Tierhaltung | 08. August 2019

Ein neuer Job für die Landschaftspfleger?

Von Gisela Ehret
In den Weinbergen in und um Freiburg grasen seit April Schafe zwischen den Rebzeilen. Sie sind die Hauptdarsteller in einem Forschungsprojekt, das untersucht, inwiefern sich Weidetiere als Helfer im Weinbau eignen. Ende Juli wurde das Projekt am Weinbauinstitut Freiburg vorgestellt.
Die Schafe weiden im Rahmen des Versuchs über vier Jahre auf mehreren Parzellen in verschiedenen Reb- erziehungsformen.
Für den Weinbau stellt die Begleitvegetation eine ständige Herausforderung dar – sie konkurriert mit den Reben um Wasser und Nährstoffe. Die Winzer müssen die Pflanzen daher mehrmals im Jahr maschinell oder chemisch zurückdrängen. Für die meisten Insekten ist eine solche Umgebung kein geeigneter Lebensraum. Für die Winzer sind außerdem das Entfernen unerwünschter Triebe in Bodennähe und die händische oder maschinelle Entblätterung der Reben eine aufwendige Arbeit, die durch den Anbau in Hanglagen zusätzlich erschwert wird.
Win-win-Situation
Die Beweidung mit Schafen könnte hier Abhilfe schaffen, wie die Initiatoren des Projekts „Win-Win-im-Weinberg (W³)” in einer Pressemitteilung erklären: Sie führe zu einer Aufwertung des Lebensraums, fördere ein gutes Bodenleben und helfe, den Wuchs anderer Pflanzen zu kontrollieren. Schafe übernähmen die Beseitigung von Stockaustrieben und könnten auch zur Entblätterung der Traubenzone eingesetzt werden. In Österreich, Südtirol und Frankreich und auch hierzulande gebe es schon Pioniere, die diese Form der Bewirtschaftung mit Erfolg praktizierten, sagt Nicolas Schoof, Mitinitiator und Doktorand an der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Universität Freiburg. Bisher gebe es jedoch keine angewandte Forschung zum Einsatz der Schafe, und den Winzern fehlten deshalb konkrete Handlungsempfehlungen.
Das Projekt „Win-Win-im-Weinberg” setzt genau hier an. Das Forschungsvorhaben will ökologische und ökonomische Grundlagen erforschen und den Praktikern vermitteln. „Wir werden passgenaue Umsetzungsstrategien für unterschiedliche Weinbausysteme liefern, bei denen voraussichtlich auch Schäfereien eine wichtige Rolle spielen werden”, verspricht Schoof. Die Schafe weiden dafür über vier Jahre auf mehreren Versuchsparzellen in verschiedenen Reberziehungsformen. Insbesondere wollen die Initiatoren evaluieren, ob durch den Einsatz von Schafen die Begleitvegetation kurz gehalten und somit der Herbizid- und Maschineneinsatz zurückgefahren werden kann.
Das Projekt wurde ins Leben gerufen von der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg, der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen und der Abteilung Geobotanik der Universität Freiburg sowie dem Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg. Die Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg fördert das Forschungsvorhaben aus Erträgen der Glücksspirale mit rund 380000 Euro. Weitere Fördermittel in Höhe von 21000 Euro kommen von der Musella-Stiftung in Freiburg und der Heidehof Stiftung GmbH in Stuttgart zum Bau der Weideinfrastruktur.
Projektleiter Prof. Dr. Rainer Luick von der Hochschule für Forstwissenschaft Rottenburg ist begeistert davon, wie das Vorhaben anläuft: „Selten hat die Entwicklung eines Projekts so viel Freude gemacht. Von allen Seiten erhalten wir positive Rückmeldungen.” Auch die ersten Ergebnisse sind positiv: „Wir haben auf Flächen mit Umkehrerziehung und Flachbogen gemessen, wie die Tiere die Stämme putzen, und festgestellt, dass sie 96 Prozent der unerwünschten Triebe weggefressen haben”, berichtet Schoof. „Die Trauben rühren sie dabei nicht an.” Auch der Stamm wird verschmäht. Dafür fressen die Schafe unerwünschte Beipflanzen wie die Winde zuverlässig und „in Echtzeit” ab. „Sie wird jeden Tag aufs Neue weggebissen”, zeigt sich Schoof begeistert.
Eine interessante Alternative für Steillagen
Seiner Ansicht nach ist die Beweidung mit Schafen in manchen Lagen eine echte Alternative. Besonders im Steilhang könnten Schafe zur Arbeitseinsparung beitragen. Außerdem müsse hier das Mähen oft mit der Motorsense geschehen, dabei würden teilweise die Stämme verletzt. „Die Schafe arbeiten hier schonender.” In günstigeren Lagen müsse man genauer
Kosten und Nutzen abwägen. Schließlich seien Schafe auch potenzielle Lieferanten von Wolle und Fleisch und die Weinberg-Beweidung damit eine interessante Doppelnutzungsstrategie, die auch im Weinverkauf gewinnbringend eingesetzt werden könne. Voraussetzung sei, dass die Arbeitsabläufe der Weinbergsbewirtschaftung an die Beweidung mit Schafen angepasst würden und umgekehrt. So müssen die Schafe beispielsweise vor der Behandlung mit Fungiziden kurzfristig aus dem Weinberg genommen werden, eine Ausnahme bilde wohl Calciumcarbonat. „Wir hoffen, dass der Markt bald auf PiWis (pilzwiderstandsfähige Rebsorten) umschwingt und durch die trockenen Sommer wesentlich weniger Spritzdurchgänge nötig sind”, sagt Schoof. „Vorsicht ist auch bei starkem Kupfereinsatz geboten.”
In jedem Fall empfiehlt Schoof Winzern mindestens die Kooperation mit einem ortsansässigen Schäfer. Dieser könne für zwei bis drei Tage ein paar seiner Schafe auf die Rebanlage lassen, damit sie entblättern und die Jungtriebe stutzen. Das helfe beiden Seiten und spare Kosten. Einen Hektar Reben zu entblättern, koste einen Winzer ca. 600 Euro, rechnet er vor. 20 Schafe erledigten die gleiche Arbeit in vier bis fünf Tagen.
Das Forschungsteam will auch untersuchen, ob Schafe im Weinberg prinzipiell das Bodenleben und den Humusaufbau fördern und die Biodiversität im Weinberg unterstützen. Im Projekt sind verschiedene Schafrassen im Einsatz: Finanziert durch die Forschungsgelder wurde eine Herde Ouessant-Schafe gekauft. Wie Nicolas Schoof weiß, nutzen 60 bis 70 Prozent der Praktiker, die bereits Schafe in ihren Weinbergen weiden lassen, diese kleine Rasse, weil durch sie die Traubenzone nicht so gefährdet ist. Nachteilig ist allerdings ihre geringe Fraßleistung, wodurch sie den Begleitwuchs nicht so effektiv reduzieren. Je nach Standort ist dann ein Nachmähen erforderlich. Dennoch stellen die kleinsten Schafe der Welt zuverlässig die Traubenzone frei und bekämpfen Winden und Jungtriebe, berichtet Schoof.
 
