Pflanzenbau | 29. April 2015

Doppelbehandlung mit Getreidefungiziden ist nicht immer wirtschaftlich

Von Dr. Friedrich Merz, Regierungspräsidium Stuttgart
Das Ziel von Fungizidbehandlungen im Getreide ist es, die obersten Blätter und die Ähre zur Sicherung der Ertragsbildung frei von Befall zu halten. Dabei ist es notwendig, sich an dem Befallsgeschehen zu orientieren. Routinebehandlungen sind für die Bekämpfung ungeeignet und unwirtschaftlich.
Gelbrost hat nach dem milden Winter gute Startbedingungen.
Der milde Winter hat das Überdauern vieler Krankheitserreger begünstigt. Besonders profitiert hat der Gelbrost, der bereits auf vielen Schlägen Befallsnester ausgebildet hat. 
Pilzkrankheiten liegen auf der Lauer
Aber auch die Septoria-Blattdürre, die bereits im Herbst die Bestände infiziert hatte, steht schon in den Startlöchern. Wenn sich in der Hauptwachstumszeit günstige Befallsbedingungen, zum Beispiel warmes Wetter mit wiederholten Regenschauern, einstellen, werden sich die wichtigen Getreidekrankheiten schnell ausbreiten. Relevant ist auch die Anfälligkeit der angebauten Sorte, die Anbauintensität und die Anbaulage für die Befallsgefahr durch Pilzkrankheiten.
Das Ziel von Fungizidbehandlungen im Getreide ist es, die obersten Blätter und die Ähre zur Sicherung der Ertragsbildung frei von Befall zu halten. Dafür müssen die Fungizidbehandlungen während des Schossens (ES 31) bis zum Grannenspitzen (ES 49) bei Befallsbeginn durchgeführt werden. Durch die Kombination von verschiedenen Wirkstoffen kann sowohl eine begrenzte heilende (kurative) Wirkung gegen vorher erfolgte Infektionen als auch eine gute Dauerwirkung gegen nachfolgende Infektionen erzielt werden. Dabei bringen die Azolwirkstoffe eine kurative Wirkung und die Strobilurin- sowie die Carboxamid-Wirkstoffe einen lang andauernden Schutz.
In den Landesversuchen Baden-Württemberg wurden im Jahr 2014 vom amtlichen Pflanzenschutzdienst Fungizide mit neuen Wirkstoffen in Gerste und Weizen geprüft. Die Ergebnisse dieser Versuche sind in den Abbildungen 1 bis 3 in Form von Balkendiagrammen dargestellt. Eine Zusammenstellung der empfohlenen Fungizide ist im Merkblatt „Pflanzenproduktion 2015” in Tabelle 19 auf den Seiten 32 und 33 zu finden.
Wintergerste
Beginnender Ramularia-Befall an Gerstenblättern.
In Baden-Württemberg war 2014 die Ramularia-Krankheit in der Wintergerste wieder die wirtschaftlich wichtigste Krankheit. In den unbehandelten Parzellen der Versuche trat zudem Rhynchosporium an vier Standorten mit geringen Befallswerten von 5 bis 6 % sowie Netzflecken an drei Standorten mit Werten von einem bis 10 % auf.
Die Behandlungen gegen Ramularia erzielten im Gesamtdurchschnitt Wirkungsgrade von 81 bis 90 %. Da die anderen Blattkrankheiten, die die Gerste schon in früheren Entwicklungsstadien schädigen, nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben, waren die Unterschiede zwischen Doppel- und Einfachbehandlungen gering.
