Land und Leute | 08. Februar 2017

Ohne Fastenzeit ist die Fastnacht überflüssig

Von Christa Maier
Fastnacht, Fasnet, Fasching, Karneval – für die fünfte Jahreszeit gibt es viele Bezeichnungen. Woher kommen eigentlich die verschiedenen Namen? Und wie ist das mit den unterschiedlichen Fastnachtsterminen? BBZ-Mitarbeiterin Christa Maier fragte beim Löffinger Brauchtumsforscher Rudolf Gwinner nach.
Die Maske der Schwenninger Hansel ist aus Lindenholz geschnitzt. Auf dem Haarkranz, mit dem die Maske eingefasst ist, sind Spiegel angebracht, die den Zeitgeist widerspiegeln sollen, den der Narr beim Strählen beachtet und benutzt. Strählen bedeutet, auf liebenswerte und humorvolle Weise seinem Gegenüber die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Sprüche unterhalb der Gürtellinie sind tabu.
Namensgebung:
  Als Fastnacht wird die Nacht vor der Fastenzeit (im Rheinland „Fastelovend”), bezeichnet. „Fastnacht ist also eng verbunden mit der christlichen Fastenzeit und wird von dieser her bestimmt”, sagt Gwinner. Der Münchner Kardinal Faulhaber habe sich 1935 gegen den Versuch der Nazis gewehrt, die Fastnacht als germanisches Fest des Winteraustreibens zu bezeichnen, und betonte den christlichen Hintergrund der Fastnacht. Dies werde heute von der Volkskunde auch bestätigt. „Kritik gab es nur dann, wenn die Narren auch noch am Aschermittwoch unterwegs waren”, so der Brauchtumsforscher.
 Auch Karneval verdeutliche den Zusammenhang mit dem Beginn der Fastenzeit. Im Italienischen werde die Fastenzeit, also die „Fleischwegnahme” („Carnis Levamen”) bereits 965 durch das Wort „Carnelevare” belegt. Karneval könnte seiner Einschätzung nach aus einer scherzhaften Abwandlung dieses Wortes in „Carne Vale” (Fleisch lebe wohl) entstanden sein.
Fasching kennt man in Bayern und Österreich. Urkundlich belegt sei das Wort „Vastschang” im Jahre 1283 in der Passauer Weberordnung. Dort könne es interpretiert werden als  damals üblicher Ausschank des Fastentrunkes oder als regelrechter „Fass-Schank”. Dieser sei als Bewirtung der Abgabepflichtigen durch die geistlichen und weltlichen Grundherrschaften ebenfalls zu Beginn der Fastenzeit üblich gewesen (Beispiel eines Heischebrauchs). Im 13. Jahrhundert sei zum ersten Mal der Begriff Fastnacht (Vastnaht) aufgetaucht. „Die ältesten Fastnachtshinweise in der hiesigen Region finden wir im 13. Jahrhundert in Konstanz und Freiburg, in Donaueschingen im späten 14. Jahrhundert”, so Gwinner.

Fastnachtstermin:  Dieser hänge vom Ostersonntag ab, der seit dem Konzil von Nicaea (325 n. Chr.) auf den Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond fällt. Ursprünglich lag dann eine Fastenzeit von 40 Tagen davor in Erinnerung an die 40-tägige Fastenzeit Jesu in der Wüste. Auf dem Konzil von Benevent (1091) wurden die Sonntage als Gedächtnistage der Auferstehung Jesu als Fastentage ausgeklammert. Der Beginn der Fastenzeit wurde deshalb um sechs Tage vorverlegt. „Die alte Zählung von 40 Tagen liefert uns den Termin der Burefasnet oder alten Fastnacht, wie sie heute noch in den evangelischen Gemeinden des Markgräflerlandes, in Sulzburg oder Weil am Rhein, gefeiert wird”, sagt Gwinner. Daher komme auch die Redensart: „Der kunnt däher wie die alt Fasnet!”
 
Terminschwankung von 35 Tagen
Der Abstand von Dreikönig bis Fastnachtsdienstag variiert von 28 bis 63 Tagen. Fastnacht habe eine mögliche Terminschwankung von 35 Tagen. „Frühester Aschermittwoch ist der 4. Februar, spätester ist der 10. März”, so Gwinner. Frühester Ostersonntag ist daher der 23. März, spätester ist der 25 April.

Ausweitung der Fastnacht:  Vor der radikalen Umstellung des Speiseplans mussten am Vortag des Aschermittwochs die in der Fastenzeit verbotenen Lebensmittel, aber auch verderbliche Lebensmittel aufgebraucht werden. Also wurde am Dienstag vor Aschermittwoch – nur am Dienstag wurde früher Fastnacht gefeiert – noch einmal geschlachtet, gegessen, getrunken, gesungen und getanzt. Da aber an diesem Tag nicht alles verzehrt werden konnte, sei der Montag („blauer”, „geiler”, „guter” Montag) dazugekommen. „Doch auch dieser Montag reichte nicht mehr aus”, weiß Gwinner.  Der Sonntag fiel als
Arbeitstag aus, so dass der „schmalzige Samstag” angehängt wurde. Da man am Samstag aber nur bis zum Mittagläuten arbeiten durfte, war auch dieser Tag zu kurz. Der Freitag fiel als kirchlich geprägter Askesetag aus, so dass der Donnerstag hinzukam („Schmutzige Dunschtig”, „gumpiger Donnerstag”, „fetter Donnerstag” oder „auseliger Donnerstag”). In manchen Gegenden werde der Fastnachtssonntag als „Kiechlisunntig” bezeichnet.  Sinn mache die Bezeichnung „Schnitzdienstag”, wenn man an ein Narrensprüchle des Hochrheins denke: „Dä Bogeschitz, dä Bogeschitz, der frisst am Fritig Speck mit Schnitz”.