Eine Herausforderung
Auch der Bollschweiler Schäfer Edgar Engist beteiligt sich mit seiner Herde am Projekt. Von ihm kommt auch die Idee: Er lässt seine Tiere seit Jahren im Winter in Rebbergen rund um Bollschweil weiden, auch weil die Weidefläche für seine Tiere immer mehr abnimmt. Gemeinsam mit Schoof rief er das Projekt ins Leben. Wenn man Vorsichtsmaßnahmen wie ein Hagelschutznetz oder eine Elektrolitze unter der Traubenzone einsetze, könne man die Schafe auch ganzjährig in den Weinbergen lassen, ist Schoof überzeugt. Allerdings steige dadurch der Arbeitsaufwand. Im Versuchsprojekt werden die Schafe rechtzeitig aus dem Weinberg genommen. „Die Schafe fangen unten an zu entblättern und arbeiten sich dann nach oben. Da muss man rechtzeitig reagieren”, erklärt Schoof. Das bestätigt auch Schäfer Engist: „Wenn die Trauben Zucker ansetzen und die Schafe das herausfinden, wird es gefährlich für die Trauben.” Er hat seine Schafe deshalb bereits auf eine Ausweichfläche gestellt. In Rebstücken mit spätreiferen Sorten können die Tiere aber entsprechend länger weiden. Für den erfahrenen Schäfer, der seit 40 Jahren im Beruf ist, ist das Projekt eine spannende Herausforderung. „Es ist eine ganz andere Hütetechnik als auf der Weide”, sagt er. „Man lernt jeden Tag wieder dazu.”