Betrieb und Wirtschaft | 08. Dezember 2016

Food Assembly: Der etwas andere Bauernmarkt

Von Donat Singler
Seit Kurzem existiert eine Food Asssembly in Sindelfingen. Die aus Frankreich stammende Vermarktungsplattform ist damit auch in Baden-Württemberg angekommen.
Sie suchen einen preiswerten Einstieg in die Direktvermarktung ohne Hofladen, Verkaufsfahrzeug oder Marktstand? Oder wollen Sie per Internet neue Kunden finden, die Sie auch persönlich treffen? Dann passen Sie zu einer Food Assembly.
Dort kommen einmal pro Woche Verbraucher und Bauern für 90 Minuten zusammen. Der erste Bauernmarkt dieser Art in Baden-Württemberg läuft in Sindelfingen.
Annette Nüßle ist eine der ersten Kundinnen an diesem Abend. Die zweifache Mutter aus dem zehn Kilometer entfernten Ehningen will ihre vorbestellten Lebensmittel abholen. In den vergangenen Tagen hat sie auf der Internetseite der Food Assembly Sindelfingen das Angebot der landwirtschaftlichen Erzeuger gesichtet, bis Dienstagabend Äpfel, Brot und Schafskäse bestellt und online bezahlt.
Anbieterin und Käuferin regionaler Kost: Karin Zimmermann (rechts) und Annette Nüßle.
Am folgenden Donnerstag kann sie die Waren zwischen 16.30 und 18 Uhr im Bockstall in Sindelfingen-Maichingen abholen. In dem kleinen kommunalen Veranstaltungssaal steuert sie kurz nach halb fünf den vordersten der fünf Tische an, wo Karin Zimmermann ihren Schafskäse häppchenweise zum Probieren serviert.
Vor Ort probieren
Das sei das Schöne an dem Angebot, sagt Kundin Nüßle, man könne im Internet bestellen und vor Ort probieren. Auf diese Weise hat sie beim letzten Mal drei statt nur ein Paar Pfefferbeißer mitgenommen.
Die Landwirtin Karin Zimmermann baut im 20 Kilometer entfernten Gäufelden-Tailfingen eine Käserei für ihren Schafskäse auf. Das Angebot der Food Assembly in Sindelfingen-Maichingen kommt ihr deshalb gerade recht. Der Zeitbedarf für die Standbetreuung ist auf einmal die Woche 90 Minuten begrenzt. Aufgrund einer zuvor vorliegenden Bestellliste bringt sie nur so viel Käse mit, wie zuvor online vorbestellt und auch schon online bezahlt wurde.
 Die Idee der Food Assembly ist, „ausschließlich regionale Lebensmittel” an Verbraucher zu vermitteln, sagt Christina Baur, die als lokale Gastgeberin den ungewöhnlichen Bauernmarkt organisiert. Als regional gilt ein Umkreis von 150 Kilometern um den Verteilungsort. Aber je näher der anbietende Hof, desto besser. Die 31-Jährige kümmert sich um  den Verkaufsraum, die Verbraucherwerbung und die landwirtschaftlichen Erzeuger. Finanziert wird ihre Arbeit über eine Umsatzprovision der Vermarkter.
Die Food Assembly in Sindelfingen-Maichingen wird überwiegend von etablierten Direktvermarktern beschickt. An diesem Abend sind es die Imkerin Sabine Holmgeirsson aus Weil der Stadt (Entfernung 8 Kilometer) mit Honig, Met, Bonbons und Lippenpflege; Andreas Messner von Messners Bauernladen in Maichingen (1 km) mit Äpfeln, Säften, Kartoffeln und Christian Zimmermann vom Hoflädle Zimmermann in Renningen
(7 km) mit Backwaren, Eiern, Gemüse und Wurst. Zu den Beschickern gehört auch ein Freilandgänse-Halter aus Heidenheim (133 km).
Kundenstamm erweitern
Christian Zimmermann findet den neuartigen Vermarktungsweg „einfach klasse”. Als Erzeuger könne man die Verbraucher vor Ort von der nachhaltigen Produktionsweise überzeugen, ohne über Preise diskutieren zu müssen. Denn jeder Anbieter legt auf der Internetseite seine Preise selbst fest. Von Vorteil sei die neuartige Möglichkeit, den Kundenstamm zu erweitern. Dass der Kundenstrom der Assembly in Sindelfingen noch nicht über die vollen eineinhalb Stunden reicht, hält den Direktvermarkter nicht ab. Das Projekt läuft zwar erst seit Mitte Oktober, doch die Nachfrage wächst von Woche zu Woche.
Christina Baur möchte den Kreis der landwirtschaftlichen Lieferanten erweitern. Sie wünscht sich Produkte, die auf ihrem Markt noch nicht vertreten sind. Dazu gehören Rindfleisch, Molkereiprodukte, Beeren- oder Steinobst. Mail-Kontakt über: christina@family-baur.com.
Freiburg und Karlsruhe im Aufbau
Die Lebensmittel-Vereinigung Food Assembly  wurde 2011 in Frankreich gegründet. Das Geschäftsmodell besteht aus einer Online-Plattform zum Bestellen von Lebensmitteln sowie Abholstellen, wo Bauern die bereits bezahlten Lebensmittel den Kunden übergeben.  Das Netzwerk vermittelt ausschließlich regionale Lebensmittel und will Verbraucher und Landwirte zusammenbringen. Die Idee ist so beliebt, dass sie in vielen Ländern  Anhänger findet, etwa in Großbritannien, der Schweiz, Deutschland, Italien und Spanien.
 In Deutschland gibt es derzeit 29 Assemblies mit rund 5000 aktiven Kunden.  Etwa 40 weitere  Assemblies sind im Aufbau. Zwei davon befinden sich  in Baden-Württemberg, in Karlsruhe und in Freiburg. Beide sollen im kommenden Frühjahr starten und suchen  noch weitere Erzeuger als Lieferanten. Kontakt für Karlsruhe über anneke.goettsche@posteo.de und für  das Freiburger  Projekt   info@heimatculinaria.de.