Zum Narrenschmaus:  Die alemannischen Narrensprüchle „Luschtig ist die Fasenacht, wenn mei Mueter Kiechli bacht, wenn sie aber konni bacht, dann pfif ech uff die Fasenacht” oder „Etzt kunnt die luschtig Fasnetzeit, wo’s Brotwürscht regnet und Kiechli schneit” lassen nach Aussage von Gwinner auf typische Fastnachtsgerichte schließen. Neben Fasnetskiechli  und  Berliner gelten Kutteln, Brat- und Leberwürste, Kesselfleisch und Saueressen als typische närrische Gerichte, wobei diese sich zum Teil regional unterscheiden.

Zur Fastenzeit:  „Die vierzigtägige Fastenperiode der katholischen Kirche ist seit dem siebten Jahrhundert bekannt”, sagt der Brauchtumsforscher. In der sechswöchigen Fastenzeit sei unter Androhung empfindlicher Strafen (1536 wurde ein zwanzigjähriger Student in Zürich wegen Verstößen gegen Fastenvorschriften öffentlich verbrannt) der Konsum des Fleisches von warmblütigen Tieren oder auch der Genuss  aller weiteren aus Großvieh- und Geflügelhaltung gewonnenen Nahrungsmittel wie Schmalz, Fett, Milch, Butter, Käse und Eier untersagt worden. Dies habe für die Bevölkerung eine radikale Umstellung der Speisegewohnheiten bedeutet.
Metzger organisierten die Fasnacht
Für die Entwicklungsgeschichte der Fastnacht sei der ökonomische Faktor sehr wichtig: Die letzte Verzehrwelle vor der damals noch streng überwachten Fastenzeit liefert einige Gründe für fastnächtliche Phänomene. „Die wirtschaftlichen Interessen der Metzger waren hier sehr stark tangiert”, sagt Gwinner. Daher sei es auch kein Wunder, dass in vielen Städten die Metzgerzunft die Fasnacht organisierte, um so den sechswöchigen Verdienstausfall in der Fastenzeit einigermaßen zu ertragen. Unterstützt wurden sie dabei von den Bäckern und Wirten. Zur Herstellung von Schmalzgebäck waren viele Eier erforderlich. Mit dem „Eier-Verbot” des 15. Jahrhunderts („Ei ist nichts anderes als flüssiges Fleisch”) wurde die Dezimierung des Hühnerbestands notwendig. „So erklärt sich auch die Pflichtabgabe von Fastnachtshühnern oder der in vielen Orten gepflegte Brauch, an Fastnacht Eier auszuwerfen”, so Gwinner.
Selbst auf das Sexualverhalten hatte die Fastenzeit Auswirkungen. Jeglicher Geschlechtsverkehr sei früher verboten gewesen, weshalb oft an Fastnacht geheiratet wurde. Gwinner: „Die Triebhaftigkeit durfte sich noch einmal entfalten.” Auch Bier durfte anfänglich in der Fastenzeit nicht getrunken werden, später wurde es jedoch erlaubt. Dadurch wurden die wirtschaftlichen Interessen vieler Klöster berücksichtigt und das Leben der Mönche erleichtert. Das Fastenbier war in den Klöstern üblich, das Bier war im Mittelalter das einzige Getränk für einfache Leute.
An das Fastengebot seien alle Katholiken zwischen 18 und 60 Jahren gebunden. „Die mittelalterlichen Regeln wurden im Laufe der Zeit sehr gelockert, zuletzt 1978”, sagt Gwinner. Der Neubeginn an Aschermittwoch sei der sichtbare Ausdruck des Willens, die Sünde und den Tod abzulegen und ein neues Leben unter der Herrschaft Gottes zu beginnen. Mit der Fastenzeit bekomme der Christ die Chance, sich von allem zu befreien, was seinen rechten Glauben behindere. Fasten bedeute für Christen Abwendung von sündigen Genüssen, Drosselung des körperlichen Energiehaushalts und Konzentration auf außerordentliche Bewusstseinszustände (Kontemplation). Auch im Judentum und im Islam gebe es Fastengebote.
Die Fastnacht erhält nach Gwinners Ansicht ihre Existenzberechtigung nach wie vor von der nachfolgenden Fastenzeit. „Wird dieser Zusammenhang aufgehoben oder geleugnet, wird die Fastnacht überflüssig oder sie verkommt zu einem austauschbaren Event”, stellt er sich auf den Standpunkt und bezweifelt, ob dies alle Narrenzünfte erkannt haben. Den heutigen Narren täte es seiner Meinung nach gut, sich der Bedeutung des Aschermittwochs wieder zu erinnern.