
Mit ihrer öffentlich erteilten Rüge dürfte Merkel die Erwartung verbinden, dass sich der Unmut bei der SPD angesichts der Gespräche über die  Regierungsbildung allmählich legt. Eine Entlassung Schmidts aus dem Ministeramt gilt hingegen als sehr unwahrscheinlich – so zumindest der Stand der Dinge bei Redaktionsschluss der BBZ am Mittwoch.