Es liegen sieben Versuchsergebnisse vor (Abbildung 1). Weil für die Prüfmittel (PM) noch keine Preise bekannt sind, wird der durch die Krankheitsbekämpfung erzielte Mehrertrag in dt/ha dargestellt. Es zeigte sich, dass eine einmalige Behandlung gegen Pilzkrankheiten und physiologische Blattflecken in den Stadien ES 37 bis 49 wirtschaftlich sinnvoll war. Doppelbehandlungen brachten tendenziell Mehrerträge, sie waren jedoch nach Bereinigung der Kosten nicht immer wirtschaftlich.Nach den Empfehlungen von ISIP und ProPlant wurden an sechs von sieben Standorten nur Einfachbehandlungen durchgeführt. Meist war dies ausreichend, wenn nur Ramularia als ertragsrelevant eingestuft war.
Sommergerste
Auch in der Sommergerste war Ramularia an sechs von sieben Standorten mit Abstand die bedeutendste Krankheit. An zwei Standorten traten zusätzlich Netzflecken und Rhynchosporium mit schwachem Befall auf, im Main-Tauber-Kreis gab es geringen Befall mit Mehltau.In den sieben Versuchen (Abbildung 2) lohnten sich Doppelbehandlungen nicht. Wichtig bleibt für die Sommergerste, dass bei der Wahl eines Fungizides auf dessen Wirkung gegen die Ramularia-Krankheit besonders geachtet wird.
ISIP und ProPlant empfahlen nur aufgrund des frühen Mehltaubefalls im Main-Tauber-Kreis zwei Behandlungen. An allen anderen Standorten wurde nur eine Behandlung vorgeschlagen. In Nürtingen riet Proplant sogar aufgrund des geringen Befalls von einer Anwendung ab.
Winterweizen
Die wichtigste Krankheit im Weizen war im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg die Septoria-Blattdürre. Neu war auf fünf Standorten der Befall mit Gelbrost. Dessen Warrior-Rasse hatte den milden Winter 2013/2014 gut überlebt, sodass sich die Krankheit ab Anfang März in den Beständen ausbreiten und zur zweitwichtigsten Krankheit werden konnte. In der Sorte Astron spielte Blattbefall durch Echten Mehltau eine bedeutende Rolle. In den elf Landesversuchen, in denen die Septoria-Blattdürre die bedeutendste Krankheit war, wurden mit Doppelbehandlungen Wirkungsgrade von maximal 85 % erzielt. Die einmaligen Behandlungen, ausgenommen die Variante mit Adexar, kamen nicht an diese Werte heran.
Bei den fünf Versuchen mit Gelbrostbefall zeigte sich das gleiche Bild. Die frühen Behandlungen in ES 31/32 erbrachten jedoch eine deutlich bessere Wirkung.
In der Abbildung 3 sind die Ertragsergebnisse von fünfzehn Versuchen des vergangenen Jahres im Winterweizen zusammengefasst. Durch die Doppelbehandlungen konnten die Erträge zwar deutlich gesteigert werden. Diese Mehrerträge deckten aber nicht immer die zusätzlichen Kosten. Den höchsten Mehrerlös erbrachte die einmalige Behandlung mit Adexar (Variante 9). Nach den Prognosen von Proplant wurden neun Doppel- und fünf Einfachbehandlungen durchgeführt. An einem Standort wurde keine Behandlung empfohlen. Dem standen nach ISIP eine Dreifach-, acht Doppel- und sechs  Einfachbehandlungen entgegen. Im Durchschnitt erzielten beide Prognosemodelle dieselben Mehrerträge. Aufgrund der geringeren Kosten der vorgeschlagenen Pflanzenschutzmittel im Vergleich zu den bei ISIP angewendeten Vergleichsvarianten (Varianten 2 oder 3) war die Proplant-Variante wirtschaftlicher.
Grundsätzlich ist es wichtig, den Weizen zu den folgenden vier Entwicklungsbereichen auf Krankheitsbefall zu kontrollieren und eine Entscheidung über erforderliche Bekämpfungsmaßnahmen zu treffen:
  • ES 31/32, Beginn des Schossens, auf Halmbruchkrankheit, Mehltau, Gelbrost und frühe Septoria-Blattdürre;
  • ES 37, während des Schiebens des Fahnenblattes, insbesondere auf Septoria-Blattdürre und weitere Blattkrankheiten wie Mehltau, DTR-Blattdürre, Braun- und Gelbrost;
  • ES 49/51, Grannenspitzen bis Beginn des Ährenschiebens, auf alle Blattkrankheiten und Befallsgefahr durch Spelzenbräune;
  • ES 61/65, Beginn bis Mitte der Blüte, bei besonderer Befallsgefahr durch Ährenfusarium.
Zum Schossbeginn muss in diesem Jahr besonders auf Befall mit Gelbrost geachtet und bei Befall ein Mittel mit guter Rostwirkung eingesetzt werden.
In Beständen mit schwachem Befall ist es sinnvoll, mit einer Behandlung noch abzuwarten. Eine Bekämpfung der Krankheiten in den Stadien ES 49 bis 51 hat sich als günstig erwiesen. Dann kann mit einer Behandlung mit der vollen zugelassenen oder empfohlenen Aufwandmenge eines Getreidefungizides das gesamte Spektrum der Blatt- und Ährenkrankheiten, ausgenommen Ährenfusarium, bekämpft werden.
Bei Befallsgefahr durch Ährenfusariosen, zum Beispiel bei Anbau nach der Vorfrucht Mais, können in Abhängigkeit von der Witterung späte Behandlungen nach dem Ährenschieben zum Beginn der Blüte notwendig werden. Diese Maßnahme wirkt nicht mehr gegen die früher auftretenden Blatt- und Ährenkrankheiten. Die Bekämpfung der Fusariumpilze muss immer als eine spezielle Behandlung zur Verhinderung von Ährenbefall angesehen werden, die zusätzlich notwendig werden kann.
Roggen und Triticale
In Roggen, insbesondere Hybridroggen, können die Krankheiten Braunrost und Rhynchosporium-Blattfleckenkrankheit eine wirtschaftliche Bedeutung erlangen. Auch in Triticale nimmt die Bedeutung der Getreidekrankheiten zu. Bei dieser Getreideart muss mit Befall durch die Krankheiten Septoria-Blattdürre, Rhynchosporium-Blattflecken und seit letztem Jahr auch Gelbrost gerechnet werden. Mit gezielten Behandlungen nach einem festgestellten Befallsbeginn während des Schossens bis spätestens zum Grannenspitzen werden Ertragsverluste verhindert.
Die richtige Spritzstrategie
Wichtig sind auch eine sachgerechte Mittelwahl und ausreichend hohe Mittelaufwandmengen. Durch falschen Einsatz können die Erreger des Echten Mehltaus und der Blattseptoria kaum noch mit der früher hoch wirksamen Wirkstoffgruppe der Strobilurine bekämpft werden. Erhebungen in den Jahren 2013 und 2014 haben gezeigt, dass beim Erreger der Netzfleckenkrankheit der Gerste in den nächsten Jahren auch in Baden-Württemberg bei den Mitteln mit Carboxamid-Wirkstoffen mit Wirkungsminderungen gerechnet werden muss.
Die Bekämpfungserfolge können nur durch eine Kombination von mehreren Wirkstoffen mit unterschiedlicher Wirkungsweise gesichert werden. Aufgrund dieser Erfahrungen werden auch die neuen Wirkstoffe aus der Gruppe der Carboxamide in den angebotenen Mitteln mit Wirkstoffen aus anderen Wirkstoffgruppen kombiniert. Damit kann nach derzeitigem Kenntnisstand einer Resistenzentwicklung entgegengewirkt werden. Wegen der Gefahr einer Resistenzbildung empfiehlt der amtliche Dienst Carboxamide  nur einmal und mit ausreichend hoher Aufwandmenge in der Spritzfolge einzusetzen. Die Wirkungsweise der Carboxamide wird optimal ausgenutzt bei einer Anwendung während der Schossphase bis zum Beginn des Ährenschiebens.